Zeit für Entlastung
So casht der Staat ab
26.02.2008
Während die Österreicher unter der wachsenden Steuerbelastung stöhnen, kämpft die Regierung um den Termin der großen Steuerreform.
Das von der SPÖ geforderte Vorziehen der Steuerreform entzweit die Große Koalition wie nie zuvor: Während die ÖVP geschlossen auf dem Entlastungs-Termin 2010 beharrt, verspricht die SPÖ schon eine Art „Gusi-Fünfhunderter“ ab dem 1. Jänner 2009.
Der konkrete Vorschlag: Wer monatlich zwischen 1.200 und 4.000 Euro brutto verdient, soll sich durchschnittlich 500 Euro im Jahr sparen. "Bei dieser Gruppe ist die Steuerbelastung bereits extrem hoch“, erklärt Finanz-Staatssekretär Christoph Matznetter (SPÖ) gegenüber ÖSTERREICH. Über fünf Millionen Bürger sollen davon profitieren.
Überfällig
Tatsächlich leiden die Österreicher unter einer der höchsten Abgabenquoten Europas, wie auch zwei Beispiele zeigen. Facharbeitern wie einem Kfz-Mechaniker bleiben von ihren 2.500 Euro brutto nur 1.615 Euro übrig. Die 4.000 Euro eines gut verdienenden Angestellten werden vom Staat auf netto 2.320 Euro gekürzt.
Lohnplus weg
Ebenfalls trist fällt die Bilanz der letzten Lohnerhöhungen aus. Bei einem durchschnittlichen Handelsangestellten landete vom Lohnplus nur knapp die Hälfte am Konto. Auch bei Facharbeitern oder Filialleitern langt der Fiskus wie sonst nur bei Topverdienern zu. Von der Gehaltserhöhung bleibt teils sogar weniger als 50 Prozent übrig.
Beruf: |
Brutto: |
Netto: |
Das frisst der Staat: |
Friseurin |
1.300 Euro |
1.010 Euro |
290 Euro |
KFZ-Mechaniker |
2.500 Euro |
1.615 Euro |
885 Euro |
Produktmanager |
4.000 Euro |
2.320 Euro |
1.680 Euro |
Managerin |
10.000 Euro |
5.382 Euro |
4.618 Euro |
Spitzensteuer weit verbreitet
Hintergrund: Der Staat schneidet dank der "kalten Progression“ bei jeder Auffettung der Gehälter kräftig mit, weil die Steuerzahler in höhere Steuerklassen aufrücken und auch mehr Sozialversicherungsbeiträge zu berappen sind. 250.000 Österreicher fallen bereits unter den Spitzensteuersatz, weil der Eingangswert dafür seit 18 Jahren unverändert blieb. Zumindest hier zeichnete sich zuletzt Bewegung innerhalb der Regierung ab. Kanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ) kam einer ÖVP-Forderung entgegen und kann sich jetzt vorstellen, die Einkommensgrenze für den Spitzensteuersatz von jährlich 50.000 Euro auf einen Wert zwischen 70.000 und 80.000 Euro zu erhöhen.
SPÖ geht noch nicht fremd
Noch ist freilich unklar, wie die SPÖ trotz des Neins der Volkspartei eine frühere Steuerreform durchboxen will. Das Angebot von FPÖ und BZÖ, ein Vorziehen im Parlament mit der SPÖ zu beschließen, lehnte der rote Klubchef Josef Cap gestern noch ab. Man befände sich schließlich in einer "funktionierenden Koalition mit der ÖVP“.
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Molterers Budgetzahlen
Am Dienstag präsentiert Finanzminister Wilhelm Molterer (ÖVP) die Budgetzahlen für das Vorjahr. Laut jüngsten Angaben sind die Steuereinnahmen um 4,3 Milliarden Euro gestiegen (1,5 Mrd. mehr als geplant).
Molterer wird freilich argumentieren, dass trotzdem kein Geld für die von der SPÖ geforderte vorzeitige Steuerreform im Umfang von drei Milliarden Euro da ist. Immerhin gebe es nach wie vor ein hohes Defizit. Auch bei Experten löst die SPÖ mit ihren Wünschen keine Begeisterung aus. Top-Ökonom Karl Aiginger würde am Termin 2010 festhalten. Zuerst müsse gespart werden – etwa durch Gesundheits- oder Verwaltungsreform.
Zu viel verprasst
Vor neuen Schulden durch ein Vorziehen der Entlastung auf das Jahr 2009 warnt auch der Leiter des Instituts für Höhere Studien, Bernhard Felderer. "Wir sind die Steuerreform sehr linkisch angegangen, indem wir 2007, das ein Rekordeinnahmenjahr für den Staat war, sehr viel ausgegeben haben“, kritisiert Felderer. Er hätte dafür plädiert, die zusätzlichen Steuereinnahmen via Senkung der Lohnsteuer an die Steuerzahler zurückzugeben, anstatt neue Versprechen (z.B. Pflege) zu finanzieren.
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SPÖ-Finanzstaatssekretär Matznetter erklärt die Grundzüge der Steuerreform.
ÖSTERREICH: Bis zuletzt hat die SPÖ gemeinsam mit ÖVP und Wirtschaftsforschern eine Allianz gegen ein Vorverlegen der Steuerreform auf 2009 gebildet. Wieso sind Sie jetzt doch dafür?
Christoph Matznetter: Einerseits haben wir ein weit geringeres Budgetdefizit als erwartet. Andererseits hat sich leider die Inflationsrate im Vergleich zu unseren Planungen verdoppelt. Daher besteht Handlungsbedarf.
ÖSTERREICH: Wie stellen Sie sich die Entlastung für die unteren und mittleren Einkommen im Detail vor?
Matznetter: Im Schnitt 500 Euro Entlastung jährlich für Menschen mit einem Bruttomonatseinkommen von bis zu 4.000 Euro. Bei dieser Gruppe ist die Grenzbelastung aus Steuern und Abgaben bereits extrem hoch. Hier müssen wir entscheidend korrigieren.
ÖSTERREICH: Wie viele Österreicher würden davon wirklich profitieren?
Matznetter: Mehr als 90 Prozent aller Steuerpflichtigen – Pensionisten, Arbeitnehmer, kleine Selbstständige und Unternehmer. Die Anzahl der Betroffenen bewegt sich bei über fünf Millionen Personen.
ÖSTERREICH: Wie wollen Sie denn die "kalte Progression“, die das letzte Lohnplus kräftig aufgefressen hat, langfristig abfedern?
Matznetter: Man muss hier alle paar Jahre eine entsprechende Berichtigung vornehmen – und zwar jeweils abhängig von der Inflation.
ÖSTERREICH: Die SPÖ verknüpft die Steuerreform mit der Kassensanierung. Woher soll das Geld für die Kassen konkret kommen?
Matznetter: Die Gesundheitsreform muss einerseits Einsparungen bringen, andererseits sind aber zusätzliche Mittel erforderlich. Ein guter und richtiger Finanzierungsvorschlag wäre eine Vermögenszuwachssteuer auf Spekulationsgewinne, was mehrere hundert Millionen Euro für die Kassen bringen könnte.
ÖSTERREICH: Wie wollen Sie die widerspenstige ÖVP doch noch für ein Vorverlegen der Steuerreform auf das Jahr 2009 begeistern?
Matznetter: Mit Einbetonieren und täglichem Neinsagen lässt sich nicht arbeiten. Aber es wird der Zeitpunkt kommen, wo die ÖVP das Neinsagen beenden muss und unser Appell gilt: Sagen Sie Ja! Steter Tropfen höhlt den Stein.
ÖSTERREICH: Wie lange geben Sie der ÖVP dafür Zeit?
Matznetter: Wir setzen keine Ultimaten, wir wollen jetzt eine Steuerreform erarbeiten.