ÖSTERREICH
SP rudert leicht zurück im EU-Kurs
02.07.2008
Keine gemeinsamen Beschlüsse, keine gemeinsamen Medienauftritte. Drohen Neuwahlen? Unterdessen rudert die SP leicht zurück.
Die SPÖ rudert bei ihrem neuen EU-Kurs wieder etwas zurück: Sie sagt, ohne ÖVP werde es keine Volksabstimmung über künftige EU-Verträge geben. "Für eine Volksabstimmung braucht man zuerst ein Gesetz. Das geht nur mit Einstimmigkeit durch die Regierung, und auch im Parlament wird gemeinsam abgestimmt. Damit kann es ohne ÖVP keine EU-Volksabstimmung geben", sagt SPÖ-Klubobmann Josef Cap im "Kurier" (Freitag-Ausgabe).
n dem Brief an die Kleinformat stehe auch nur drinnen, so Cap, dass man eine Volksabstimmung dem Koalitionspartner vorschlagen werde (wörtlich heißt es: "Wir wollen den Koalitionspartner überzeugen."). Die ÖVP hat bereits deponiert, dass sie nicht überzeugt ist. Vizekanzler Wilhelm Molterer (V) hat auch wiederholt von der SPÖ gefordert, ihre Ankündigung, künftig nationale Volksabstimmungen über EU-Verträge abhalten zu wollen, zurückzunehmen. Das haben die Sozialdemokraten wiederum abgelehnt (Zitat Bundeskanzler Alfred Gusenbauer: "Ich weiß nicht, was diese absurde Aufforderung soll.").
Zeichen auf Neuwahlen?
Aber kommt es vielleicht gar nicht so weit
und es gibt bereits vorher Neuwahlen? Nicht einmal zu einem gemeinsamen
Auftritt können sich SP-Kanzler Alfred Gusenbauer und sein VP-Vize Wilhelm
Molterer noch durchringen – die Zeichen in der Großen Koalition stehen immer
klarer auf Neuwahlen: So gab es beim Ministerrat am Mittwoch keine
gemeinsamen Beschlüsse zu verkünden und somit keinen gemeinsamen Auftritt
der Parteichefs.
Dennoch: Hinter verschlossenen Türen hatte sich die Regierungsmannschaft einiges zu sagen, denn die Unterredung dauerte mehr als drei Stunden.
Verwirrspiel um gemeinsamen Auftritt
Den separaten
Presseerklärungen war ein bemerkenswertes Verwirrspiel vorausgegangen: Die
ÖVP plädierte für einen Auftritt von Neo-Innenministerin Maria Fekter an der
Seite von Justizministerin Maria Berger (SPÖ). Sie sollten den
Sicherheitsbericht zum reibungslosen Ablauf der EURO 2008 präsentieren.
Berger und Fekter, die einander schon seit der Schulzeit in Oberösterreich
gut kennen und schätzen – die Justizministerin bedachte Fekter zu ihrem
Amtsantritt auch mit einem Strauß Blumen – , „wäre ein positives Signal“
gewesen, hieß es aus der ÖVP.
Doch das Kanzleramt beharrte darauf, dass Kanzler und Vizekanzler vor die Journalisten treten sollten. Das hat die ÖVP „aus Gründen, die ich nicht kenne“, abgelehnt, erklärte Gusenbauer.
Auch Molterer versteht die SPÖ nicht mehr: „Aus mir nicht verständlichen Gründen“ habe der Koalitionspartner eine gemeinsame Präsentation der Fachministerinnen abgelehnt.
Solo-Medienauftritt
So rühmte der Kanzler alleine die EURO und
die Entwicklung des Arbeitsmarktes. Als Beispiel für gemeinsame Projekte
musste das nach wie vor nicht endverhandelte Sanierungspaket für die Kassen
herhalten. Weitere Gesprächstermine mit der ÖVP über die EU-Politik seien
nicht geplant. Der Kanzler sieht keinen weiteren Diskussionsbedarf: „Ich
wüsste nicht, was es noch zu diskutieren gäbe.“
Dass sich die SPÖ vornehme, bei einem nächsten EU-Vertrag einen intensiven Dialog mit der Bevölkerung zu führen und eine Volksabstimmung durchzuführen, „wird uns niemand verbieten können“.
Auch SPÖ-Parteichef Werner Faymann sieht keinen Anlass zu Krisensitzungen: „Jeder, der glaubt, dieses Thema hochspielen zu müssen, ist falsch beraten“, meinte er lapidar.
Weitere Diskussionen
Nach der Presseerklärung von Gusenbauer
wollte das Kanzleramt die Journalisten aus dem Regierungsgebäude
hinausschicken. Kurzzeitig hieß es, Molterer werde sein Statement aus Trotz
am Ballhausplatz abgeben. Dazu kam es dann doch nicht: Der Vizekanzler
konnte seine neue Innenministerin den Medien mit einem EURO-Resümee
präsentieren, staatstragend vor dem „Maria Theresia“-Ölgemälde.
„Die SPÖ ist jetzt gefordert, ihren Kurswechsel zu überdenken. Jetzt!“, verlangte der ÖVP-Parteichef. Einen dementsprechenden Beschluss des SPÖ-Präsidiums, das am 7. Juli tagt, würde er „sehr, sehr begrüßen“. Molterer beharrt auf weiteren Gesprächen. Dass Gusenbauer und Faymann keinen Diskussionsbedarf mehr sehen, kommentierte der Vizekanzler trocken: „Dann verkennt die SPÖ-Spitze die Bedeutung dieser Situation.“
Verhärtete Fronten
Von Neuwahlen redet keiner offen. „Das
ist für uns kein Thema. Solange es geht, werden wir arbeiten“, betonte
ÖVP-Wirtschaftsminister Martin Bartenstein. Denn: „Die Hoffnung stirbt
zuletzt.“ Deutlicher wurde sein Parteikollege Josef Pröll, der aus der
Marathonsitzung mit den Worten eilte: „Die Fronten haben sich weiter
verhärtet. Es hat eine mehr als deutliche Aussprache gegeben.“