Mega-Minus

SPÖ und ÖVP uneins bei Sanierung der Krankenkassen

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SPÖ-Gesundheitsminister Stöger will die Kassen nächstes Jahr entschulden, ÖVP-Klubchef Kopf dagegen - wie vereinbart - erst 2010.

ÖVP-Klubchef Karlheinz Kopf beharrt bei der Entschuldung der Krankenkassen auf die Regierungsvereinbarung. Dort ist vereinbart, dass die Teilentschuldung der Krankenkassen durch den Bund in Höhe von 450 Mio. Euro erst im Jahr 2010 beginnt. SPÖ-Gesundheitsminister Alois Stöger will den defizitären Krankenkassen angesichts des drohenden Konkurses der Wiener Gebietskrankenkasse aber schon nächstes Jahr unter die Arme greifen.

Eh schon halbe MwSt.
Immer mehr Geld für die Kassen ist für Kopf keine ausreichende Antwort. Den von Stöger geforderten Ersatz für versicherungsfremde Leistungen würden sie mit der Halbierung der Mehrwertsteuer auf Medikamente im Wert von 250 Mio. Euro "mehr als reichlich erhalten". Nun seien die Kassen am Zug, ernsthafte Einsparungsbemühungen zu zeigen, findet der schwarze Klubchef.

Zinsen jenseits von Gut und Böse
Stöger hat es mit der Entschuldung der Kassen deshalb eilig, weil die horrenden Zinsen "den Versicherten direkt abgehen". Deshalb gelte hier das Motto: "Je schneller desto besser." Wie genau der Entschuldungsplan aussieht und bis wann er abgeschlossen sein soll, ist noch offen. Mit Ende des Jahres haben die Kassen ein negatives Eigenkapital von 1,2 Milliarden Euro.

Schwarz-Blau nicht schuld
"Nichts anfangen" kann Kopf mit Stögers Behauptung, das Defizit der Kassen sei von früheren Regierungen "systematisch organisiert" worden. Er wertet das aber nur als "kleinen, ideologiegetriebenen Ausrutscher eines neuen Regierungsmitgliedes", den er nicht überbewerten will.

Oder doch?
Für Stöger haben sich die Krankenkassen nicht selbst in die Misere gebracht, das Defizit sei von der früheren schwarz-blauen bzw. schwarz-orangen Regierung verursacht worden. Laut Rechnungshof wurden der WGKK allein im Jahr 2006 108 Mio. Euro entzogen. Grund waren der Transfer der Vertragsbediensteten zur Beamtenversicherung und versicherungsfremde Leistungen, das Wochengeld, die Leistungen für Arbeitslose und der im Vergleich zu anderen Versicherungen geringe Hebesatz für Pensionisten.

Verordnetes Minus ersetzen
Der Gesundheitsminister will diese Maßnahmen zwar nicht rückgängig machen, er fordert aber, dass der Staat den Kassen das Geld dafür ersetzen soll. Wenn man Leistungen per Gesetz beschließe, müsse man auch die Finanzierung sicherstellen.

Pharmaindustrie umstritten
Die Pharmaindustrie nahm Kopf gegenüber Stöger in Schutz. Sie leiste mit Finanzierungssicherungsbeiträgen in Höhe von insgesamt 180 Mio. Euro einen substanziellen Sanierungsbeitrag für die Krankenkassen.

Medikamente zu teuer
Stöger dagegen hält diese in einem Vertrag mit dem Hauptverband zugesagten Einsparungen von 180 Mio. für nicht ausreichend. Die Pharmawirtschaft solle weniger für Werbung und mehr für Forschung ausgeben, dann könnte sie den Menschen auch kostengünstigere Medikamente anbieten, findet der Sozialdemokrat.

Gefinkelte Preispolitik
Die Medikamenten-Kosten dürften nicht wie derzeit um acht bis zehn Prozent jährlich steigen sondern maximal im Bereich des BIP-Wachstums. Dem Minister ist zwar bewusst, dass er keine Zwangsmaßnahmen zur Verfügung hat, er strebt aber eine Preispolitik an, die es der Pharma-Wirtschaft schwerer macht, ihre Profitinteressen durchzusetzen.

"Bunte Wege" zur Gesundheitsreform
Neben der Entschuldung der Kassen will Stöger eine umfassende Gesundheitsreform vorbereiten. Dabei will er "bunte Wege gehen", sprich die Reform mehr den regionalen Strukturen überlassen. "Im Bezirk Rohrbach brauchen die Menschen etwas anderes als in Radkersburg", bringt es der Oberösterreicher auf den Punkt. Man müsse zwar österreichweite Ziele definieren, aber dann überlegen, auf welchem Weg man in welcher Region dem Ziel am nächsten komme. Er wehre sich gegen eine Einheit, die das Leben nicht abbilde.

Alter Sozialpartner-Plan bringt nichts
An dem im Frühjahr gescheiterten Sozialpartner-Papier zur Gesundheitsreform kritisiert Stöger, dass es keine Innovationen in Gesundheitsfragen, sondern eher Macht- und Strukturfragen in den Mittelpunkt gestellt habe. Damit könnten keine Probleme gelöst werden. Zu der darin vorgeschlagenen Reform des Hauptverbandes stellt der Minister fest, dass der Hauptverband "nicht der geeignete Ansprechpartner" für das Gesundheitswesen insgesamt sei.

Finanzierung aus einer Hand?
Skeptisch ist Stöger auch bezüglich der von vielen Experten geforderten Finanzierung des Gesundheitswesens aus einer Hand. Er neige zwar zu einer einheitlichen Steuerung, aber: Wichtig sei, dass die Financiers auch mitentscheiden dürfen, im Spitalsbereich wäre das nicht der Fall. Wenn die Sozialversicherung die Hälfte der Spitalskosten trage, müsse sie auch mitgestalten können. "Die Geld- und die Entscheidungsverantwortung müssen in eine Hand kommen."

Finanzpakt mit Ländern bleibt
Den bis 2013 laufenden Finanzausgleich will Stöger nicht aufschnüren, er will aber bis 2011 Grundlagen für bessere Steuerungsinstrumente erarbeiten, die dann ab 2013 wirksam werden können. Es sei jedoch nicht verboten, auch vorher schon etwas Sinnvolles umzusetzen.

Patienten nicht weiter belasten
Die Verbreiterung der Beitragsgrundlage sei "derzeit nicht aktuell", stellte Stöger nach Kritik vor allem vonseiten der Wirtschaft an seinem Vorschlag fest. Diesen Punkt habe er nur angesprochen, weil er gefragt worden sei, welche Möglichkeiten es gebe, mehr Geld ins System zu bekommen. Er gehe aber davon aus, dass man mit dem vorhandenen Geld auch auskommen könne.

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