Werner Faymanns Ergebnis ist eine Spur besser als beim SPÖ-Parteitag 2012.
Die Anspannung war Werner Faymann anzusehen, als er um 15.10 Uhr auf das Podium in der Messe Wien trat. Den tiefen Seufzer konnten die 612 anwesenden SPÖ-Delegierten (640 Delegierte gibt es) beim 43. roten Parteitag deutlich hören.
Der Kanzler versuchte, mit Appellen gegen „den Neoliberalismus“ und für die Steuerreform das Herz seiner Basis zu gewinnen. Das gelang nicht wirklich: Faymann wurde mit nur 84 Prozent zum SPÖ-Vorsitzenden gewählt. Damit erzielte er nur wenig mehr als die 83,4 Prozent vom Parteitag 2012.
„Es ist eine kleine Verbesserung, trotzdem weiß ich, dass ich noch viel Überzeugungsarbeit leisten muss“, sagte Faymann um 21.20 Uhr nach Verkündung des Wahlergebnisses. Bei der Wahl zum Parteivorstand hatte er überhaupt nur 83,6 Prozent erhalten. Außer ihm verpasste nur Unterrichtsministerin Gabriele Heinisch-Hosek die 90-Prozent-Marke. Sie überzeugte 87,1 Prozent der Delegierten.
Gewerkschafter wollten die Stimmung zu drehen
Die Angst, erneut ein schlechtes Ergebnis zu erhalten, hatte sich wie ein roter Faden durch den Parteitag gezogen. Vor allem die jungen Roten rebellierten – teilweise mit unfairen Attacken – offen gegen den Chef. Die anderen – Landeshauptmänner oder Gewerkschafter – versuchten, die Stimmung zu drehen. Aber vergebens.
Der ganze Parteitag zog sich dann auch viel länger als erwartet. Die Delegierten stimmten überhaupt erst am Abend über den roten Vorstand, das Präsidium und den SP-Vorsitz ab. Nach Verkündung des ersten Ergebnisses blieb die Stimmung bleiern. Nur noch 605 Delegierte hatten überhaupt ihre Stimme abgegeben. Viele wirkten wie geschockt vom historisch schlechten Ergebnis.
Nur einer beobachtete das rote Treiben gestern ganz entspannt: Ex-SPÖ-Kanzler Viktor Klima, der zum ersten Mal seit seinem Rücktritt 2000 wieder einem Parteitag beiwohnte.
Faymann: "Verhandeln hart und gemeinsam"
- Faymann über die Steuerreform: Unsere Reformen sind für die, die sagen, wir wollen in unserem Land ein sozial gerechtes Steuersystem. Wir wollen vorzeigen, dass die Kaufkraft durch einen fairen Beitrag der Millionäre gesteigert werden kann. (…) Wir verhandeln mit der ÖVP über die Steuerreform hart, wir verhandeln gemeinsam und wir wissen ganz genau, wo das Ziel ist.
- Über den Koalitionspartner: Nur weil Reinhold Mitterlehner jetzt Chef ist, ist die ÖVP nicht anders geworden, es ist noch immer dieselbe Partei, und sie wird es uns nicht einfacher machen.
- Über die EU: Wir müssen darüber reden, wie wir stark genug werden, die Mehrheit von Konservativen und Liberalen im EU-Rat zurückzudrängen. Zeitweise war ich der einzige sozialdemokratische Regierungschef dort, ich wurde als „letzter Mohikaner“ belächelt.
- Über die Bildungspolitik: Wir wissen, dass wir in Bildungsfragen nicht sparen dürfen. Wer an der Bildung spart, spart an der Zukunft des Landes. Mit uns sicher nicht.
Redeschlacht zwischen Parteispitze und Basis
Am Parteitag muckten Junge auf – die Parteispitze flehte um Geschlossenheit.
Ein Alter – ein(e) Junge(r). Der Parteitag geriet zum Schlagabtausch zwischen Parteiführung und Parteibasis, allen voran der Parteijugend.
- „Vermögenssteuer“. So warf SJ-Chefin Julia Herr der Parteispitze vor, Glaubwürdigkeit verspielt zu haben: „Wir müssen die Große Koalition einengen. Entweder Vermögenssteuer, oder es gibt eben keine Koalition mit uns.“
- „Unverständlich“. Gewerkschafter Josef Muchitsch konterte: Es sei „unverständlich“, dass manche Delegierte ihr Nein zum Kanzler kundgetan hatten.
- „Geschlossenheit“. Auch Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser und Pensionisten-Boss Karl Blecha forderten Geschlossenheit: „Es liegt an uns, darüber zu bestimmen, was die Medien morgen über diesen Parteitag schreiben.“
- „Sonntagsreden“. VsStÖ-Chef Rasha Abd El Mawgoud wandte sich vehement gegen „Pseudo-Scheingeschlossenheit“. Der steirischer Gemeinderat Udo Hebesberger wetterte gar: „Ich habe Sonntagsreden wie die Faymanns satt.“
- „Flachmann“. Postbus-Gewerkschafter Robert Wurm konterte: Interne Kritik sei okay, für destruktive Kritik gebe es aber einen „Flachmann“.
SPÖ-Jugend fordert Cannabis-Abstimmung
Der SPÖ-Parteitag wird heute über die Freigabe von Haschisch abstimmen.
Eigentlich wollte sich die SPÖ das ersparen. Die Parteitagsregie sah vor, dass der Cannabisfreigabe-Antrag der Sozialistischen Jugend mit einem Antragspaket in der Versenkung verschwindet.
- Herr besteht auf Votum: Doch die SJ will das nicht hinnehmen: Wie sie am Freitag gegenüber ÖSTERREICH bestätigte, will SJ-Chefin Julia Herr eine Abstimmung über ihren Antrag („Besser bekifft ficken als besoffen fahren“) erzwingen. Es sei denn, es komme noch ein Kompromiss zustande, der eine Entkriminalisierung der Kiffer fordert. Die Abstimmung wird spannend: Sind gerade nicht alle Delegierten im Raum, können nur wenige Stimmen den Ausschlag geben.
- Urabstimmung: Sicher durch geht eine brisante Statutenänderung. 22.000 SPÖler können künftig eine Partei-Urabstimmung fordern, etwa über Koalition und Neuwahlen.
- Sichere Frauenquote: Der Parteivorstand soll Durchgriff auf alle Wahllisten bekommen, um die 50-%- Frauenquote durchzusetzen. Dafür braucht es eine Zweidrittelmehrheit.
Video vom Parteitag
© APA/HERBERT NEUBAUER
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