Für den VP-Vizekanzler handelt es sich um "Taschenspielertricks" und "Fantastereien".
Die vergangenen Monate waren wohl alles andere als leicht für den Finanzminister: das Debakel mit der Hypo, Budgetverhandlungen und Sticheleien vom Koalitionspartner und aus den eigenen Reihen. Trotzdem gibt sich VP-Chef Michael Spindelegger im ÖSTERREICH-Interview kampfeslustig. Er mahnt weiterhin seinen rigiden Sparkurs ein, lässt aber das Datum für eine Steuerreform – der bisherige Knackpunkt mit der SPÖ – nun offen. Auch er sei für eine Entlastung.
Kritik
Allerdings nicht auf Pump. Und hier spart er auch nicht mit herber Kritik gegenüber der SPÖ: „Wir müssen zuerst das Geld für eine Steuerreform aufbringen. Alles andere wären Taschenspielertricks“.
Ans Aufgeben scheint Spindelegger jedenfalls nicht zu denken – auch wenn sich das der eine oder andere Parteifreund still wünscht.
Im Sommer wird er mit seiner Familie – seine Frau Margit arbeitet am EU-Rechnungshof in Luxemburg – am Mondsee und für ein paar Tage in der Bretagne entspannen.
Wenn „ich mit meiner Familie wandere oder Tennis spiele erhole ich mich am besten“, sagt der VP-Chef. Kraft, die er im Herbst brauchen wird.
Spindelegger: "Ich bin gegen Taschenspieler-Tricks"
ÖSTERREICH: Die Weltbank überlegt eine Klage gegen das Hypo-Gesetz. Gerüstet?
Michael Spindelegger: Zunächst einmal war ich überrascht, dass eine Institution wie die Weltbank überhaupt Nachranganleihen der Hypo hatte. Wir haben die Situation rechtlich geprüft und werden das notfalls vor Gericht austragen. Die Weltbank wird keine Ausnahme erhalten. Ich bin unseren Steuerzahlern verpflichtet.
ÖSTERREICH: Wie haben Sie denn Ihr erstes Halbjahr im Finanzministerium erlebt?
Spindelegger: Es war eine sehr intensive Zeit mit sehr vielen Herausforderungen: Budget, Hypo und den Rahmen für ein strukturelles Nulldefizit 2016 aufstellen. Das ist mir alles gelungen. Daher bin ich zufrieden.
ÖSTERREICH: Haben Sie es wirklich nie bereut, vom Außenamt ins Finanzministerium gewechselt zu sein?
Spindelegger: Ich würde heute genauso entscheiden wie damals. Es ist ein schwieriges Ressort aber auch jenes, das eben der Schlüssel ist und wo die Weichen gestellt werden.
ÖSTERREICH: Ist denn ein Nulldefizit 2016 überhaupt realistisch?
Spindelegger: Wenn ich jetzt Ja sage, werden Sie mir nicht glauben. Aber die Wirtschaftsforscher bestätigen: Wenn wir unseren Sparkurs einhalten, dann ist das strukturelle Nulldefizit realistisch.
ÖSTERREICH: Aber Sie haben selbst bei den Zwischengesprächen mit den Ministern zum Budget konstatiert, dass da noch mehrere Hundert Millionen Euro fehlen, oder?
Spindelegger: Ja, und ich betone: Dabei reden wir vom vereinbarten Pfad. Alle müssen sich daran halten. Deswegen habe ich frühzeitig mit allen Ressortchefs geredet. Es gibt Fortschritte bei den Sparmaßnahmen. Aber ich kann noch keine Entwarnung geben.
ÖSTERREICH: Kann die Bildungsministerin wirklich 65 Millionen Euro bis zum Jahresende einsparen?
Spindelegger: Ich möchte nicht über einzelne Ressorts reden. Aber natürlich wird auch die Bildungsministerin ihre Sparvorhaben erfüllen müssen. Wir haben daher noch weitere Gespräche mit ihr und anderen Ministern geplant.
ÖSTERREICH: Noch im Sommer?
Spindelegger: Ja, diese werden sehr zeitnah stattfinden.
ÖSTERREICH: Die SPÖ besteht weiterhin auf eine Steuerreform ab 2015. Sie sind dagegen. Wie löst sich das auf?
Spindelegger: Die Debatte läuft für mich in eine falsche Richtung. Es geht nicht darum, dass die einen eine Entlastung wollen und wir nicht. Ich will auch eine Steuerreform. Nur – dafür müssen wir erst das Geld aufbringen. Alles andere wären nur Taschenspielertricks. Und dafür bin ich nicht zu haben. Wir benötigen Strukturreformen und echte Sparmaßnahmen, um uns eine Steuerreform leisten zu können. Da müssen wir schon zur Ehrlichkeit zurückkehren. Das sage ich auch der SPÖ. Das ist zu ernst für Fantastereien.
ÖSTERREICH: Das heißt, der Ball liegt bei der SPÖ?
Spindelegger: Der Ball liegt bei den Verhandlern. Das ist wie ein Gürtel, der sich immer enger zuzieht. Da braucht man auch Luft, um ihn wieder weiter zu machen. Sonst schnürt er sich immer enger zu und raubt einem die Luft zum Atmen. Wir brauchen einen Befreiungsschlag für Österreich.
ÖSTERREICH: Wirtschaftsminister Mitterlehner sagte, es sei nicht sinnvoll, die Lage immer schlechtzureden. Das würde der Wirtschaft schaden ...
Spindelegger: Es macht aber auch keinen Sinn, die Lage schönzureden. Ich plädiere für Realismus. Ich führe derzeit auch Gespräche mit Wirtschaftstreibenden. Wir brauchen Leuchtturmprojekte und Kreativität. Nur mehr Geld zu fordern, ist leicht. Das wollen alle immer. Das ist ein wenig kreativer Ansatz. Das Geld fällt schließlich nicht vom Himmel.
ÖSTERREICH: Im Herbst wird die Stimmung in der Koalition wohl weiter sinken. Die SPÖ will da auch eine Pro-Millionärssteuer-Kampagne starten, nicht?
Spindelegger: Da sollte die SPÖ einen Gang zurückschalten und sich an das Koalitionsübereinkommen erinnern, das wir vor gar nicht so langer Zeit gemeinsam beschlossen haben. Ich verstehe nicht, wieso man dieses jetzt einfach infrage stellt. Sie werden im Koalitionsübereinkommen keine Vermögenssteuern finden, weil es diese mit mir nicht geben wird.
ÖSTERREICH: Und warum?
Spindelegger: Weil Vermögenssteuern unserem Wirtschaftsstandort schaden würden. Aber nach einem halben Jahr das Programm wieder aufschnüren zu wollen, halte ich für unseriös. Die SPÖ soll sich an das Abkommen erinnern und sich daran halten, anstatt immer wieder dieselben Debatten zu starten.
ÖSTERREICH: Derzeit gibt es auch einen rot-schwarzen Streit um die Pensionen. Sie bezweifeln die Zahlen von Sozialminister Hundstorfer bezüglich des faktischen Pensionsantrittsalters?
Spindelegger: Es ist eine Tatsache, dass das faktische Pensionsantrittsalter leider kaum steigt. Ich mache Hundstorfer da keinen persönlichen Vorwurf. Es ist bloß wichtig, dass wir das Pensionsmonitoring als Gesetzesvorhaben verankern. Man muss dann tatsächliche Zahlen vergleichen. Und nicht Ausnahmen mit hineinrechnen. Wir müssen die Kosten des Pensionssystems in den Griff bekommen. Sonst bringen uns die Kosten um. Ich will niemandem etwas von seiner Pension wegnehmen. Es geht darum, die Frühpensionierungen in den Griff zu bekommen. Man muss Möglichkeiten schaffen, damit Menschen länger arbeiten. Das ist eine wichtige Herausforderung.
ÖSTERREICH: Wie ist denn aus Ihrer Sicht die Stimmung in der Koalition?
Spindelegger: Wir ziehen in vielen Fragen an einem Strang. In anderen Fragen liegen wir auseinander. Wo gehobelt wird, da fallen Späne. Das ist in einer Koalition mit zwei unterschiedlichen Parteien normal.
ÖSTERREICH: Wie werden Sie Ihren Urlaub verbringen?
Spindelegger: Den Großteil unseres Urlaubes verbringen wir in Österreich und entspannen hier. Vielleicht fahren wir dann noch ein paar Tage nach Frankreich. Ich bin ein Familienmensch. Ich entspanne mich am besten mit meiner Familie.