Das umstrittene Atomkraftwerk Bohunice geht ans Netz. Die Atomaufsicht hat grünes Licht gegeben. Aus Österreich kommt harsche Kritik.
Die Slowakei beharrt vor dem Hintergrund des Lieferstopps im russisch-ukrainischen Gasstreit auf dem angekündigten Neustart ihres zu Jahresbeginn stillgelegten Atomreaktors in Bohunice. Die Slowakei werde "sämtliche Vorbereitungen für die Wiederinbetriebnahme einstellen", sofern Russland die für Dienstag angekündigten Gaslieferungen wieder aufnehme, hieß es nach einem Telefongespräch zwischen Bundeskanzler Werner Faymann (S) und dem slowakischen Premier Robert Fico am Montagnachmittag.
Amt für Kernaufsicht gab grünes Licht
Ficos
Wirtschaftsminister Lubomir Jahnatek sprach nach einem Treffen mit dem
EU-Ratsvorsitzenden, dem tschechischen Industrieminister Martin Riman,
Österreichs Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (V) und
EU-Energiekommissar Andris Piebalgs in Brüssel allerdings von der
Wiederinbetriebnahme als "einziger Lösung". Das Amt für Kernaufsicht in der
Slowakei (UJD SR) gab unterdessen am Abend die Zustimmung für den Neustart
des Block 2 im AKW V-1 in Jaslovske Bohunice. Die endgültige Entscheidung
soll am morgigen Dienstag nach der Sitzung eines Krisenstabs mit Jahnatek,
Fico, Experten und dem AKW-Betreiber fallen.
Die Generaldirektorin des UJD SR, Marta Ziakova, sagte dem TV-Sender TA3, die Sicherheit des Blocks sei im Einklang mit Normen, die in allen EU-Staaten gültig seien. "Die Situation im Strombereich ist jetzt für uns ein größeres Problem als die unterbrochenen Gaslieferungen", betonte Jahnatek. Der Neustart des zweiten Blocks in Bohunice sei in der gegebenen Situation die einzige Möglichkeit, um ein Blackout zu verhindern.
In Brüssel fand am Montag ein Sonderrat der in den EU-Staaten für Energie zuständigen Minister statt. Jahnatek wollte danach noch Gespräche mit Vertretern des russischen Gasmonopolisten Gazprom sowie der ukrainischen Naftogaz führen.
Scharfer Protest aus Wien
Österreich protestiert gegen die
Wiederinbetriebnahme. Umweltminister Nikolaus Berlakovich (V) schickte
Protestbriefe an seinen slowakischen Amtskollegen sowie an
EU-Umweltkommissar Stavros Dimas. Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner
(V) forderte die EU-Kommission auf, "Maßnahmen und Schritte" dagegen
einzuleiten. Als solche nannte Mitterlehner in Brüssel eine Sachprüfung und
ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Slowakei, das bis zu einer Klage
vor dem EU-Gerichtshof (EuGH) gehen könnte. Auch Deutschlands
Wirtschafts-Staatssekretär Peter Hintze kritisierte die slowakischen Pläne
als "EU-rechtswidrige Praxis".
Angesichts des Energienotstands wegen der Gas-Krise hatte die Regierung in Bratislava am Samstagabend beschlossen, den erst mit Jahresende abgeschalteten zweiten Reaktor der Anlage V-1 in Bohunice wieder hochzufahren. Die Abschaltung beider Reaktorblöcke sowjetischer Bauart dort war eine Bedingung für den EU-Beitritt der Slowakei. 2006 war der erste Reaktor abgeschaltet worden. Die EU-Kommission hat die Slowakei gewarnt, ein erneutes Hochfahren des Ende 2008 abgeschalteten Reaktors würde gegen EU-Recht verstoßen.
Österreich habe die von der Slowakei geltend gemachte Notlage im EU-Ministerrat hinterfragt, so Mitterlehner. So sei als Argument von Bratislava nachgeschoben worden, dass ein Kohlekraftwerk abgebrannt sei. Dies lasse die Argumentation "in einem bemerkenswerten Licht erscheinen". Aus Statistiken der Slowakei gehe hervor, dass der Stromverbrauch auch in den ersten Jänner-Tagen unter dem Verbrauch des letzten Jahres gelegen sei. Mitterlehner: "Daher kann man unserer Meinung nach diese Notsituation nur sehr schwer argumentieren."
Vonseiten Bundeskanzler Faymanns hieß es in einer Aussendung, für den Fall, dass die Vereinbarung über das Ende des Gaslieferstopps nicht halte, habe Fico zugesagt, Faymann und alle weiteren europäischen Staats- und Regierungschefs rechtzeitig über weitere Schritte zu verständigen. Darüber hinaus sei dem Kanzler zugesagt worden, dass Österreich noch am Montag einen Experten nach Bohunice entsenden könne.