Kein Handshake, nur Dolmetscher

So lief das Putin-Treffen

11.04.2022

Österreichs Kanzler dürfte beim russischen Präsidenten nicht viel erreicht haben.

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© BKA/Dragan Tatic, APA/AFP, TZOe MFellner, Fotomontage
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Moskau. Am Montag, 14.18 Uhr MEZ, war es so weit: Karl ­Nehammer traf in der Residenz des Kriegsherrn Wladimir Putin ein. Jenes Putin, der einen blutigen Angriffskrieg gegen die Ukraine führt. Chance auf Frieden – oder nur ein PR-Termin? Nehammer hatte zuvor den ukrainischen Präsidenten Selenskyj besucht – und sich entsetzt über die Kriegsverbrechen in Butscha gezeigt.

Deutsche Regierung begrüßte die Reise

Absolution. Während EU-Politiker von „EU-Außenminister“ Josep Borrell abwärts eher skeptisch auf die Reise reagierten, bekam Nehammer den Segen aus Berlin: Eine Regierungssprecherin begrüßte die Reise.

Russische Medien haben Kanzler-Tweet zensiert

Zensur. Viele befürchteten eine Ausschlachtung des Besuchs des ersten EU-Regierungschefs seit Kriegsbeginn durch den Kreml. Dass russische Medien die Tweets Nehammers zensierten (und das Wort „Krieg“ strichen), war kein gutes Omen.

Kein Covid-Test. Wie Scholz und Macron verweigerte auch Nehammer den Covid-Test – man wollte den Russen keine DNA überlassen.

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Vorbereitung in der Botschaft.

Auch Kanzler saß mit Putin an langem Tisch

Gegen 14.30 Uhr MEZ war es dann so weit: Putin begrüßte den Österreicher (nach kurzer Wartezeit) in der Residenz in Nowo-Ogarjowo – dort hatte er George W. Bush empfangen, schon Stalin nutzte die Datschas, die 30 Kilometer westlich des Kremls liegen.

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Ankunft in Putins Residenz.

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4 Augen plus 2 Dolmetscher. Am Tisch saßen neben den beiden Politikern nur zwei Dolmetscher. Der Großteil des Gesprächs lief auf Russisch. Der Tisch, so Nehammer danach, sei „nicht so lang wie im Kreml gewesen, aber doch lang“.

Nehammer: "Wollte Putin in die Augen schauen"

75 Minuten hat das Gespräch gedauert – Nehammer betonte, er habe „dem russischen Präsidenten direkt in die Augen blickend die Gräuel des Krieges begreiflich machen wollen“. Es sei ein „sehr hartes und offenes Gespräch“ gewesen, berichtete der Kanzler danach. Er sei aber „nicht optimistisch“. Putin habe gesagt, es sei besser, „den Krieg rasch zu beenden“. Ein friedliches Ende habe er allerdings wohl nicht gemeint, gab der Kanzler zu.

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Nehammer mit ernster Miene nach Treffen.

Die Russen-Agentur Interfax berichtete: Nehammer habe „Putin aufgefordert, die Spezialoperation in der Ukraine“ zu beenden. Wieder wurde das Wort „Krieg“ zensiert …

Kanzler: "Habe keinen optimistischen Eindruck"

Nehammer ging nach dem Gespräch demonstrativ auf Distanz zu Wladimir Putin.

  • Nehammer über die Reise: „Das war kein Freundschaftsbesuch. Ich komme gerade aus der Ukraine und habe das unermessliche Leid mit eigenen Augen ­gesehen, das durch den russischen Angriffskrieg entstanden ist. Das Gespräch mit Präsident Putin ist für mich eine Pflicht. Es war mir wichtig, den Präsidenten in die Augen blickend mit den Gräueln des Krieges zu konfrontieren.“
  • Klima des Gesprächs: „Das Gespräch war sehr direkt, offen und hart. Ich habe die schweren Kriegsverbrechen in Butscha angesprochen und betont, dass alle Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen sind.“
  • Nehammer über seine Motive: „Meine wichtigste Botschaft an Putin war, dass dieser Krieg endlich enden muss, denn in einem Krieg gibt es auf beiden Seiten nur Verlierer.“
  • Nehammers Bilanz: „Mein Eindruck ist generell kein positiver. Die Offensive im Osten der Ukraine wird offenbar weiter vorbereitet, sie wird schrecklich sein.“
  • Nehammer über Putins Kriegslogik: „Putin ist massiv in der Kriegslogik angekommen und handelt auch entsprechend. Zu Beginn hat Putin den Begriff ,Krieg‘ nicht akzeptiert, gegen Ende hat er aber sinngemäß gesagt, es ist besser, wenn der Krieg bald endet. Er hat aber kein friedliches Ende gemeint.“ 

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