Wahlen 2010: Jetzt beginnt der Poker um die Macht in der Steiermark.
Ein Gespenst geht um in der Steiermark. Und sein rot-blaues Gewand lässt derzeit vor allem SP-Gemüter in Wien erschaudern. Denn auch am Tag nach der Landtagswahl in der Steiermark bleibt Franz Voves weiterhin dabei: Er werde mit ÖVP und FPÖ Gespräche über eine Kooperation führen. Die "Blauen“ als Königsmacher – und das nicht einmal zwei Wochen vor der Wien-Wahl: Das hat Sprengkraft. Die Ausgangspositionen sind klar:
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Landeshauptmann Voves kann als (knapper) Wahlsieger mit ÖVP und FPÖ eine Koalition eingehen.
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Eine Regierung aus ÖVP und FPÖ geht sich aber nicht aus (keine Mehrheit im Landtag).
- Das Verhältnis zwischen Voves und ÖVP-Spitzenmann Hermann Schützenhöfer aber ist (untertrieben) kühl. Die beiden können sich nicht schmecken.
Bleibt also Rot-Blau. Und es gibt SP-Männer, die (anonym) erklären: "Wir sollten Rot-Blau wagen, damit die ÖVP endlich kapiert, dass sie nicht alleine als Partner in Frage kommt“. Davon hält allerdings SP-Bundeskanzler Werner Faymann reichlich wenig. Eine rot-blaue Koalition würde sowohl die Wien-Wahl als auch sein striktes Anti-FPÖ-Image erheblich bröckeln lassen.
Strache favorisiert eine rot-blaue Koalition
Genau das kommt aber freilich sowohl Schwarz wie Blau so richtig entgegen. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache sagt denn auch offen im ÖSTERREICH-Interview: "Ja, Rot-Blau wäre reizvoll.“ Strache freut sich besonders darüber, dass Voves bereits am Wahlsonntag eine "neue Linie in der Integrationspolitik angekündigt“ habe. Für Strache geht es aber um etwas anderes. Er will durch die bloße Erwähnung von Rot-Blau in der Steiermark vor der Wien-Wahl am 10. Oktober die anderen Parteien vor sich hertreiben.
In der Bundes-ÖVP hört man denn auch (strategisch sind die Ihren auf Empfang gestellt) bereits die "Signale, Richtung Rot-Blau“, wie etwa VP-Klubchef Karlheinz Kopf erklärt. Steiermarks VP-Chef Hermann Schützenhöfer ist zwar "zu Gesprächen mit der SPÖ bereit“, ÖVP-Insider gehen aber davon aus, dass diese "sich zumindest bis zur Wien-Wahl ziehen werden. Das schwarze Kalkül: Man wird "Voves anrennen lassen, damit er noch vor dem 10. Oktober Gespräche mit den Blauen aufnehmen muss“, sagt ein schwarzer Stratege. Eine Strategie, welche die SPÖ freilich durchschaut hat. Bereits am Sonntagabend telefonierten Faymann und seine Vertrauten intensiv mit SP-Granden, um sie auf Anti-Rot-Blau einzuschwören. Montag wollte sich niemand mehr in diese Richtung äußern. Das rot-blaue Gespenst soll nicht länger spuken.
Interview mit Strache: "Ja, Rot-Blau wäre reizvoll"
ÖSTERREICH: Franz Voves lässt sich die rot-blaue Option offen. Da müssen Sie ja frohlocken, nicht?
HC Strache: Na ja, normalerweise erleben wir nach den Wahlniederlagen und Denkzetteln für SPÖ und ÖVP immer, dass die zwei Parteien wieder zur Tagesordnung übergehen, anstatt etwas zu verändern. Und ich sage bewusst, es wäre gut, wenn man das lähmende rot-schwarze Proporzsystem in der Steiermark nun aufgibt und dem Wählerwillen folgt.
ÖSTERREICH: Das heißt, Sie streben Rot-Blau an?
Strache: Die Frage, die sich jetzt stellt, ist, ob sich Franz Voves überhaupt traut, gegen Faymann und den Ausgrenzungsmeister Häupl zu entscheiden. Wir stehen für ernsthafte Gespräche jedenfalls zur Verfügung.
ÖSTERREICH: Sie wollen, dass die steirische FP in eine Koalition mit der SP geht?
Strache: Natürlich wollen wir unsere Ideen in einer Regierung umsetzen, ob das jetzt mit SPÖ oder ÖVP ginge ...
ÖSTERREICH: Schwarz-Blau hat gar keine Mehrheit in der Steiermark...
Strache: Das stimmt. FPÖ und ÖVP haben derzeit keine Mehrheit. Natürlich wäre Rot-Blau reizvoll.
ÖSTERREICH: Voves hat erklärt, dass man die Integrationspolitik überdenken müsse. Wie werten Sie das?
Strache: Natürlich ist es gut, wenn wir mit unseren richtigen Einwänden ein Umdenken erreichen. Die SPÖ macht ja Politik gegen die eigene Bevölkerung. Wenn Voves, wie der Sozialdemokrat Sarrazin in Deutschland, das erkennen würde, würde mich das freuen. Aber sozialdemokratische Parteien neigen ja dazu, ihre eigenen Leute auszuschließen, wenn sie den roten Irrweg verlassen.
ÖSTERREICH: Welche Auswirkung hat die Steiermark auf Ihren Wien-Wahlkampf?
Strache: Dass wir unseren freiheitlichen Weg in Wien fortsetzen werden.
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Häupl fürchtet ein blaues Wunder
Noch in der Wahlnacht analysierte Wiens Bürgermeister Michael Häupl in der SP-Zentrale in der Wiener Löwelstraße mit seinen Wahlstrategen um US-Starberater Stanley Greenberg die Signale, die die Wähler für die Wiener Wahl am 10. Oktober über den Semmering schickten.
Häupl: "Wer daheimbleibt, hilft den irren Radikalen“
Die Botschaften kennt der Wiener Bürgermeister – so musste er mit Grauen feststellen – schon aus den 90er-Jahren, als Jörg Haider gegen eine ohnmächtige SPÖ triumphierte:
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"Wer daheimbleibt, stärkt die irren Radikalen“, sagt Häupl nach der Steiermark-Wahlanalyse zu ÖSTERREICH: So wie Franz Voves doppelt so viele Stimmen an die Nichtwähler wie direkt an die FPÖ verlor (siehe Analyse rechts), könnte es der SPÖ auch in Wien gehen – wenn sie keine totale Mobilisierung schafft.
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Zweite Angst der SPÖ: Offenbar wählen die jungen Männer unter 30, vor allem wenn sie von der Krise durch Jobängste betroffen sind, massiv Blau – Häupls SPÖ hat dem juvenilen Rabaukenstil von Heinz-Christian Strache in den Augen dieser Generation nichts entgegenzusetzen.
- Und dann gibt es noch einen Punkt, an dem Franz Voves dem Wiener Bürgermeister die Wahl verhageln kann: Bei den jungen Frauen verliert die SPÖ ohnehin schon massiv an die Grünen. Wird aus den rot-blauen Flirts in der Steiermark Ernst und ziehen sich Spekulationen dazu bis zur Wien-Wahl, könnte das "rot-grüne“ Publikum in Wien dem Bürgermeister seine massive Ablehnung für blaue "Minarettspieler, die offen zu Gewalt aufrufen“, einfach nicht abnehmen.
Häupl und Faymann planen jetzt "Roten Oktober“
Für die SPÖ heißt das in den letzten beiden Wochen vor der Wien-Wahl: Angriff ist die beste Verteidigung. In einer "Aktion Roter Oktober“ wird die SPÖ glasklare Signale an die "Krisen-Verlierer“ senden, indem etwa Kanzler Werner Faymann massiv bei den Steuern auf "seinem Thema“ beharrt – soziale Gerechtigkeit und Reichensteuern stehen ganz oben auf der SP-Agenda. Und Häupl selbst warf sich schon im ÖSTERREICH-Interview am Wahlabend in die Schlacht – er kämpft massiv darum, dass die rot-blaue "Lieblingskoalition“ von HC Strache in der Steiermark nicht zustande kommt. Weil sie die FP in Wien unglaublich stärken und die SP spalten würde.