Drahtzieher packt aus
So erfuhr Jan Böhmermann vom Ibiza-Video
27.01.2021Julian H. spricht in einem Interview über ein geheimes Treffen in Köln.
Der deutsche Satiriker Jan Böhmermann sorgte bereits vor der Veröffentlichung des Ibiza-Videos für Staunen, als er in einer Videobotschaft bei der "Romy"-Verleihung sagte: „Während Sie jetzt gerade die Gala genießen, Sekt trinken, feine Schnittchen essen, und charmant versuchen, Gernot Blümel nicht spüren zu lassen, wie sehr Sie ihn verachten (...) hänge ich gerade ziemlich zugekokst und Red-Bull-betankt mit ein paar FPÖ-Geschäftsfreunden in einer russischen Oligarchenvilla auf Ibiza herum - und verhandle darüber, ob und wie ich die Kronen Zeitung übernehmen kann und die Meinungsmache in Österreich an mich reißen kann."
Treffen in Köln
Der Organisator des Ibiza-Videos Julian H. hat sich dazu nun erstmals per Interview zu Wort gemeldet. Gegenüber der "Süddeutschen Zeitung" und dem "Spiegel" berichtet der Drahtzieher von einem Treffen mit Böhmermann in Köln. „Über Umwege habe ich Böhmermann zutragen lassen: Das gibt es ein Video, das wird veröffentlicht werden von internationalen Medien. Es kann aber nur veröffentlicht werden, wenn eine Quelle abgesichert wird. Es gab ein Treffen mit Böhmermann in Köln.“
Böhermann habe dann dort aber gesagt, nichts mit dem Video zu tun haben zu wollen. „Ein paar Tage später wachte ich auf– zur Berichterstattung über die seltsamen Andeutungen von Böhmermann. Ich bin explodiert. Ich war überzeugt, dass eine Veröffentlichung nun zwingen ist, auch zu meinem Schutz“, berichtet Julian H.
"Kein Geld geflossen"
Im "Standard" beteuert der in Deutschland inhaftierte Julian H., dass für das Video kein Geld geflossen sei und beklagt "konstruierte" Vorwürfe. Den Versuch, das Video zu verkaufen, bestätigt er aber. Außerdem will er die Hofburg vorab über die Veröffentlichung informiert haben. Dort wird aber dementiert. Bestätigt wird nur ein Mail mit "vagen Andeutungen", das man routinemäßig ad acta gelegt habe.
Der Sicherheitsberater Julian H. sitzt in Deutschland in Auslieferungshaft. Die österreichische Justiz ermittelt gegen ihn wegen Drogenhandels und Erpressung. Die Vorwürfe bezeichnet H. im Interview als "konstruiert" und verweist darauf, dass ein guter Teil der Überwachungsmaßnahmen vom Oberlandesgericht Wien aufgehoben wurde.
Die Idee, den damaligen FP-Chef Heinz-Christian Strache mit verdeckten Aufnahmen aufs Eis zu führen, kam Julian H. nach eigenen Angaben gemeinsam mit dem Anwalt Ramin M. im Sommer 2016. Erste Versuche seien aber "amateurhaft" gewesen. Daher sei die Idee entstanden, über den Strache-Vertrauten Johann Gudenus und mit Hilfe einer falschen Oligarchennichte Zugang zum FP-Chef zu suchen.
Treffen auf Ibiza
Das Treffen in der mittlerweile berühmten Villa auf Ibiza empfand der Privatdetektiv nach eigenen Angaben zuerst als Fehlschlag: "Es war mehr das Gefühl von Misserfolg, weil es meine Ambition gewesen war, von Strache ein direktes 'Ich will das, dafür mache ich das' zu bekommen." Erstaunt habe ihn allerdings, wie unglaublich einfach es gewesen sei, Strache im Sommer 2017 in die Finca zu locken. Zumal Gudenus nach Angaben des Detektivs schon zuvor vor einer drohenden Videofalle gewarnt worden sei - und zwar aus dem Umfeld von VP-Chef Sebastian Kurz, dessen Partei wohl über einen Journalisten von den Plänen erfahren habe.
Bestätigt wird von Julian H., dass der Anwalt Ramin M. versucht habe, das Ibiza-Video im Wahlkampf 2017 zu verkaufen - allerdings ohne Erfolg. Ziel sei gewesen, den von M. vertretenen Leibwächter Straches finanziell abzusichern, der bereits seit 2015 versucht habe, belastendes Material über den FP-Chef an den Mann zu bringen. Aus seinen Beständen stammen auch die Aufnahmen von Sporttaschen mit mutmaßlich aus Osteuropa stammendem Bargeld in Straches Auto. "Das Video wurde nicht verkauft", versichert H.
Bisher nicht bekannt war, dass H. im Vorfeld der Veröffentlichung des Videos die Präsidentschaftskanzlei kontaktiert hat. Die Präsidentschaftskanzlei bestätigte auf APA-Anfrage ein E-Mail, das aber nur "vage Andeutungen über eine bevorstehende Veröffentlichung zum Thema Korruption" enthalten habe - sowie den Hinweis, dass der Verfasser mit Repressalien rechne. Ein von H. ebenfalls behauptetes Treffen mit einem Mitarbeiter von Bundespräsident Alexander Van der Bellen bestätigte die Hofburg nicht. Davon sei "nichts bekannt". Das Schreiben habe man - wie in solchen Fällen üblich - "ad acta gelegt".
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