Missbrauchsfälle
Runder Tisch bringt wenig Konkretes
13.04.2010
Die Opfervertreter sind verstimmt, dass sie nicht ins Familienministerium eingeladen worden sind.
Kinderschutz braucht Geld, das ist eines der Ergebnisse des Runden Tisches zum Thema Missbrauch am Dienstagnachmittag im Familienministerium. Die Experten sprachen sich etwa für eine bessere Vernetzung der Institution aus. Eine konkrete Forderung betrifft die Ausbildung von Pädagogen, bei der noch stärker auf das Thema eingegangen werden soll, so Familienstaatssekretärin Christine Marek (V). Für einen kleinen Eklat sorgten zwei Journalisten, die bei der Pressekonferenz ihre Kritik an der Einladungspolitik kundtaten.
"PR-Gag"
Heftige Kritik kam von den Grünen. "Der
heutige runde Tisch war für die Betroffenen kirchlicher Gewalt ein Schlag
ins Wasser mit wenigen Ergebnissen", kritisiert der grüne Justizsprecher
Albert Steinhauser Justizministerin Bandion-Ortner. Weder gäbe es ein
Bekenntnis zur Aufnahme von Verhandlungen mit der katholischen Kirche über
mögliche Entschädigungen der Opfer, noch eine staatliche
Untersuchungskommission. "Das ganze ist ein billiger PR-Gag, bei dem die
ExpertInnen die Kulisse abgeben durften", so Familiensprecherin Daniela
Musiol.
Runder Tisch
Marek und Justizministerin Claudia Bandion-Ortner
luden Fachleute aus allen betroffenen Bereichen zum Runden Tisch. Einige
Opferinitiativen fühlten sich jedoch benachteiligt, da Opfer selbst nicht am
Gespräch teilnehmen durften. "Die Opferperspektive wurde permanent
berücksichtigt", betonte Marek. Doch sei es bei diesem Termin
nicht um die Aufarbeitung aktueller Fälle gegangen, wurde betont.
30 Experten
Rund 30 Experten haben dabei drei Stunden lang über
Möglichkeiten diskutiert, wie Kindesmissbrauch einzudämmen beziehungsweise
zu verhindern ist. "Wir brauchen das Rad nicht neu erfinden", man
könne auf vorhandene Standards aufbauen, stellte Marek fest. Eine Maßnahme
sei etwa die Aufklärung von Eltern und Kindern, denn "aufgeklärte
Kinder sagen schneller Nein", meinte die Staatssekretärin.
Aus- und Weiterbildung
Der vielleicht konkreteste Vorschlag
umfasste die Aus- und Weiterbildung von pädagogischem Personal, der mit
Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) besprochen werden soll. Künftig
sollte etwa in der Ausbildung zumindest eine Semesterwochenstunde der
Sensibilisierung für das Thema Kindesmissbrauch gewidmet werden, schlug
Marek vor. Auch bei den bereits tätigen Pädagogen soll hier in der
Fortbildung um fünf Stunden aufgestockt werden.
"Geld, Geld und noch mal Geld"
Der Kinder- und
Jugendpsychiater Max Friedrich fasste die Vorschläge zusammen: "Wir
leben in einem reichen Land, für den Schutz der Kinder brauchen wir aber
Geld, Geld und noch mal Geld." Laut Marek sind die Mittel für die
Hilfseinrichtungen derzeit "gesichert". Mit dem Round Table sei
auch der Startschuss für Gespräche mit den anderen Ressorts gefallen. Zuerst
müsse man definieren, welche Maßnahmen umzusetzen sind, dies im Bewusstsein
der budgetären Situation.
Friedrich sprach sich übrigens gegen eine gesetzliche Anzeigepflicht bei Verdachtsfällen aus. Diese würde dem Kindeswohl zuwider laufen, meinte er. Bandion-Ortner sah sich durch die Fachleute auch bestätigt, was die Verjährungsfrist betrifft. Die derzeitige Regelung sei ausreichend.
Die Justizministerin möchte in jeder Staatsanwaltschaft einen Ankläger als Anlaufstelle für Missbrauchsfragen installiert wissen. Generell soll der Bevölkerung erleichtert werden, Verdachtsmomente zu melden, appelliert sie an die Zivilcourage.
Den runden Tisch in dieser Form wird es nicht mehr geben. Es soll hingegen ein Expertengremium beim Familienministerium eingerichtet werden, das sich im Mai zum ersten Mal zusammensetzen soll. Ziel sei es, die Zusammenarbeit aller betroffenen Stellen zu verbessern. Diskutiert werden sollen auch etwa verbindliche Standards für Kinderschutzgruppen oder der flächendeckende Einsatz von Screenings. Eingeladen werden zu diesem Gremium etwa Vertreter des Gesundheitsministeriums, des Justizressorts, des Bundeskanzleramts (was den Datenschutz betrifft), der Ärztekammer, des Hauptverbands der Sozialversicherungen und auch Kinderschutzgruppen. Marek wies auch darauf hin, dass die bestehende Hotline der Initiative "Die Möwe" ausgeweitet wird. An diese neutrale Stelle können sich alle mit ihren Bedenken wenden (Telefon 0800/808088).