Diese Schulen haben mit modernen Mitteln auf das PISA-Debakel reagiert.
Bundeskanzler Werner Faymann forderte in der ORF-„Pressestunde“ eine Aufstockung des Budgets für die Neuen Mittelschulen. Denn: Dass ein Ausbau in Ganztagsbetreuung mit höherer Qualität und ein Aufstocken der Anfangsgehälter für Lehrer mit mehr Kosten verbunden sind, ist jedem klar. Auch ÖSTERREICH fordert im Online-Begehren auf www.oe24.at eine zusätzliche Bildungsmilliarde.
Derzeit gibt Österreich jährlich im Schnitt 7.542 Euro für jeden Schüler aus. ÖSTERREICH hat sich vier Schulen angesehen, die laut Bildungsexperte Andreas Salcher nach modernen Kriterien agieren. Eine davon, die „American International School“ (AIS), erfüllt nicht nur inhaltlich viele Punkte, die Bildungsexperten als vorbildhaft bezeichnen. Die Schule punktet auch mit großzügiger Infrastruktur für Schüler und Lehrer. Würde man unsere Schulen etwa auf das Modell der AIS umrüsten, würde das zusätzliche Kosten von rund der doppelten Höhe bedeuten.
AIS, Wien
Internationale, ganztägige Privatschule, Unterrichtssprache Englisch. 755 Schüler, 98 Lehrer. Förderung individueller Fähigkeiten. Lehrer-Assistenten in Unterstufe. Flexible Unterrichtseinheiten in Modul-System. Kein Durchfallen, sondern Wiederholen eines Moduls. Lehrer als „Coaches“ mit intensiver Lernberatung. Starke Einbindung der Eltern. Jeder Schüler erhält Laptop (Facebook gesperrt). Großzügige Infrastruktur für Sport, Kultur & Studien.
Popper-Schule, Wien
Öffentliches Oberstufengymnasium für Begabte: 40 Lehrer, 200 Schüler (17 % Migrationshintergrund). Ganztagsunterricht mit kostenpflichtiger Nachmittagsbetreuung. Kein 50 Minuten-, sondern flexibler Unterricht. Modulares Kurssystem mit Pflichtmodulen: Schüler stellen eigenen Stundenplan zusammen. Kein Durchfallen, sondern Nachholen der Leistungen. In Naturwissenschaften teils drei Lehrer gleichzeitig. 1 Stunde Woche „Coaching“: Arbeiten mit Pädagogen. Direktor sucht die Lehrer aus.
AHS Purkersdorf, NÖ
Öffentliche Pilotschule für Bildungsstandards und „Matura neu“: 122 Lehrer, 1.180 Schüler. Fordern und Förderung von starken und schwachen Schülern durch Teamarbeiten. Zweiter Lehrer bei integriertem, geschlechtsspezifischem- oder Förderunterricht. Schwerpunkt IT-Förderung: PC für jede Klasse. Unterstufe: „Team-Teaching“ mit IT-Beratung: 1 Stunde/Woche. Eine Oberstufenklasse mit IT-Schwerpunkt; Schwerpunkt Netzwerk-Arbeiten.
RGR Erlgasse, Wien
Öffentliches Gymnasium mit 65 Lehrern für 650 Schüler (60 % Migrationshintergrund). Schwerpunkt Deutsch: Zweitlehrer unterrichten in allen ersten Klassen, intensives Leseförderprogramm für Schüler und Lehrer. Auszeichnung für e-Learning (s. oben). Oberstufe mit Modul-System für Schwerpunkt „wissenschaftliches Arbeiten“.
Maria Jelenko
‚Eltern sollen bei Schule mehr mitreden dürfen‘
Der Industrielle H. Androsch über die Schwächen des Schulsystems.
ÖSTERREICH: Herr Androsch, überrascht Sie das große Echo unseres Online-Begehrens?
Hannes Androsch: Nein, das ist ein klares Zeichen für die ausgeprägte Erwartung, die Bildungsblockaden zu beseitigen.
ÖSTERREICH: Gibt es schon Inhalte für Ihr Volksbegehren, das 2011 startet?
Androsch: Am 10. Jänner fließen bei einem Round Table die Vorschläge aller Interessierten in das Volksbegehren ein. Dann starten die Unterschriften.
ÖSTERREICH: Gibt es in Österreich Vorzeige-Schulen?
Androsch: Sicher, man muss das Rad nicht neu erfinden. Aber wir brauchen ein einheitliches Schulsystem, ab dem Kindergarten.
ÖSTERREICH: Welche Eckpunkte sind für Sie wichtig?
Androsch: Hinreichende Ganztagsbetreuung und entsprechende Ausbildung und Auswahl der Lehrer, die einen der wichtigsten Jobs machen. Ganztagsschulen erfordern entsprechende Arbeitsplätze. Schluss mit dem Frontalunterricht. Stattdessen ein sich selbst motivierender Unterricht.
ÖSTERREICH:Die Ganztagsschulen sollen ja 2011 ausgebaut werden.
Androsch: Mit so kleinen Würflein löst man das Problem nicht. Man muss klotzen, nicht kleckern. Wir haben das viert-teuerste, aber das viertschlechteste Schulsystem. In den letzten 10 Jahren ging die Schülerzahl um 15 % zurück, die Kosten stiegen um 35 %.
ÖSTERREICH: Kleinere Klassenschülerzahlen?
Androsch: Die Verteilung stimmt prinzipiell nicht: Wir haben ohnehin 120.000 Lehrer für 1,2 Mio. Schüler! Ländliche Kleinstschulen schnitten bei Pisa ganz schlecht ab. Die gehören reduziert. Lieber zwei Lehrer für schwache Schüler.
ÖSTERREICH: Sind Gesamtschulen der richtige Weg?
Androsch: Ja, man kann ja 10-15 % Gymnasien behalten. Sollen die Eltern aussuchen. Die sollen ohnehin mehr mitreden. Auch bei der Bestellung der Direktoren. Schluss mit dem parteipolitischen Proporz.
Kanzler: 50 Mio. € mehr für Schulen
Der Kanzler will Steuer-Mehreinnahmen sofort in den Ausbau der neuen Mittelschule investieren – und die NMS-Plätze so verdoppeln.
Angekündigt hat er den „SP-Schwerpunkt Bildungsreform“ erst für 2011. Die erste Ansage für die gemeinsame Schule der 10- bis 14-Jährigen ließ Kanzler Werner Faymann freilich schon am Sonntag in der ORF-Pressestunde vom Stapel: „Derzeit sind 16 Prozent der Schüler der betroffenen Jahrgänge in der Neuen Mittelschule, wo die Besten und die etwas Schwächeren gemeinsam statt getrennt unterrichtet und gefördert werden. Der Bedarf ist enorm: Doppelt so viele wie derzeit dort unterrichtet werden wollen Plätze in der Neuen Mittelschule. Bürgermeister und Landeshauptleute sagen, dass wir da massiv ausbauen sollen.“
Auch die Finanzierung stehe bereits, so der Kanzler: „Die Kosten so einer Verdoppelung der Plätze in der Neuen Mittelschule sind etwa 50 Millionen Euro. Am Geld kann es angesichts von Milliarden-Mehreinnahmen bei den Steuern nicht scheitern. Wir müssen das Plus bei den Steuereinnahmen für die Verdoppelung der Plätze in den Neuen Mittelschulen einsetzen, sodass zumindest ein Drittel aller Schüler dort unterrichtet werden kann. Ich habe zuletzt mit vielen Eltern, Lehrern und Schülern gesprochen. Alle sind mit diesem Modell hochzufrieden. Davon werde ich den Koalitionspartner mithilfe der öffentlichen Meinung, die auf unserer Seite steht, überzeugen.“
Reichensteuer sollen auch Schulreform finanzieren
Noch vor der nächsten Nationalratswahl soll es, so Faymann, eine Steuerreform geben, die der Finanzierung von Schulreformen dienen soll – und die freilich auch für mehr Gerechtigkeit sorgen soll: „Wir können nicht einem Arbeiter Auge in Auge gegenüberstehen und sagen: Bei dir kürzen wir, aber bei den Banken fällt uns nichts ein.“ Eine Bankenabgabe dürfe nicht auf die Kunden übergewälzt werden. Weiters bleibt der SP-Chef dabei, dass er die Steuerlast vom Faktor Arbeit verstärkt auf Stiftungen, Konzerne und „Vermögen über einer Millionen Euro“ überwälzen will. Nach einer Idee von Raiffeisen-Manager Ludwig Scharinger will Faymann etwa die Gruppenbesteuerung verschärfen, da es noch „verdammte Ungerechtigkeiten“ für Kleinverdiener gebe.