SPÖ-Spitze schießt gegen Regierung
01.05.2018
Kern mit Dank an Regierung für "Rekordbeteiligung am Rathausplatz" - 120.000 Teilnehmer - Kritik an Zwölf-Stunden-Tag.
Der Maiaufmarsch der SPÖ in Wien ist am Dienstag ganz im Zeichen der Kritik an der Bundesregierung gestanden. Die Vertreter der Parteispitze ließen in ihren Reden kein gutes Haar an Vorhaben wie dem 12-Stunden-Tag oder den AUVA-Einsparungsplänen. Jubel und Applaus setzte es aber nicht nur für die Angriffe in Richtung Bundesregierung - sondern auch für den Abschiedsauftritt von Michael Häupl.
Der SPÖ-Vorsitzende Christian Kern würdigte in seiner Rede bei der Abschlusskundgebung zunächst aber nicht den scheidenden Langzeit-Bürgermeister, sondern ausnahmsweise den Gegner: "Ich möchte mich bei der österreichischen Bundesregierung für die Rekordbeteiligung am Wiener Rathausplatz bedanken." Laut SPÖ sind am heutigen 1. Mai bei sonnigem Frühlingswetter 120.000 Menschen aufmarschiert - so viel wie seit einigen Jahren nicht mehr, wie es hieß. Die einzelnen Delegationen hätten bis zu 15 Prozent mehr Teilnehmer verzeichnet.
Kern verspricht "offenes Gesellschaftsmodell"
Kern versprach den Genossen, das "offene Gesellschaftsmodell" - für das die SPÖ stehe - mit allen Zähnen verteidigen zu wollen. Denn es sei die Sozialdemokratie, die von sich behaupten könne, 100 Jahre lang Demokratie und Rechtsstaat verteidigt zu haben. Letztere seien "zerbrechliche Wesen". "Sozialdemokratische Ideen sind immer der Kitt in der Gesellschaft gewesen", zeigte sich der Parteichef überzeugt, der im Vorjahr bei seinem ersten 1. Mai-Auftritt noch Bundeskanzler war.
Kern wetterte gegen "Geschenke an Großkonzerne" und warnte davor, dass künftig beim Besuch einer Spitalsambulanz eine Kreditkarte statt einer E-Card nötig sei. Außerdem werde Schulschwänzen künftig stärker bestraft als Großsozialbetrug, kritisierte er. Die Regierung wolle zudem den 8-Stunden-Tag "schreddern" und die Sozialversicherung in ihrer derzeitigen Form "verschrotten".
"Wir erleben, dass Journalisten bedroht werden und die Pressefreiheit infrage gestellt wird", verwies der SPÖ-Chef außerdem auf die jüngste FPÖ-Kritik an den ORF-Korrespondenten. Zudem werde in der Flüchtlingskrise ein Jude (der US-Investor George Soros, Anm.) als Drahtzieher bezeichnet: "Wie schändlich ist das?" Antisemitismus sei immer der erste Zivilisationsbruch: "Ein Angriff auf unsere jüdischen Mitbürger ist ein Angriff auf uns alle." Ob dieser von rechtsradikaler oder islamistischer Seite komme, sei dabei egal.
"Ich kann versprechen, dass wir das Bündnis mit all jenen suchen, für die (Ungarns Premier, Anm.) Viktor Orban kein politisches Vorbild ist", gelobte der SPÖ-Bundesparteivorsitzende. Dankesworte gab es hingegen für das Mauthausen-Komitee, das keine FPÖ-Politiker bei den Feiern zur Befreiung des Konzentrationslagers wünscht. "Das, was passiert ist, ist das, was wir permanent erleben. Sie stellen sich ganz sensibel, zart besaitet in eine Ecke und beschweren sich darüber, dass sie nicht eingeladen worden sind", urteilte Kern über die Reaktion der Blauen.
Tatsächlich hätten sich die "Damen und Herren" der FPÖ dies aber selbst zu verdanken: "Sie haben sich selbst ausgeladen." Laut Kern würden von den Freiheitlichen etwa rechtsradikale Zeitungen finanziert, die KZ-Insassen als Landplage bezeichnet hätten. Außerdem seien deutschtümelnde Menschen in "höchste Regierungsämter" geholt worden.
Ludwig: Wien soll Europas Digitalisierungshauptstadt werden
„Es erfüllt mich mit großem Stolz, dass ich heute als Vorsitzender der SPÖ Wien zu euch sprechen darf“, sagte der Wiener SPÖ-Vorsitzende und designierte Bürgemeister Wiens, Dr. Michael Ludwig, am Dienstag beim traditionellen Maiaufmarsch vor rund 120.000 TeilnehmerInnen am Wiener Rathausplatz. „Der heutige 1. Mai ist ein Festtag, aber auch ein Kampftag. Wir stellen uns auf Zeiten ein, in denen wir ganz eng zusammenrücken werden. Es braucht mehr Sozialdemokratie und mehr gelebte Solidarität“, sagt der designierte Wiener Bürgermeister.
Und weiter: „Wir sehen starke Herausforderungen auf uns zukommen, Umwälzungen im Bereich der Arbeitswelt, die Digitalisierung, die vieles verändern wird, was wir gewohnt waren. Wir müssen diesen Wandel aufgreifen und danach trachten, dass Wien die Digitalisierungshauptstadt Europas wird. Wir wollen Arbeitsplätze schaffen, die Wirtschaft stärken und uns dem Wachstum in der Stadt stellen. Denn Wachstum bietet Vorteile, braucht aber auch Begleitung."