Hofburg-Wahl
So will FPÖ Van der Bellen stürzen
08.06.2016Bei insgesamt 570.000 Briefwahlstimmen gebe es Ungereimtheiten, sagt die FPÖ.
„Nein, wir sind keine schlechten Verlierer“, so begann FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache am Mittwoch seine Pressekonferenz, in der er bekannt gab, dass er die Bundespräsidentenstichwahl anficht. Ein insgesamt 150 Seiten langes Konvolut an verschiedenen Vorwürfen wurde an den Verfassungsgerichtshof (VfGH) übermittelt.
Dieser muss jetzt binnen vier Wochen über den Einspruch entscheiden. Gegenüber ÖSTERREICH betonte ein Sprecher des Höchstgerichts, dass es „der feste Wille“ des VfGH ist, in dieser Frist zu entscheiden – sonst müsse die Angelobung von Präsident Alexander Van der Bellen verschoben werden.
FPÖ ortet Probleme beim Auszählen von Wahlkarten
Die Blauen schießen sich, wie zu erwarten, auf die Briefwahl ein: In insgesamt 94 der 117 Bezirkswahlbehörden soll es dabei Probleme gegeben haben. In 82 Fällen sollen Briefwahlkarten vor Eintreffen der Wahlkommission vorsortiert worden sein. Davon wären insgesamt rund 570.000 Stimmen betroffen. Verfasst wurde die Beschwerde vom ehemaligen FPÖ-Justizminister Dieter Böhmdorfer. Er sei „schockiert“ gewesen von der Zahl der Vorfälle, sagt er.
Szenarien: Hofer könnte interimistisch Präsident werden
➜ Ablehnung. Die Verfassungsrichter können die Anfechtung der FPÖ abweisen. Damit ist die einzige Möglichkeit zur Bekämpfung des Ergebnisses erloschen. Alexander Van der Bellen wird dann wie geplant am 8. Juli als nächster Präsident angelobt.
➜ Neuauszählung. Wenn der Beschwerde nachgegeben wird, könnte eine Neuauszählung beziehungsweise eine Kontrolle der Wahldokumente angeordnet werden. Das wäre vor allem der Fall, wenn es um Unklarheiten bei der Anzahl von Stimmen oder Wahlzettel geht.
➜ Neuwahl. Sollte das Problem so nicht behebbar sein, kann die Neuwahl angeordnet werden. Entweder in den betroffenen Bezirken oder generell. Dann würde VdB vorerst nicht angelobt – die drei Nationalratspräsidenten, auch Hofer, würden vorerst amtieren.
Heinz Mayer: "Zu frühes Auszählen reicht nicht für Erfolg"
Verfassungsexperte Mayer sieht mögliche Chancen für eine Neuauszählung.
ÖSTERREICH: Wie stehen die Chancen, dass die Anfechtung durchgeht?
Heinz Mayer: Es kommt ganz auf die Vorwürfe an, die in dem Text angeführt werden. Das ist schwer zu sagen.
ÖSTERREICH: Größter Punkt darin ist, dass in Bezirkswahlbehörden die Briefwahlkuverts vor Eintreffen der Wahlkommission vorsortiert wurden …
Mayer: Die Beurteilung der Gültigkeit ist Aufgabe der Wahlkommission. Das wäre eine Möglichkeit für eine Neuauszählung in der betroffenen Bezirkswahlbehörde. Alleine der Fakt, dass zu früh ausgezählt wurde, zählt aber nicht.
ÖSTERREICH: Und was müsste vorliegen, dass eine Wahlwiederholung notwendig wird?
Mayer: Da müssten Menschen, die nicht wählen dürften, in großer Zahl doch ihre Stimme abgegeben haben, in diesem Fall rund 16.000 Personen.(pli)
Hofer: "Ich hatte ein bisschen Bauchweh"
ÖSTERREICH: War diese Anfechtung notwendig?
Norbert Hofer: Wir haben uns diese Entscheidung wirklich nicht leicht gemacht. Ich gebe auch durchaus zu, dass ich dabei ein bisschen Bauchweh hatte. Aber wir sind als gewählte Mandatare auf die Verfassung angelobt worden – und es gibt leider so viele Hinweise auf Unregelmäßigkeiten, dass wir einfach so handeln mussten.
ÖSTERREICH: Aber jetzt werden viele sagen, dass Sie sich mit einer Klage in die Hofburg katapultieren wollen. Sind Sie ein schlechter Wahlverlierer?
Hofer: Nein, so ist das nicht. Ich bin kein schlechter Wahlverlierer. Sie haben seit dem Wahlabend am 22. Mai von mir kein böses Wort in Richtung von Alexander Van der Bellen gehört. Wir mussten einfach rechtliche Schritte ergreifen.(gü)