Aber: SP-Jugend greift Kern an
SPÖ klatscht die Krise weg
01.05.2017Trotz brutalster Zerrissenheit der Partei mahnten Kern, Häupl und Co. gestern zur Einheit.
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Vor einem Jahr hatte genau hier, am Wiener Rathausplatz, ein Pfeifkonzert Werner Faymanns Ende als Kanzler eingeläutet.
Gestern gab Kanzler Christian Kern hier seine „Tag der Arbeit“-Premiere als SPÖ-Chef. Und das nur zwei Tage nach der apokalyptischen Streichorgie am Wiener SPÖ-Parteitag.
Keine Buhs und Pfiffe
Kein Wunder, dass die Angst vor einem neuerlichen, lautstarken Protest gegen die SPÖ-Führung immens war. Doch: Pfiffe und Buhs blieben gestern aus. Die Krise wurde weggeklatscht.
Wahldebakel
Am Samstag war Bürgermeister Michael Häupl mit gerade einmal 77,4 % zum Wiener SPÖ-Chef wiedergewählt worden.
Auch der als Häupl-Nachfolger gehandelte Wohnbaustadtrat Michael Ludwig brachte es nur auf 67,8 % (siehe Story rechts).
Kanzler Kern warnte
Am Rathausplatz verlor Häupl dann kein Wort über das Wahlergebnis. Bundeskanzler Christian Kern allerdings warnte: „Die politischen Gegner sind nicht in unseren eigenen Reihen.“
Die Mehrheit der Genossen vor Ort fand lobende Worte für den kalmierenden Kanzlerauftritt. Von der Sozialistischen Jugend aber hagelte es heftige Kritik.
Gleich mehrere Großplakate wurden während der Kern-Rede entrollt. Zu lesen war da etwa: „Rote Schale. Schwarzer Kern." Oder: „Solidarität ist keine KERNkompetenz."
Der Kanzler dazu – mit signifikanter Spitze gegen Grünenchefin Eva Glawischnig: „Ich lade euch gerne zu Gesprächen ein. Ich werde niemand ausschließen, auch keine freche Jugendorganisation.“
SJ-Wien-Vorsitzende Fiona Herzog zu ÖSTERREICH: „Wir reden sehr gerne mit ihm, aber bisher war er dafür immer zu beschäftigt.“
Kern: "Habe auch linker gedacht, als ich jung war"
oe24.TV: Wie haben Sie die Stimmung am Rathausplatz wahrgenommen?
Christian Kern: Es war ein großartiger Festtag, eine Demonstration der Einigkeit.
oe24.TV: Wie wollen Sie die Partei nach dem Wiener Landesparteitag wieder einen?
Kern: Mit ganz konkreten Projekten: Erleichterungen für die Mittelschicht, Mindestlohn, Steuern für internationale Konzerne. Wenn wir klare politische Inhalte haben, werden alle dahinterstehen und sich die Dinge von allein ergeben.
oe24.TV: Wie gehen Sie mit der anhaltenden Kritik der Parteijugend um?
Kern: Als ich selbst Jungsozialist gewesen bin, habe ich auch wesentlich linker gedacht. Unsere Jungen tun das auch. Die hätten gerne die Revolution, das werden wir ihnen nicht bieten können. Wir diskutieren das kommende Woche im Kanzleramt aus.
Häupl: "Ich habe keinen Hof, bin keine Majestät"
oe24.TV: Was sagen Sie zu Ihrem mageren Ergebnis von 77,4 % am Wiener SPÖ-Parteitag?
Michael Häupl: Ich habe mir ein besseres Ergebnis erwartet für viele, die im Parteivorstand sitzen, einschließlich mir selbst. Es wurden uns gelegentlich stalinistische Ergebnisse vorgeworfen. Wir sind also ganz offensichtlich in der demokratischen Normalität angekommen. Wir haben jetzt eine gemeinsame Aufgabe und eine gemeinsame Verantwortung.
oe24.TV: Von einer frühzeitigen Hofübergabe kann also keine Rede sein?
Häupl: Es geht überhaupt nicht um eine Hofübergabe, was ist denn das für ein Blödsinn?! Es geht darum, dass man demokratisch diskutiert, wer in Zukunft die Partei führt. Ich habe keinen Hof, ich bin keine Majestät.
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