Rote Basis stimmt über Chefin ab

Rendis SPÖ-Poker löst neue Krise aus

16.02.2020

Das SPÖ-Präsidium wollte Rendi-Wagner von der Vertrauensfrage abbringen. Es eskalierte fast total. Ein Protokoll.

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Das sei „keine gute Idee“, sagten selbst Pamela Rendi-Wagners Unterstützer Doris Bures und Michael Ludwig bei der Präsidiums­sitzung am Freitag. Die SPÖ-Chefin hatte ihrem höchsten Gremium völlig überraschend erklärt, dass sie in der vereinbarten Mitgliederbefragung nun auch die Vertrauensfrage stellen wolle.

„Damit heizt du wieder eine Personaldiskussion an“, warnten sie so gut wie alle Präsidiumsmitglieder. „Ich brauche diese Abstimmung aus persönlichen Gründen“, blieb die rote Vorsitzende stur. 160.000 Mitglieder sollen nun vom 4. März bis 2. April anonym auch über sie abstimmen.

„Das ist eine gefährliche Flucht nach vorne“, bescheinigt ein Roter. Im Präsidium versuchte man die SPÖ-Chefin, die immer wieder „Intrigen und Streit“ moniert hatte, stundenlang noch davon abzubringen. Rendi-Wagner ließ die Sitzung unterbrechen. Während SPÖ-Granden überlegten, wie sie ihr das ausreden könnten, ließ sie bereits das Video, in dem sie die Mitgliederbefragung über sie offiziell verkündete, auf den sozialen Medien posten.

„Jetzt kann sie nicht mehr zurück“, raunte ein Landeschef den anderen zu. „Wenn du das unbedingt willst, ­machen wir das. Wir respektieren das, auch wenn wir das zum jetzigen Zeitpunkt falsch finden. Aber wir respektieren deinen Mut“, sollen Bures und Ludwig daraufhin gesagt haben. Der am Freitag ebenfalls unter Druck gestandene Hans Peter Doskozil – er wollte kurzfristig seine Verlobte in seinem Büro anstellen – verhielt sich zurückhaltend und erzählte nur, wie er seine Mitglieder befragt habe.

 

"Hätten wir abgelehnt, hätte sie gehen müssen"

Zwölf Ja-Stimmen. Noch aufgeheizter war die Stimmung im anschließenden SPÖ-Vorstand Freitagnachmittag. Zehn Vorständler lehnten Rendi-Wagners Ansinnen ab. Zwölf – darunter die Landeshauptleute Ludwig, Doskozil und Kärntens Peter Kaiser – stimmten ebenso wie Bures zu, um eine „Katastrophe“ zu verhindern. „Wenn sie keine Mehrheit im Vorstand für ­ihren Vorschlag erhält, den sie schon veröffentlicht hat, müsste sie gleich gehen“, waren sich die Pragmatiker im SP-Vorstand untereinander einig.

Ihre Entscheidung habe sie ihrem engsten Team vor einer Woche mitgeteilt, sagte die Ober-Rote ihrem verdatterten Vorstand. Ihre Berater und sie glauben, dass ihr mit der Mitgliederbefragung der nötige Befreiungsschlag und ein Ende der Konflikte gelingen werde.

© TZOE/Kernmayer
ÖSTERREICH-Politik-Insiderin Isabelle Daniel und SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner

Rendi-Wagner im Interview: "Vertrauensfrage aus persönlichen Gründen"

ÖSTERREICH: Niemand hat damit gerechnet, dass Sie die Vertrauensfrage stellen … Wie kam es dazu?

Pamela Rendi-Wagner: Es war ein bewegtes Jahr, 14 Monate seit meiner Wahl zur Bundesparteivorsitzenden mit zum Teil schmerzhaften Tiefpunkten Ende des Jahres. Ich und die gesamte SPÖ brauchen Rückhalt und Vertrauen der Mitglieder, um Stärke in der politischen Auseinandersetzung zu haben. Ich stelle die Vertrauensfrage ganz bewusst – zum ersten Mal in der Geschichte der Sozialdemokratie.

ÖSTERREICH: Haben Sie das Gefühl, dass die Partei nicht mehr hinter Ihnen steht?

Rendi-Wagner: Wir alle können nur erfolgreich sein, wenn wir an einem Strang ziehen. Da geht’s gar nicht um mich. Unser Ziel ist das Vertrauen unserer Basis. Wir haben das 21. Jahrhundert und es ist an der Zeit, dass die Mitglieder mitbestimmen, wer an ihrer Spitze steht.

ÖSTERREICH: Ist das nicht riskant? Sie können alles gewinnen, aber auch alles verlieren.

Rendi-Wagner: Die Politik hält viele Risiken offen. Ich möchte den Weg der Erneuerung gehen, damit wir wieder eine dynamische Bewegung werden. Mit der Frage zu meiner Person setze ich den ersten Schritt.

ÖSTERREICH: Als Kamikaze sehen Sie sich nicht?

Rendi-Wagner: Nein, weil ich zuversichtlich bin, dass ich dieses Vertrauen bekomme. Dieses Vertrauen stärkt uns, um für die wichtigen Themen zu kämpfen – etwa die Pflege, die ich staatlich ­finanziert haben will und nicht auf den Rücken des Einzelnen abwälzen möchte.

ÖSTERREICH: Mit welcher Zustimmung rechnen Sie?

Rendi-Wagner: Diese Frage wird den Mitgliedern erstmals gestellt, es gibt daher keinen Vergleichswert. Aber je höher der Rückhalt, desto stärker sind wir gemeinsam in der politischen Auseinandersetzung. Ich werde um das Vertrauen unserer Mitglieder kämpfen. Das ist kein Selbstzweck, da geht’s um uns als Bewegung.

ÖSTERREICH: Ist eine Vertrauensfrage so kurz vor der Wien-Wahl strategisch klug?

Rendi-Wagner: Wir müssen diesen Weg entschlossen gehen und dürfen keine Furcht vor den Mitgliedern haben. Mit ihrem Rückhalt bekommen wir Klarheit und Stärke – auch für die Wien-Wahl.

ÖSTERREICH: Was machen Sie, sollten Sie nicht den Rückhalt der Basis bekommen?

Rendi-Wagner: Ich befasse mich nicht mit „was wäre wenn“. Ich bin jemand, der ein Ziel hat, das Ziel, zu kämpfen für Fairness im Sinne der Menschen in Österreich und für das Vertrauen der Basis.

ÖSTERREICH: Sie haben also keinen Plan B?

Rendi-Wagner: Ich habe einen Plan A, und der ist gut.

Isabelle Daniel

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