Rendi-Wagner im Interview

"Ist eine Mickymaus-Steuerreform"

19.01.2019

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner äußert im Interview scharfe Kritik an der Regierung. 

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© APA/ROLAND SCHLAGER
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Wien. Sowohl Mindestsicherungs- als auch Steuerreform gehören komplett überarbeitet, wenn es nach SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner geht.

ÖSTERREICH: Der Kanzler hat Wien angegriffen: Es gebe immer mehr Kinder von Mindestsicherungsbeziehern, die in der Früh aufstehen – und die Eltern bleiben liegen. Was sagen Sie zu der Tonlage?

Pamela Rendi-Wagner: Es gibt zum Regierungsentwurf zur Mindestsicherung  140 Stellungnahmen. Bis auf 3 sind alle negativ. Ich erwarte mir jetzt von der Regierung, dass sie das ernst nimmt und den Entwurf grundlegend überarbeitet. Zur Tonlage: Ein Kanzler darf nicht mit dem Finger auf Menschen zeigen. Wen meint er denn? Jene 2/3 der Mindestsicherungsbezieher, die vielfach jeden Tag arbeiten gehen oder Jahrzehnte lang gearbeitet haben und trotzdem nicht genug Geld zum Leben haben, also die sogenannten Aufstocker? Was wir brauchen, sind mehr Jobs und keine Feindbilder des Bundeskanzlers. Er wechselt politisches Kleingeld auf dem Rücken von Notstandshilfebeziehern, Pensionisten oder Menschen, die trotz Job in Armut leben. Er hat eine Gesellschaft zu einen und nicht zu spalten.

ÖSTERREICH: Was stört denn Sie am Entwurf zur Mindestsicherung? Die Kürzung bei den Kinderzuschlägen?

Rendi-Wagner: Genau. Wir wollen eine Mindestsicherung, die Kinderarmut in Österreich verhindert und reduziert, und nicht erhöht.

ÖSTERREICH: In Wien steigt aber die Zahl der Flüchtlinge in der Mindestsicherung. Muss da nicht gegengesteuert werden?

Rendi-Wagner: Es ist Aufgabe der Regierung, dass Menschen mit Asylrecht in den Arbeitsmarkt integriert werden. Auch für sie braucht es mehr Jobs – und nicht mehr Feindbilder.

ÖSTERREICH: Ist das schon ein Vorwahlkampf vor der Wien-Wahl 2020?

Rendi-Wagner: Es schaut schon ein bisschen so aus, als ob die schwarz-blaue Regierung in Richtung Wien-Wahlkampf schielt.

ÖSTERREICH: Apropos Wien. Hier sind Wohnkosten stark gestiegen: Was plant die SPÖ da?

Rendi-Wagner: Aktuell gibt es 2 % Inflationsrate, die privaten Mieten haben sich österreichweit letztes Jahr um fast 4 % erhöht. Also doppelt so stark. Deswegen haben wir hier ein Paket vorgelegt: Weg mit der Mehrwertsteuer auf Mieten und damit eine sofortige Entlastung von einer Monats­miete im Jahr.

ÖSTERREICH: Die AK fordert ­einen steuerlichen Wohnbonus von 500 Euro im Jahr – wäre das ein Modell?

Rendi-Wagner: Das wird in diese Richtung gehen, dass wir sagen, wir wollen zusätzlich zur Abschaffung der Mietsteuer einen Wohnbonus für Wohnungs- oder Hauseigentümer in der Höhe von 500 Euro.

ÖSTERREICH: Zur Steuerreform: 4,5 Mrd. plant die Regierung bis 2022 – was sagen Sie dazu?

Rendi-Wagner: Das reicht uns natürlich nicht. Die Regierung hat vor der Wahl von 12 Mrd. Euro steuerlicher Entlastung für die Menschen gesprochen. Das waren leere Versprechen. Das ist eine Mickymaus-Steuerreform, denn die angebliche Steuerentlastung bezahlt sich die Bevölkerung selbst.

ÖSTERREICH: Die kalte Progression soll 2022 abgeschafft werden. Das ist Ihnen zu spät?

Rendi-Wagner: Das ist mir zu spät. Warum wird diese Entlastung der Menschen auf die lange Bank geschoben? Das ist nicht nachvollziehbar.

ÖSTERREICH: Es hat seit Ihrem Antritt immer Gemurmel aus den Ländern gegeben, letzte Woche gab es die Bemerkung des Stadtrats Hacker, dass nicht relevant ist, was Sie sagen. Wie sehen Sie das?

Rendi-Wagner: Ich habe ein sehr gutes Arbeitsverhältnis mit allen Landesparteivorsitzenden, egal ob es Männer oder Frauen sind oder auch mit führenden Personen in unseren Gewerkschaftsorganisationen. Ich habe immer das gesagt, was ich zu sagen habe, und werde das auch weiter so handhaben.

ÖSTERREICH: Aber der Streit um die Mindestsicherung läuft doch an Ihnen vorbei – zwischen Kurz und Hacker.

Rendi-Wagner: Ich stehe hier Seite an Seite mit Wien und habe mich mehrmals geäußert. Aber es ist doch logisch: Wenn Wien angegriffen wird, ergreift der zuständige Stadtrat in dem Fall das Wort.

G. Schröder

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