oe24-Interview
Schilling: Grüne Doppel-Spitze in Brüssel
31.05.2024
Es sind schwere Tage für die Grüne Spitzenkandidatin Lena Schilling, in der „Lügen-Affäre“ sieht sich die 23-Jährige schweren Vorwürfen ausgesetzt, die Umfragen sagen ihr einen Absturz zum Ergebnis von 2019 um 5 Prozentpunkte voraus. Auf oe24 gab sie ihr letztes Interview vor der Wahl.
oe24: Wie sehr haben die Vorwürfe Sie persönlich belastet?
Lena Schilling: Ich bin ein Mensch wie jeder andere, sowas prallt nicht einfach an mir ab. Ich habe etliche Gespräche geführt, wobei vieles an meiner Kraft gezehrt hat. Jetzt gilt es, positiv in die nächsten Tage schauen.
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oe24: Beobachter fragen sich, warum Sie sich nicht direkt beim Ehepaar Bohrn Mena entschuldigt haben?
Schilling: Ich habe mich sehr oft öffentlich entschuldigt und finde es gut, dass das Ganze jetzt in geordneten Bahnen läuft.
oe24: Das Ehepaar Bohrn Mena hätte ja von einer zivilrechtlichen Klage abgesehen, wenn Sie Ihre Aussage öffentlich widerrufen hätten. Was meinen Sie?
Schilling: Mir tut das leid und ich wollte nie, dass das Thema an die Öffentlichkeit gelangt. Das haben andere getan, wodurch es zwei Wochen lang medial diskutiert wurde. Ja, ich habe mir Sorgen gemacht, das kann ich nicht bestreiten. Und es ist nur gut, dass das jetzt eben nicht mehr in Öffentlichkeit behandelt wird.
»War eine historisch einzigartige Situation«
oe24: Was sagen Sie zu dem Vorwurf Bohrn Menas, sie damit nie direkt konfrontiert zu haben?
Schilling: Ich habe sie sehr oft gefragt, ob alles okay ist – dabei habe ich mir schwergetan, das Thema explizit anzusprechen. Als Freundin wollte ich damit sensibel umgehen.
oe24: Kann man in Bezug auf Koglers Aussagen von katastrophaler Krisenkommunikation sprechen?
Schilling: So etwas hat es in Österreich zuvor noch nie gegeben, das war eine historisch einzigartige Situation. Und wenn man vor einer neuen Geschichte steht, ist das immer schwer. Man sagt etwas, man entschuldigt sich dafür – und damit muss es dann auch gut sein.
oe24: Wie oft wurde Sie auf Ihrer Bundesländer-Tournee damit konfrontiert?
Schilling: Gar nicht oft, vielleicht ein- bis zweimal. Es ist aber völlig klar, dass danach gefragt wird. Das Gefühl von Verwirrung ist nur verständlich.
oe24: Was gibt es zu Ihrem Muhahaha-Sager zu sagen?
Schilling: Das ist ein lockeres Wort, das sarkastisch im Chat unter Freunden verwendet wird. Ich weiß ehrlich gesagt noch nicht, ob das an mir picken bleibt – ich versuche, es gelassen zu nehmen.
oe24: War ein Fraktionswechsel zur Linken für Sie wirklich nie ein Thema?
Schilling: Das muss ich ganz hart zurückweisen. Ich habe nie ernsthaft darüber nachgedacht.
»Ich weiß, woher die Chatnachrichten kommen«
Fellner: Woher kommt das Gerücht? Wer steckt dahinter?
Schilling: Ich weiß, woher die Chatnachrichten kommen – und zwar von ehemaligen Freunden aus dem Umfeld von KPÖ und SPÖ. Dahinter steckt aber keine Kampagne der SPÖ, sondern Einzelpersonen. Die haben das einfach an die Medien geschickt, aus dem Kontexte gerissen, um mir zu schaden. Ich habe mittlerweile auch schon offiziell den Antrag gestellt, Grüne zu werden. Und man kann sich darauf verlassen, dass ich eine starke Stimme im EU- Parlament werde. Mit Herz fürs Klima
oe24: Könnte Tom Waitz zum Delegationsleiter der Grünen Fraktion werden?
Schilling: Ja, er war von Anfang an dabei. Er kann genauso DelegationsleiterIn werden wie ich. Und es wird natürlich passieren, dass wir uns die Arbeit teilen. Er ist ein erfahrener EU-Politiker und ich bin eine Stimme der jungen Zivilgesellschaft, zusammen sind wir ein gutes Team.
oe24: Das heißt für Sie ist nicht in Stein gemeißelt, dass Sie die Delegationsleitung übernehmen?
Schilling: Es ist eine riesige Aufgabe. Ich glaube, es ist gut, wenn wir uns das zu Zweit teilen. Ich kann mir das total vorstellen. Wir werden einfach, so wie wir das bisher gemacht haben, als starkes Team gemeinsam arbeiten.
oe24: Was passiert, wenn die Grünen nur ein Mandat erhalten?
Schilling: Ein solches Szenario besprechen wir nach der Wahl, sollte es denn eintreten. Jetzt kämpfen wir um die drei Mandate. Und ich bin guter Dinge, dass wir noch einmal anzahn können!
oe24: Zum Thema Renaturierungsgesetz: Soll Leonore Gewessler diesem auch ohne die Landeshauptleute zustimmen?
Schilling: Sobald sie kann, ja. Gewessler ist auch mutig genug, das zu tun. Diese Meinung unterstütze ich selbst gegen den Koalitionspartner. Das Renaturierungsgesetz ist essenziell.
oe24: Sind die Argumente der ÖVP denn einfach vom Tisch zu weisen?
Schilling: Es hat eine massive ÖVP-Kampagne gegen das Renaturierungsgesetz gegeben. Dabei ist dieses sehr gut überlegt und durch die Umsetzung soll auch nichts teurer werden. Hier sollte die ÖVP nochmal ihre Hausaufgaben machen.
oe24: Welche Brüssel-Punkte?
Schilling: Im Verkehr muss was getan werden – Vorschlag: nur 10 Cent pro Kilometer mit der Bahn. Bis 2035 aus für Verbrenner-Motor. Und: Renaturierungsgesetz.
oe24: Soll das Fliegen Ihrer Meinung nach teurer werden?
Schilling: Ich sage: Für eine echte Wahlfreiheit sollte das Zugfahren billiger werden. Denn: Werden Öffis und Züge günstiger, dann werden sie auch mehr genutzt. Braucht es Privatjets wirklich? Meine Antwort: Nein.
»Auch Orban soll Teil des Ganzen werden«
oe24: Sind Sie bei der Frage rund um Asyl und Migration gegen den EU-Migrationspakt? Und was sollte passieren, um die ungesteuerte Migration zu regeln?
Schilling: Der Pakt ist beschlossen, an den ich mich halten werde, und der gehört jetzt entsprechend ausverhandelt. Der Verteilungsmechanismus muss funktionieren, entweder nimmt man Leute auf oder man muss Strafzahlungen tätigen. Auch Orban soll Teil des Ganzen werden und mit an einem Strang ziehen. Zweitens wird es drum gehen, faire und schnelle Asylverfahren voranzutreiben. Dabei ist darauf zu schauen, dass Menschenrechte eingehalten werden. Relativ simpel also. Und drittens gilt es bei negativen Asylverfahren über Rückführungsabkommen zu reden - das muss gemeinsam verhandelt werden. Die letzten Jahrzehnte haben wir das Thema Integration verpasst und wir dürfen die Lehrerinnen und Lehrer jetzt mit dieser Aufgabe nicht allein lassen.
oe24: Braucht es eigentlich sowas wie eine Asylobergrenze?
Schilling: Das ein Wort ist, das häufig verwendet wird. Ich glaube, dass das nicht durchsetzbar ist. Also reden wir über Lösungen, die tatsächlich rechtlich möglich sind und die wir diese umsetzen können - und nicht über irgendwelche Luftschlösser oder -festungen, die irgendwer bauen will.
oe24: Kommen wir noch zu einem ganz aktuellen Thema. Die USA haben der Ukraine nun die Erlaubnis gegeben, in Russland mit US-Waffen Russland anzugreifen. Sollte auch die EU der Ukraine so eine Erlaubnis erteilen?
Schilling: Ich glaube, dass das die Europäische Union nicht tun wird. Ich finde auch gut, dass wir das als neutrales Österreich nicht tun. Die Frage ist vor allem, wie dieser Krieg weitergehen wird und wenn wir auf die Situation in der Ukraine schauen, dann habe ich schon ordentliches Bauchweh. Da wütet seit zwei Jahren ein Angriffskrieg auf europäischem Boden. Wir müssen der Zivilbevölkerung helfen, wieder ein normales Leben wieder aufzubauen. Es ist eine extrem schwierige Situation. Hört man Putin zu, dann wird er nicht bei der Ukraine aufhören. Das macht mir ehrlich Sorgen. Ich verstehe die USA, aber die EU macht das anders. Auch kann man die Ukraine auf ihrem Weg in die EU unterstützen, aber hier gibt es Kriterien und die müssen natürlich durchlaufen und eingehalten werden.
oe24: Bleibt Ihr Wahlziel unverändert?
Schilling: Ja, wir wollen drei Mandate erreichen. 500.000 Stimmen für den Klimaschutz.
oe24: Laut Umfragen wirkt es derzeit nicht so...
Schilling: Ich werde bis zum letzten Tag dafür kämpfen, wie eine Löwin. Ich werde mein Mandat annehmen und wünsche mir, dass es gut ausgeht.
oe24: Würden Sie die Kandidatur noch einmal annehmen mit dem Wissen, was alles auf sie zukommt?
Schilling: Ja.
oe24: Glawischnig äußerte die Sorge, dass sie nach dem Wahlkampf am 9. Juni in ein Loch fallen könnten?
Schilling: Nur ein paar Tage nach der Wahl findet die erste Fraktionssitzung von den neugewählten Grünen in Brüssel statt. Das heißt, ich werde sehr wenig Zeit zum Durchschnaufen haben, sondern mich gleich der Arbeit mit der Fraktion widmen. Danach ist vielleicht auch mal ein kurzer Urlaub drin, um kurz irgendwo in der Sonne liegen zu und ein bisschen das Wasser genießen. Ich glaub, das tut mir ganz gut, darauf freue ich mich schon. Fliegen werde ich dorthin aber nicht.