Kanzler Faymann im ÖSTERREICH-Interview über den Koalitionskrach um Europa.
ÖSTERREICH: Der Chef des VP-Bauernbunds wirft Ihnen vor, dass Sie das
Agrarressort in der EU verspielt hätten. Beginnt da ein Rachefeldzug gegen
Sie?
Werner Faymann: Grillitsch setzt vor allem einen
unfreundlichen Akt gegenüber seinem Parteiobmann. Denn Pröll hat Johannes
Hahn als EU-Kommissar vorgeschlagen. Wenn er meint, das sei kein optimaler
Vorschlag gewesen, soll er das mit seinem Obmann diskutieren. Die Herren
kennen sich ja aus dem Bauernbund.
ÖSTERREICH: Hat Kommissionschef Barroso das Agrarressort je angeboten?
Faymann:
Er hat es natürlich nie angeboten. Er hat gesagt, dass er niemand ein
Ressort anbietet, bevor nicht der letzte Kommissar nominiert ist. 40 Prozent
der EU-Staaten fehlen noch. Ich halte Grillitsch nicht für so einen begabten
Hellseher, dass er wissen kann, welches Ressort Österreich bekommt.
ÖSTERREICH: Es kamen auch Stimmen, dass man Alfred Gusenbauer
nominieren hätte sollen, weil der EU-Außenminister werden könnte.
Faymann:
So kann man in der EU nicht auftreten. Ich warne davor, dass VP-Teile
versuchen, die Nominierung Hahns darzustellen, als ob das der kleinste
gemeinsame Nenner wäre. Ich bin kein Grillitsch. Deshalb beschäftige ich
mich nicht mit Gusenbauer oder Hätte-Wäre-Debatten, sondern unterstütze Hahn
voll. Alles andere könnte dazu führen, dass ihm die größten Schwierigkeiten
im Hearing des EU-Parlaments blühen.
ÖSTERREICH: Bis wann werden Sie und Ihr spanischer Kollege Zapatero
das Personalpaket in der EU vorlegen?
Faymann: Bis Mitte
November könnte das Paket fertig sein. Wobei wir aus der Erfahrung der
letzten EU-Wahl Verantwortung für die SPE übernehmen müssen. Es geht bei
Kandidaten um Inhalte, für die wir gemeinsam in Europa stehen. Wachstum,
sozialer Ausgleich und Friedenspolitik – im Klartext: Es geht um die Nähe zu
Barack Obama.
ÖSTERREICH: Womit die Chancen Wolfgang Schüssels als Ratspräsident
ebenso schwinden wie die von Alfred Gusenbauer davor?
Faymann:
Außer dass sich manche Kollegen freundlich nach dem Befinden der Herren
erkundigten, habe ich ihre Namen nie gehört. Vorgeschlagen hat sie schon gar
niemand. Hätte ich auch nur die geringste Chance gesehen, da etwas für
Österreich herauszuholen, hätte ich sofort zugegriffen.
ÖSTERREICH: Nützt es nicht eher den EU-Gegnern in Österreich, dass nur
über Postenschacher debattiert wird?
Faymann: Wir müssen
der FPÖ die Grundlage für eine weitere „Denkzettel“-Kampagne entziehen.
Durch Erfolge: Der Brite Brown, der Franzose Sarkozy und die Deutschen sind
neu im Boot und dafür, dass die Debatte über die EU-Finanztransaktionssteuer
intensiver wird.
ÖSTERREICH: Wobei die ÖVP im EU-Parlament jüngst dagegen stimmte.
Verärgert?
Faymann: Es gibt einen einstimmigen
Parlamentsbeschluss. Ich erwarte, dass sich alle daran halten. Positiv ist:
Außenminister Michael Spindelegger kämpft dafür an meiner Seite.
ÖSTERREICH: Erschüttert das das Vertrauen in der Koalition?
Faymann:
Es war nicht die feine Art, dass ich über Spekulationsverluste im
Finanzressort vom Rechnungshof statt vom Partner erfahren habe. Aber im
Wesentlichen ist die Vertrauensbasis gut. Umso vorsichtiger bin ich bei
Anfängen, wenn etwa die Hacklerregelung in Frage gestellt wird. Die Ära der
Streithansln ist vorbei. Wir brauchen keine Rückfälle.
ÖSTERREICH: Ihre ältere Tochter ist in einem Alter, wo sie bald
Uni-Hörsäle besetzen könnte. Würden Sie das unterstützen?
Faymann:
Ich hätte volles Verständnis, wenn sie gegen fehlende Studienplätze
demonstriert. Ich war ja auch bei jedem Wind und Wetter auf Demos, an
Hausbesetzungen habe ich aber nie teilgenommen.
ÖSTERREICH: Wie soll es bei den Unis nun weitergehen?
Faymann:
Erstens darf es keine Studiengebühren geben. Zweitens wollen wir mehr
Studenten, haben aber zu wenige Studienplätze. Ich kann nicht leichtfertig
eine Verdoppelung des Uni-Budgets versprechen. Aber es wird gewaltige
Kraftanstrengungen im Bildungsbereich geben müssen.
ÖSTERREICH: Ist Hahn bei den Notlösungen beim Uni-Zugang säumig?
Faymann:
Ich würde ihm schon gerne helfen, dass er weiterkommt. Er hat das Problem
erkannt. Die Lösungen sollte man doch rasch angehen. Wenn es notwendig ist,
greife ich gerne ein. Interview: Josef Galley