Eckpunkte vorgelegt
So sieht die neue Mindestsicherung aus
23.12.2009
Ab 2010 gelten bundesweit die gleichen Regeln für Sozialhilfe-Empfänger.
Das Sozialministerium hat am Mittwoch den Entwurf für die Bund-Länder-Vereinbarung ("15a-Vertrag") zur sozialen Mindestsicherung vorgelegt. Die Grundzüge sind bekannt: Ab Herbst 2010 sollen Sozialhilfeempfänger in ganz Österreich 744 Euro monatlich erhalten. Ausgezahlt wird die Summe - entgegen dem ursprünglichen Plan - aber nur zwölf statt 14 Mal.
Außerdem sind die Bezieher der Mindestsicherung künftig krankenversichert und werden vom AMS betreut, müssen also umgekehrt auch arbeitswillig sein. Nach einem Jahr wird die Reform evaluiert. Sollten den Ländern erhebliche Mehrkosten entstehen, muss neu verhandelt werden. Die Begutachtungsfrist läuft bis 2. Februar.
Die Eckpunkte:
Mindestsicherung:
Die Höhe der Mindestsicherung orientiert sich
an der Mindestpension ("Ausgleichszulage") und beträgt abzüglich der
Krankenversicherungsbeiträge 744 Euro monatlich für Einzelpersonen und 1.108
Euro für Paare. Im gleichen Haushalt lebende Kinder erhalten mindestens 134
Euro. Damit sollen Sozialhilfebezieher die Kosten für "Lebensunterhalt"
(also u.a. Nahrung, Bekleidung, Heizung, Strom, Hausrat sowie "angemessene
soziale und kulturelle Teilhabe") und "Wohnbedarf" (Miete, Betriebskosten)
abdecken. Für letzteres sind aber noch freiwillige Zuzahlungen der Länder
vorgesehen, sollte die Mindestsicherung den "angemessenen Wohnbedarf" nicht
abdecken (dies ist dann der Fall, wenn die Miete für eine angemessene
Wohnung mehr als 25 Prozent der Mindestsicherung ausmacht).
Bezieherkreis:
Von der Neuregelung profitieren sollen Schätzungen
zufolge zumindest 270.000 Menschen. Anspruch auf die Mindestsicherung haben
alle Personen, die Lebensunterhalt, Wohnbedarf und Krankenversicherung nicht
aus Eigenem finanzieren können und "die zu einem dauernden Aufenthalt im
Inland berechtigt sind". Dazu zählen neben Österreichern auch anerkannte
Flüchtlinge (inkl. subsidiär Schutzberechtigte) sowie EU-Bürger (inkl.
EWR-Bürger und Schweizer) und Personen mit den Aufenthaltstiteln
"Daueraufenthalt-EG" bzw. mit unbefristeter Niederlassungsbewilligung.
Krankenversicherung:
Ein wesentlicher Vorteil der
Mindestsicherung ist, dass die Bezieher künftig krankenversichert sind.
Bisher waren sie auf die "Krankenhilfe" im Rahmen der Sozialhilfe
angewiesen, nun können sie auf die deutlich unkomplizierter verfügbaren
Leistungen der jeweiligen Gebietskrankenkasse zurückgreifen.
Regress:
Der in einigen Bundesländern übliche Rückgriff auf das
Vermögen von Familienangehörigen wird bei der Mindestsicherung gekippt.
Diesen Regress gibt es nur noch von Eltern für ihre minderjährigen Kinder.
Eigenes Vermögen (auch Erbschaften) muss allerdings bis zu einem Freibetrag
von 3.720 Euro (das Fünffache der Mindestsicherung) verwertet werden, bevor
die Sozialhilfe bezogen werden kann. Behalten dürfen die Bezieher u.a. ihre
Wohnung, ein berufsbedingt benötigtes Auto und ihren Hausrat. Die spätere
Rückzahlung der Mindestsicherung durch die Bezieher ist ebenfalls nicht
mehr vorgesehen, weil das einen negativen Anreiz für die Rückkehr ins
Arbeitsleben bedeuten würde.
Sanktionen:
Voraussetzung für die Mindestsicherung ist die
Bereitschaft zur Aufnahme einer Erwerbsarbeit. Hier gelten die selben
Kriterien wie bei der Notstandshilfe. Außerdem ist "auf die persönliche und
familiäre Situation der Hilfe suchenden Person Rücksicht zu nehmen". Wird
die Aufnahme einer zumutbaren Arbeit verweigert, dann kann die
Mindestsicherung um maximal 50 Prozent gekürzt werden.
Verwaltung:
Anträge auf Mindestsicherung können beim
Arbeitsmarktservice eingebracht werden oder auf Landesebene "bei allen
Stellen, die dafür geeignet erscheinen" (Details müssen die jeweiligen
Länder festlegen). Die Entscheidung darf höchstens drei Monate dauern und
muss (zumindest bei Ablehnung) schriftlich erfolgen. Außerdem nimmt das AMS
die Bezieher der Mindestsicherung in seine Jobvermittlung.
Kosten:
Den Großteil der Mehrkosten der Mindestsicherung wird
wohl der Bund abdecken. Konkret wird der Bund die Notstandshilfe erhöhen
(damit deren Bezieher nicht um Mindestsicherung ansuchen), außerdem ersetzt
der Bund den Krankenkassen alle Leistungen der Sozialhilfebezieher, die
nicht von den Krankenversicherungsbeiträgen abgedeckt werden. Der
Zusatzaufwand der Länder (verglichen mit der bereits bestehenden
Sozialhilfe) wird mit jährlich 50 Mio. Euro gedeckelt. Wird dieser Betrag
überschritten, dann muss neu verhandelt werden. Dies gilt auch für den Fall,
dass ein einzelnes Bundesland (infrage käme de facto Wien) Mehrkosten von
über 30 Mio. Euro hätte.
Inkrafttreten:
Die Reform soll mit 1. September 2010 in Kraft
treten. Voraussetzung ist allerdings die Zustimmung der jeweiligen
Bundesländer und des Nationalrats.
Befristung und Evaluierung:
Die Vereinbarung zwischen Bund und
Ländern gilt vorerst bis 31. Dezember 2012, verlängert sich aber
automatisch, wenn die Mehrkosten der Länder die vereinbarte Grenze nicht
übersteigen. Festgestellt wird dies im Rahmen jährlicher Evaluierungen. Für
die Weiterentwicklung der Mindestsicherung wird eine Arbeitsgruppe von Bund
und Ländern beim Sozialministerium eingerichtet. Alle zwei Jahre soll es
einen Bericht geben.