Groß angetragen hat er es in der Politik und doch alles verspielt. Zweieinhalb Jahre nach seinem Start als Kanzler wirft Christian Kern den Politik-Job hin. Zehn Jahre wollte es der 52-Jährige in der Politik aushalten, die Vorschusslorbeeren bei seinem Amtsantritt im Mai 2016 waren enorm. Es kam anders, ein Sebastian Kurz kam, der ihm einen Strich durch die Rechnung machte und die Koalition platzen ließ: Kern wurde der kürzeste Kanzler aller Zeiten, er war noch kürzer als sein Mentor Alfred Gusenbauer. Kern amtierte nur vom 17. Mai 2016 bis zum 19. Dezember 2017 als Kanzler.
Schwere Wahlniederlage im Dezember
Im Dezember musste Kern nach einer schweren Wahlniederlage im Oktober an den ungeliebten Kurz übergeben. Strategisch als größter Fehler Kerns ist, dass dieser nicht selbst in Neuwahlen gegangen war, als in der ÖVP Anfang 2017 noch eine Führungsdebatte rumorte und die eigene Partei ihm zu Füßen lag. Denn mit seinem "Plan A" hatte der Kanzler Anfang des Jahres ein durchaus bemerkenswertes Programm vorgelegt. Doch Kern zögerte – und ging unter. Und auch in der Opposition reihte Kern wieder Fehler an Fehler. Obwohl es das Top-Thema im Wahlkampf war, verzögerte sich das Migrationspapier der SPÖ bis in die vergangene Woche. Zehn Monate lang hatte die Partei zum wichtigsten Thema dieser Tage kein schlüssiges Konzept.
Schon vor Amtsantritt haftete Kern das Image an, ein wenig eitel und dünnhäutig zu sein. Wirklich widerlegen konnte er das nicht. Selbstinszenierung, ob über stylishe Instagram-Fotos oder Auftritte als Pizzabote, war dem Kanzler alles andere als fremd. Auf der anderen Seite betrieb der SPÖ-Chef ein Medien-Bashing, wie man es nur von der FPÖ früherer Tage kannte. ÖSTERREICH verpasste Kern sogar einen Inserate-Boykott, weil ihm die Berichterstattung nicht passte.
Über die Causa hatte ganz Österreich gelacht. In einem internen Wahlkampfpapier hatte ein Vertrauter Kern als „Prinzessin“ bezeichnet. Erst im Frühjahr 2018 kam es zur Aussöhnung – Kern gab ÖSTERREICH wieder ein großes Interview,
Kern stammt aus kleinen Verhältnissen in Wien-Simmering, wo er 1966 geboren wurde. Kern wurde jung Vater und dockte nach einem kurzen Intermezzo bei den Grünen bei der SPÖ an. Das Politgeschäft lernte Kern früh unter SPÖ-Klubobmann Peter Kostelka als dessen Sprecher und Bürochef. Danach stieg er über den Verbund bis zum ÖBB-Generaldirektor auf.
Er unterschätzte wohl den Alltag als Regierungschef. Umgeben von einer Quereinsteiger-Truppe mit ähnlichem Karriere-Verlauf wie seinem eigenen tat man sich schwer gegen die ausgebuffte Berufspolitiker-Truppe der ÖVP.