Sexualstrafrecht
Maßnahmen gegen sexuelle Gewalt sind auf Schiene
07.05.2008
Der Inzestfall von Amstetten und das entsprechende Gewaltschutzpaket haben am Mittwoch Ministerrat und Nationalrat dominiert.
Mit Anfang nächsten Jahres soll ein umfassendes Maßnahmenpaket gegen sexuelle Gewalt in Kraft treten. Das hat die Regierung am Mittwoch beim Ministerrat bekräftigt. Die Maßnahmen - Sexualstraftäterdatei, gerichtliche Aufsicht und Ausweitung von Tilgungsfristen - wurden schon im Jänner vereinbart, ein guter Teil ist bereits in Begutachtung. Neu ist auf Wunsch der ÖVP nur, dass bei besonders schweren Sexualdelikten die Tilgung ausgeschlossen ist.
Auch der Nationalrat befasste sich am Mittwoch mit der Inzest-Tragödie von Amstetten.
Öffentlich verkündet wurden die vorgesehenen Maßnahmen nach dem Ministerrat von SPÖ-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer und ÖVP-Vizekanzler Wilhelm Molterer - und von SPÖ-Justizministerin Maria Berger und ÖVP-Innenminister Günther Platter im Nationalrat.
Gewaltschutzgesetz in Begutachtung
Berger hat schon in der
Vorwoche das Zweite Gewaltschutzgesetz in Begutachtung gegeben. Es sieht
eine gerichtliche Aufsicht für bedingt entlassene Sexualstraftäter vor: Das
Gericht soll ihnen z.B. Therapien auftragen oder den Besuch bestimmter Orte,
aber auch die Ausübung bestimmter Berufe verbieten können. In besonders
schweren Fällen müssen Richter Berufsverbote aussprechen. Auch die
Verlängerung der Tilgungsfristen bei rückfallsgefährdeten Tätern (aufs
Doppelte) durch das Gericht ist in dem Entwurf enthalten. Außerdem soll die
Anzeigepflicht etwa auf Schulärzte und Kindergärtner erweitert werden.
Höhere Strafen offen
Das Gesetz soll, ebenso wie die Vorlage
Platters für die Sexualstraftäterdatei noch vor dem Sommer durch den
Ministerrat und dann im Herbst im Parlament beschlossen werden. Noch vor dem
Sommer will Berger die Evaluierungsstudie zu den Strafhöhen im
Sexualstrafrecht vorlegen; sie ist die Basis für die Diskussion über eine
allfällige Erhöhung der Strafdrohungen.
Keine Adoptionen mehr
Mit der ebenfalls seit langem geplanten
Reform des Adoptionsrechts sollen Familiengerichte verpflichtet werden, bei
Adoptionsanträgen immer eine Strafregisterauskunft einzuholen, sodass
verurteilte Sexualstraftäter künftig keine Kinder mehr adoptieren können.
Nachwirkend Kinderbeihilfe für Fritzls
Die in Gefangenschaft
gehaltenen Kinder von Josef Fritzl sollen rückwirkend für all die Jahre die
volle Kinderbeihilfe bekommen. Nicht beschlossen wurde im Ministerrat
vorerst die von Gusenbauer angekündigte Image-Kampagne angesichts der
Berichterstattung in den internationalen Medien.
Grüne für mehr Prävention
Die Opposition
deponierte ihre Kritik im Nationalrat; ihr gehen die Pläne der Regierung -
in verschiedene Richtungen - zu wenig weit. Grünen-Chef Alexander Van der
Bellen sind Maßnahmen im Strafrecht allein zu wenig, er forderte mehr
Prävention. Kindergärtner und Lehrer müssten sensibilisiert werden, und
insgesamt sei mehr Zivilcourage angebracht.
Blau, Orange für mehr Strenge
FPÖ-Chef Heinz-Christian
Strache bekräftigte die Forderung nach lebenslanger Freiheitsstrafe für
Sexualstraftäter und plädierte dafür, über die chemische Kastration
nachzudenken. BZÖ-Chef Peter Westenthaler unterstrich seine kritische
Haltung zu mit einem Misstrauensantrag gegen Berger. Dieser blieb
erwartungsgemäß in der Minderheit.