Die Betreuer von "Menschenrechte Österreich" sagen, der Inder habe 72 Kilo auf 1 Meter 77 gewogen. Außerdem soll er ein falsches Alter und einen falschen Namen angegeben haben.
Dass der am Montag im Wiener Polizei-Anhaltezentrum nach mehr als einmonatigem Hungerstreik verstorbene Schubhäftling "verhungerte", ist für seine Betreuerin nicht vorstellbar. Darauf wies der für Schubhaft-Betreuung zuständige Verein "Menschenrechte Österreich" am Dienstag hin.
Falsches Alter
Dem Verein zufolge war der Inder außerdem nicht
wie von den Behörden angenommen 20, sondern 32 Jahre alt. Er hatte in seinem
vor vier Jahren gestellten Asylantrag ein Geburtsdatum angegeben, das ihn
als minderjährig auswies.
Falsche Identität
Darüber hinaus hatte der Inder gegenüber
den österreichischen Behörden eine falsche Identität angegeben. Tatsächlich
hieß er nicht Gaganpreet Singh K., sondern Gagendeep S.. Der Mann hatte laut "Menschenrechte
Österreich" zunächst als Zeitungskolporteur gearbeitet und zuletzt
- sein Asylantrag wurde abgelehnt und die Ausweisung verfügt - ohne legalen
Zugang zum Arbeitsmarkt als Pizza-Zusteller in Wien.
Frage des Geldes
Dass der 32-Jährige nicht nach Indien zurück
wollte, hatte offenbar finanzielle Gründe: Der Mann hatte sich in seinem
Heimatland verschuldet, um nach Europa zu kommen, und diese Schulden
zurückzahlen müssen. Außerdem wollte er mit Geldzuwendungen an seine Familie
seiner Schwester ein Studium ermöglichen.
72 Kilo auf 1 Meter 77
Die Betreuerin hat Gagendeep S. während
seiner Anhaltung - er war am 3. August aufgegriffen worden und seit 7.
August im Hungerstreik - siebenmal besucht. Dabei hat es für sie keine
Hinweise auf Erkrankungen, vorangegangene Operationen oder dergleichen
gegeben, die in Zusammenhang mit einem Hungerstreik zu berücksichtigen
gewesen wären. Auch beim letzten Besuch am 9. September - dem Mittwoch
vergangener Woche - hat S. gegenüber seiner Betreuerin einen körperlich
guten Eindruck hinterlassen. Auf eine Frage der Frau hat er angegeben,
ebenso wie andere Schubhäftlinge in Hungerstreik hin und wieder etwas zu
essen. Seine Begründung: "Wir können nicht ewig hungrig bleiben."
Nach Angaben der Behörden wog der Mann zuletzt 72 Kilo bei einer Größe von
1,77 Meter.
Leiche wird überstellt
Der Verein "Menschenrechte
Österreich" hat unterdessen die im Punjab lebende Familie vom Tod
des Mannes informiert. Gemeinsam mit in Italien lebenden Angehörigen
bereitet man die Überstellung des Leichnams nach seiner Freigabe nach Indien
vor.
17 Uhr Gedenken
Gegen 17.30 Uhr haben sich rund 60 Teilnehmer zu
einer von den Wiener Grünen organisierten Kundgebung versammelt. "Wir
wollen dem Toten gedenken", erklärte Niki Kunrath (G). Die Partei
fordert eine Reform der Schubhaft, denn es käme immer wieder zu Vorfälle und
Verletzungen bei Häftlingen, so Kunrath.
Friedlicher Verlauf
Die Kundgebung verlief friedlich, die
Teilnehmer hielten Schilder mit Botschaften wie "Schubhaft kann
tödliche Härte zeigen" in die Höhe. Im Verlauf der
Veranstaltung waren Ansprachen der Klubobfrau Maria Vassilakou, der
Menschenrechtssprecherin Alev Korun (beide von den Grünen) sowie der
Flüchtlingshelferin Ute Bock geplant. Der Verkehr auf dem Gürtel wurde durch
die Kundgebung nicht beeinträchtigt, da sich die Teilnehmer in der uns Eck
liegenden Breitenfelder Gasse versammelten. Diese wurde zu diesem Zweck
zwischen Gürtel und Blindengasse gesperrt.
Soziale Organisationen gegen Fremdenrecht
Die Diakonie
Österreich und SOS-Menschenrechte lehnen das neue Fremdenrecht, das die
Regierung bei ihrer Klausur in Salzburg abgesegnet hat, ab. Mit Verweis auf
den Tod des indischen Schubhäftlings appellierten sie an die Abgeordneten,
dem Entwurf nicht zuzustimmen. Sie forderten bessere Bedingungen in der
Schubhaft. Immerhin hatte der Menschenrechtsbeirat die Schubhaftregelung als "verfassungswidrig
und unverhältnismäßig" bezeichnet.