Der Pakt mit der ÖVP könnte für die SPÖ zum Boomerang werden. Es gibt kritische Stimmen und erste Parteiaustritte. Im ÖSTERREICH-Interview zeigt sich Ex-Vizekanzler Hannes Androsch entsetzt über die SPÖ
Nach außen hin feierte die SPÖ die Fixierung der neuen Regierung. Aber im Inneren beginnt es unter den Sozialdemokraten immer stärker zu brodeln. Kritiker erregen sich über das matte Verhandlungsergebnis, vor allem aber darüber, dass die SPÖ alle wesentlichen Ministerposten der ÖVP überließ. Bundeskanzler in spe Alfred Gusenbauer lenkte nicht nur bei allen wesentlichen inhaltlichen Fragen ein. Sogar bereits als sicher geglaubte Top-Ministerien gingen in letzter Sekunde an die ÖVP.
SP-Urgestein Hannes Androsch wettert im ÖSTERREICH-Interview: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass der SP-Vorstand diesem Ergebnis zustimmt.“ Lesen Sie hier das komplette Interview.
Ein anderer hoher SP-Funktionär berichtet enttäuscht: „Es gab mehrmals Vorstöße, dem Verhandlungsteam jemanden beizuziehen, der schon erfolgreiche Regierungsverhandlungen hinter sich hat, etwa Peter Kostelka, Hannes Sereinig oder Karl Krammer.“ Doch das alles sei abgeblockt worden. „Die eine oder andere Kröte kann man schlucken, doch vier auf einmal – das gibt eine Magenverstimmung.“
Parteiaustritte
Auch auf regionaler Ebene brodelt es. „Es gibt
schon die ersten Parteiaustritte“, so ein enttäuschter Basisfunktionär. Am
Gang und im SP-Büro schütteln alle nur noch den Kopf. Der Unmut bei den
Funktionären werde sich in den nächsten Tagen entladen. Für die nächsten
Wahlen schaue es schlecht aus.
Auch Junge SPÖ entäuscht
"Die bisherigen
Ergebnisse der Regierungsverhandlungen beinhalten viel zu wenig SPÖ und viel
zu viel ÖVP. Die ÖVP ist für ihre Politik des Sozial- und Bildungsabbaus
abgestraft worden, das muss sich auch in der Politik der nächsten Jahre
widerspiegeln!" Mit diesen Worten kritisiert der Landesvorsitzende der
Sozialistischen Jugend OÖ, Michael Lindner, die Regierungsverhandlungen
zwischen SPÖ und ÖVP. Am Montagabend hatten sich außerdem 150 Vertreter von
SPÖ-Jugendorganisationen vor der SPÖ-Zentrale versammelt, um lautstark gegen
das ausverhandelte Studiengebühren-Modell zu protestieren.
Umfaller 1: Studiengebühren bleiben
Erfreut zeigt sich LH
Josef Pühringer (VP) gegenüber ÖSTERREICH. „Die Studiengebühren bleiben,
weil sie gerecht und sozial abgefedert sind. Mit Gemeinwohlarbeit für sechs
Euro die Stunde kann man sich ja die Studiengebühren erarbeiten.“
Umfaller 2: Mindestsicherung
Aus den 800 Euro wurden 726, aus
dem Projekt der Grundsicherung für alle eine Mindestsicherung, bei der auch
hier in letzter Konsequenz der Dienst am Gemeinwesen notwendig ist.
Umfaller 3: Ministerien
Alle Schlüssel-Ministerien gehen an die
ÖVP. Darunter Äußeres, Finanzen – auch Inneres. Schüssel hat der
Arbeiterpartei sogar den Bereich Beschäftigung wegverhandelt. Gusenbauer
bleiben neben dem Kanzleramt Frauen, Unterricht (ohne Wissenschaft),
Soziales und Justiz. Einziger Wermutstropfen: Verteidigung steht nun auch
unter roter Führung. Somit wandert das heiße Eisen Eurofighter in die
Beinahe-Entscheidungshoheit der SP. Cap gibt sich zerknirscht: „Was heißt,
wir hätten Ministerien abgegeben? Wir haben sechs Jahre lang gar nichts
gehabt! So schaut’s aus.“ Pühringer: „Wenn ich mir das Verhandlungsergebnis
anschaue, bin ich stolz auf die ÖVP.“