Strache droht weiters eine Anzeige des Chefs der ORF-Sendung "Am Schauplatz".
Der ORF hat die umstrittene "Am Schauplatz"-Reportage über zwei jugendliche Skinheads am Donnerstagabend ausgestrahlt. In einem Club 2 im Anschluss wiederholte FPÖ-Chef Strache seine beschuldigungen, der ORF hätte ihm die Skins untergejubelt. Und Strache will ein "Sieg Heil" oder "Heil Hilter" gehört haben. ORF-Mann Johannes Fischer hielt erneut dagegen: "Also Herr Strache, was jetzt. 'Sieg Heil' kann mit 'Heil Hitler' wirklich nicht verwechselt werden." Strache verteidigte sich damit, dass der ORF-Redakteur "20-mal" zu den zwei Skinheads gesagt habe: "Sag' es doch!".
Skinhead fühlt sich "missbraucht"
Auch einer der
beiden Skinheads meldete sich gegen Ende der Sendung beim ORF. Telefonisch
versuchte er einige Dinge aus seiner Sicht darzustellen. Moderator Rudolf
Nagiller sagte, der Skinhead habe "das Gefühl, von Herrn Strache
benützt zu werden". Er habe "das alles so nicht gesagt, wie
hier (im "Club 2", Anm.) behauptet wird".
Betont skeptisch über die Methodik der Reportage zeigte sich Diskussions-Teilnehmer und ÖVP-Klubchef Karlheinz Kopf: "So, wie es da behauptet wird, wäre es für den ORF ein Problem im Gesamtkonnex", sagte er etwa. Dass die Burschen im Produktionsfahrzeug mitgenommen wurden, ist für ihn etwa zu hinterfragen.
Anzeige gegen Strache
Der Sendungsverantwortliche für die
ORF-Reportagereihe "Am Schauplatz", Christian Schüller, will nach den
Vorwürfen von FPÖ-Chef Heinz Christian Strache rechtliche Schritte
ergreifen. Er hat vor, Anzeige wegen "übler Nachrede, falscher Zeugenaussage
und Anstiftung zum Amtsmissbrauch", zu machen, wie Schüller in einem
Publikums-Chat auf derstandard.at am Freitag sagte. Wann er zu rechtlichen
Maßnahmen schreitet, ist laut Schüller noch unklar, wie er präzisierte.
Anstiftung zum Amtsmissbrauch will er deshalb zur Anzeige bringen, weil
offenbar Polizei und Staatsanwaltschaft die FPÖ "im Stundentakt über alle
ihre Amtshandlungen in dieser Causa" informiert hätten, so Schüller.
"Am rechten Rand"
Die Aufreger-Reportage, "Am
rechten Rand", präsentierte sich zuvor als eine triste Milieustudie
über zwei verlorene Jugendliche, gestrandet zwischen Arbeitsamt,
Gemeindebau-Innenhof und dem Straflandesgericht. Letzten Endes hält der Film
das, was seine Macher auch schon vor dem politischen Kreuzfeuer angekündigt
haben: Er zeigt die besorgniserregenden Lebensumstände zweier Jugendlicher,
die sich in ihrem trostlosen Leben nur mehr daran aufrichten können, dass
sie sich als "reinrassige" Österreicher fühlen.
Auf Jobsuche
Die Hauptprotagonisten der Reportage sind Philipp
und Kevin, zwei kahlrasierte Arbeitslose, denen von der Gesellschaft ein
rauer Wind entgegenweht. Das Kamerateam begleitet Philipp etwa bei der
Jobsuche. Am AMS ist jedoch schnell klar, wie schwer es der Bursche hat, Fuß
zu fassen: "Da gibt's ka Arbeit. Da hat sicher die Hälfte ein Zeugnis,
was i net hab", bekennt er in einer Szene. Gemeint ist der fehlende
Hauptschulabschluss, denn Philipp wiederholte zwei Mal die dritte Klasse und
ging dann von der Schule, wie seine Mutter erklärt.
Hier können Sie die Reportage anschauen!
"Die Ausländer"
Wer am bemitleidenswerten Zustand
seines Lebens Schuld trägt, ist für Philipp klar: "Die
Ausländer" - Zugewanderte Mitschüler hätten ihm das Leben so
schwer gemacht, dass er die Schule nicht schaffte, erklärt die Mutter.
Philipp glaubt offenbar auch, dass seiner Familie, die wieder einmal vor der
Delogierung steht, die bittere Armut erspart bliebe, wenn sie "ein
Kopftüchl" tragen würden. Letzen Endes verleiden ihm "die
Ausländer" auch die Arbeitssuche: "Da haben sie mi net
g'nommen, weil i Inländer bin", erklärt er dazu der AMS-Beraterin,
die erfolglos versucht, den Burschen irgendwie zu vermitteln.
Kampfhund
Um sich die Zeit zu vertreiben, trainiert Philipp
unter anderem seinen Kampfhund und pflegt sein radikales Äußeres im
Militärlook. "Jeden dritten Tag" rasiere er sich den Kopf,
erzählt er dem Reporter Eduard Moschitz in einer Szene etwa. Gewalt ist für
ihn und seinen Freund Kevin, der sich stilecht in Bomberjacke mit rechten
Symbolen präsentiert, ebenfalls an der Tagesordnung. Am Wiener
Straflandesgericht, wohin sie die Kamera ebenfalls begleitet, sind die
beiden jedenfalls so etwas wie Stammgäste - "unfreiwillig"-
wie Philipp ironisch erklärt.
Die beiden öffnen vor dem Reporterteam bereitwillig ihre Lebenswelt, deren Tangente das Verbotsgesetz für nationalsozialistische Wiederbetätigung darstellt: Auf dem Computer zeigen sie dem "Am Schauplatz"-Team etwa, wo man einschlägige Nazi-Devotionalien wie eine Hakenkreuzfahne erstehen kann und erklären dem Reporter bei der Gelegenheit auch, wofür die musikalische Genreabkürzung "NSBM" steht: "Nationalsozialistischer Blackmetal". An der Wand prangen Bilder und Abzeichen, denen Verfassungsschützer wohl erhöhte Aufmerksamkeit schenken sollten. Auf die Reporterfrage, ob sie sich eher als Skinheads oder als Rechte sehen, antworten die beiden sehr deutlich: "Zu die Rechtsradikalen", erklärt Kevin an dieser Stelle. Philipp sekundiert: "Sehr rechtsradikal."
Besuch für Strache
Auch die vieldiskutierte Begegnung
mit FPÖ-Chef Heinz Christian Strache ist Teil der Reportage. Im
Vorfeld erklären sie vor der Kamera etwa, dass dieser für sie der einzig
wählbare Politiker wäre. Auf der FP-Wahlveranstaltung in Wiener Neustadt
langweilen sich die Burschen zunächst, einzig die markigen Sprüche zu
Zuwandern finden ihre Zustimmung. Als Strache auf der Bühne unter anderem
reimt :"Wer sich nicht integrieren will, für den habe ich ein
Reiseziel: Ab in die Heimat! Guten Flug!", sieht man auch die
Glatzköpfe in den Publikumsjubel einstimmen. Ihr Fazit fällt dennoch wenig
begeistert aus: "Fad" bekunden die beiden nach der Veranstaltung. "Die
letzten vier Minuten hätten gepasst." Ansonsten: "Dasselbe
wie immer."
Dass der FPÖ-Chef behauptet, die beiden hätten auf Aufforderung des Redakteurs nationalsozialistische Parolen gerufen, wird in dem Film ebenfalls thematisiert. Einerseits wird die Szene, in der Strache den Reporter Moschitz noch auf der Parteiveranstaltung verbal attackiert, gezeigt. Im Moderationstext erläutert Moschitz dann: "Wir haben kein 'Sieg Heil' gehört. Das hindert den FPÖ-Chef nicht daran, mich wegen Anstiftung zu neonazistischer Wiederbetätigung anzuzeigen."
"Am rechten Rand" ist eine denkwürdige Bestandsaufnahme des Lebens zweier junger Wiener, die schon in jungen Jahren gescheitert sind. Das von Strache behauptete "Sieg Heil" lässt sich nicht vernehmen, dafür gibt die Reportage einen Einblick in eine Subkultur junger Menschen, die ihre verlorene Identität in rechtsradikalem Gedankengut suchen.