Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) ist am Montag nach New York aufgebrochen, um an der 78. Generalversammlung der Vereinten Nationen teilzunehmen.
Diese sei das jährliche internationale Stelldichein im "Herzen des Multilateralismus", erklärte Schallenberg vor dem Abflug gegenüber der APA. "Ein Multilateralismus, der momentan einem ungeheuren Stresstest ausgesetzt ist", meinte der Außenminister und verwies auf die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs oder den Klimawandel.
"Wir erleben ja gerade, dass eine Gruppe um Russland herum eine Reihe von Erklärungen (der UNO, Anm.) blockiert", merkte der Außenminister an. Das sei aber nur die "Spitze des Eisbergs". Und weiter: "Wir erleben ein System, das Risse aufzeigt durch die Folgen des russischen Angriffskriegs und zweieinhalb Jahren der Pandemie. Wir haben die größte Anzahl an Konflikten seit dem Zweiten Weltkrieg." Zudem hätten die extremen Wetterereignisse der vergangenen Wochen auch aufgezeigt, dass sich der Klimawandel rasant zuspitze. Als weitere Problempunkte nannte der Außenminister die Felder "Migrationsströme, wachsende Kluft zwischen Arm und Reich und Rückschritte bei der Nachhaltigkeit."
Schallenberg: "Wir dürfen nicht nachlassen"
Die Liste sei ebenso lang wie deprimierend, so Schallenberg, "aber sie muss uns Ansporn sein. Wir dürfen nicht nachlassen." Gerade für ein Land wie Österreich sei der Multilateralismus so etwas wie ein "Schutzschild" das man brauche. "Wir wollen nicht auf einem Planeten leben, auf dem das Gesetz des Stärkeren gilt."
Am Nachmittag (Ortszeit) wird Schallenberg gleich nach der Ankunft in New York zu einem Treffen der EU-Außenminister eilen. Am Dienstag steht für ihn gemeinsam mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen ein Meinungsaustausch mit UNO-Generalsekretär António Guterres auf dem Programm. Am Donnerstag folgt eine Rede vor dem UNO-Plenum.
Schwerpunkt-Themen sind Klimawandel und Nachhaltigkeit
Schwerpunkte der UNO-Generaldebatte sind heuer unter anderen die Themen Klimawandel und Nachhaltigkeit ("Agenda 2030") sowie die Haltung der Weltgemeinschaft zum russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wird ebenfalls in New York erwartet. Er soll vor der Generalversammlung sprechen und auch Generalsekretär Guterres treffen. Russland ist durch Außenminister Sergej Lawrow vertreten.
Zum Ukraine-Krieg wird es am Mittwoch ein hochrangiges Treffen des UNO-Sicherheitsrats geben. Die Debatte werde die internationalen Positionen zum Konflikt widerspiegeln, hieß es im Vorfeld. Es wird erwartet, dass Selenskyj die internationale Staatengemeinschaft zu weiterer Hilfe für sein Land aufrufen wird.
Viele Länder des "globalen Südens", also die sogenannten Entwicklungs- und Schwellenländer, die durch die Auswirkungen des Krieges in Mitleidenschaft gezogen wurden, drängen aber auf eine Kompromisslösung - ganz abgesehen davon, dass sie nicht Russland gegen sich aufbringen wollen.
Wachsende Unzufriedenheit des "globalen Südens"
UNO-Diplomaten zufolge wird sich aber ganz generell die wachsende Unzufriedenheit des "globalen Südens" mit dem aktuellen internationalen System bemerkbar machen, das als Ursache für bleibende Ungleichheit, Armut und Elend verstanden und dessen radikale Reform verlangt wird.
Diesbezüglich sieht auch Außenminister Schallenberg Handlungsbedarf. "Wir sind in einem Kampf der Angebote mit China, in einem Kampf der Narrative mit Russland. Und da müssen wir, glaube ich, sehr viel besser werden im Outreach", sagte er im Vorfeld der UNO-Woche im Gespräch mit der APA. "Wir müssen besser werden im Erklären und im Dialog auf Augenhöhe, mit wechselseitigem Respekt und ohne erhobenem Zeigefinger." Der Westen dürfe nicht "besserwisserisch und moralisierend" auftreten. Die UNO sei auch kein "Club der Gleichgesinnten". Er wolle auch keinen Multilateralismus wie "Facebook", formulierte Schallenberg, wo man sich nur "in einer Bubble, einer Echokammer" mit Gleichgesinnten aufhalte. Bei Fragen des "Klimawandels, der Abrüstung oder der globalen Sicherheit" müsse man auch "schwierige Gespräche" führen.
Wenn man sich anschaue, wo EU-Außenminister in den vergangenen zwei Jahren zu Besuch gewesen seien, zeige sich, dass es "etwa in Afrika große weiße Flächen gibt", erklärte Schallenberg. "Aber wer war dort? Das waren chinesische Vizeminister, russische Minister und andere." Fazit: "Wir dürfen diese Länder aber nicht Russland und China überlassen."
"Dann sieht man auch, wo es Lücken gibt"
Diesbezüglich müssten die EU-Staaten auch enger zusammenarbeiten. So sollte es etwa bei der UNO-Generalversammlung eine konkrete Koordination unter den Kolleginnen und Kollegen geben, welche bilaterale Treffen geplant seien. "Dann sieht man auch, wo es Lücken gibt." Eine entsprechende Initiative, die gemeinsam mit anderen Kollegen lanciert wurde, sei auch vom EU-Außenbeauftragten Josep Borrell "sehr dankbar aufgegriffen" worden, freute sich Schallenberg.
Die Liste der bilateralen Gespräche, die Schallenberg laut Planung in New York führen soll, weist jedenfalls einen deutlichen Afrika-Schwerpunkt auf. So wird der Außenminister am Dienstag seine Counterparts von Tunesien (Nabil Ammar) und Algerien (Ahmed Attaf) sowie Cote d'Ivoire (Elfenbeinküste; Kandia Camara) treffen. Das Gespräch mit der Außenministerin der Elfenbeinküste erfolgt im Auftrag von Borrell. Außerdem ist am Dienstag auch ein Gespräch mit Enrique Manalo, dem Außenminister der Philippinen, geplant.
Weitere Meetings mit Außenministerinnen und Außenministern aus Afrika sind am Mittwoch (Mauretanien/Mohamed Salem Ould Merzoug und Senegal/Aïssata Tall Sall) und Donnerstag (Mosambik/Verónica Macamo Dihovo und Laos/Saleumxay Kommasith) vorgesehen. Zudem trifft der Außenminister am Mittwoch noch den israelischen Amtskollegen Eli Cohen und die Präsidentin des Internationalen Roten Kreuzes (IKRK), Mirjana Spoljaric Egger.