Mehr Kompetenzen
RH darf bald kleinere Gemeinden prüfen
22.06.2010
Die Koalition hat sich geeinigt: Die Uraltforderung des Rechnungshofs wird erfüllt. Wenn es dafür im Parlament eine Zweidrittelmehrheit gibt.
Die Koalitionsparteien haben die schon länger ins Auge gefasste Erweiterung der Kompetenzen des Rechnungshofs (RH) für Gemeinden auf den Weg gebracht. Wie SPÖ und ÖVP am Dienstag im Ö1-"Morgenjournal" bestätigten, soll über einen gemeinsamen Initiativantrag der RH künftig schon Gemeinden ab 10.000 Einwohner prüfen dürfen. Bisher hatte die Grenze 20.000 Einwohner betragen.
Uralte Forderung
Der Rechnungshof hatte diese erweiterte
Befugnis schon lange gefordert, wobei RH-Präsident Josef Moser dafür
plädiert hatte, die Prüfkompetenz auf Gemeinden ab einem Jahresbudget von
zehn Millionen Euro auszuweiten. Stattdessen soll nun offenbar die
Einwohner-Grenze sinken. Moser meinte dazu am Dienstag, das sei "sicherlich
ein guter Schritt in die richtige Richtung, zu mehr Transparenz, mehr best
practice", und damit positiv für die Gemeinden.
Laut "Vorarlberger Nachrichten" soll außerdem der Bundesrechnungshof von einer Landesregierung oder einem Landtag dazu aufgefordert werden können, eine Kleingemeinde, also unter 10.000 Einwohnern, zu prüfen. Dieser Schritt wäre dann anzuwenden, wenn Ungereimtheiten vermutet werden.
Zweidrittelmehrheit nötig
Die Erweiterung der
RH-Kompetenzen benötigt eine Zweidrittelmehrheit im Nationalrat.
SPÖ-Verfassungssprecher Peter Wittmann und sein ÖVP-Gegenüber Wilhelm
Molterer kündigten Parteiengespräche auf parlamentarischer Ebene noch für
diese Woche an.
"Bürokratischer Wahnsinn"
Gemeindebund-Präsident
Helmut Mödlhammer ist unglücklich über die geplante Kompetenzerweiterung des
Rechnungshofs. Man habe zwar nichts gegen Prüfungen, jedoch wende man sich
gegen Mehrfachprüfungen "durch die Kontrollausschüsse in der
Gemeinde, die Gemeindeaufsicht, die Landesrechnungshöfe, den
Bundesrechnungshof und teilweise auch durch die Bezirksverwaltungsbehörden".
Dies sei ein bürokratischer Wahnsinn, so Mödlhammer.
"Anschlag auf die Autonomie"
Grundsätzlich hielt der
Chef des Gemeindebundes fest, dass es sich beim Gesetzesentwurf um einen "beispiellosen
und verfassungsrechtlich bedenklichen Anschlag auf die Gemeindeautonomie"
handle: "Hier mischen sich zwei Ebenen - nämlich Bund und Länder - in
die verfassungsrechtlichen Kernkompetenzen der Gemeinden ein. Das ist
bislang noch nie vorgekommen."
Ärgerlich sei auch, dass es mit Ausnahme der Einwohnerzahl künftig keinerlei sachliche Kriterien für eine Überprüfung durch den Rechnungshof geben solle. "Das wird weder eine vorbeugende, noch eine abschreckende Wirkung haben", so Mödlhammer. Irritierend sei zudem, dass man mit diesem Gesetzesentwurf einmal mehr über die Gemeinden drüberfahren wolle.
"Mickey-Mouse-Reform"
Grünen und FPÖ geht der Plan
dagegen zu wenig weit. Der Grüne Vizechef Werner Kogler sieht eine "Mickey-Mouse-Reform
mit drohenden Verschlechterungen". Der oberösterreichische FPÖ-Chef
Manfred Haimbuchner will, dass auch Gemeinden unter 10.000 Einwohnern
geprüft werden, allerdings von den Landesrechnungshöfen. Und für BZÖ-Chef
Josef Buchner müsste sich die Prüfung nicht an der Zahl der Einwohner
sondern am Gebarungsvolumen orientieren.
Skepsis bei oö. Gemeindereferenten
Die für die 444
oberösterreichischen Gemeinden zuständigen Landesräte Josef Ackerl (S) und
Josef Stockinger (V) haben sich am Dienstag skeptisch zu dem Vorhaben
geäußert, dass der Bundesrechnungshof künftig Gemeinden ab 10.000 Einwohnern
und nicht wie bisher erst ab 20.000 Einwohnern prüfen können soll. Das nehme
man zur Kenntnis, "glücklich sind wir darüber allerdings nicht", erklärten
sie in einer gemeinsamen Presseaussendung.
Die beiden Landesräte - sie sind wechselseitig für die Gemeindefinanzierung und die Gemeindeaufsicht zuständig - stellten fest, sie seien der festen Überzeugung, dass die bisherigen Aufgaben der Prüfgruppe in der Gemeindeaufsicht jedenfalls die Qualität des Rechnungshofs aufweise. Gerade in Oberösterreich gebe es eine transparente und qualitativ durchgehende Prüfreihe der Finanzen in den Gemeindestuben. Im Schnitt werde eine Gemeinde alle fünf Jahre auf Herz und Nieren geprüft. Der Landesrechnungshof sei bei Gemeindeprüfungen schon bisher gleichberechtigt und partnerschaftlich in die Gebarungsprüfung eingebunden.
Überschneidungen vermeiden
"Keinesfalls" wollen die
Landesräte eine "Vielfachprüfung mit teuren Mehrgleisigkeiten". Man werde
nicht zwei Rechnungshöfe auf eine Gemeinde loslassen. Wenn der
Bundesrechnungshof künftig Gemeinden ab 10.000 Einwohner prüft, dann werde
der Landesrechnungshof nur mehr bis zu dieser Einwohnergrenze die
Gebarungsprüfung vornehmen können, wollen sie Überschneidungen vermeiden.
Ackerl und Stockinger finden es jedoch als "höchst bemerkenswert", dass sich "der Bund bei Prüfrechten wichtig machen will, anstatt den Gemeinden bei den wahren Problemen helfen zu wollen, etwa der Finanzierung der wichtigen Aufgaben im Sozial-, Pflege- und Gesundheitsbereich".