Paukenschlag vor Wien-Wahl: Schwarze Bezirksvorsteherin kandidiert für die FPÖ
Dieser Coup ist FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache gelungen. Die ÖVP-Bezirksvorsteherin der Inneren Stadt, Ursula Stenzel, tritt bei der Wien-Wahl am 11. Oktober für die FPÖ an. Das gaben beide gemeinsam am Dienstag bekannt.
Stenzel begründete ihren überraschenden Wechsel so: „Die Ausgrenzungspolitik gegenüber der FPÖ muss endlich ein Ende haben. Ich sehe mich als Signal, dass die FPÖ wählbar ist“ (siehe Interview rechts). Sie revanchiert sich damit bei der ÖVP, die sie trotz ihrer Erfolge im ersten Bezirk nicht mehr aufgestellt hatte. Ihr „Outing“ habe sich Stenzel lange überlegt. Zunächst hatte sie auch mit Stronach gesprochen, doch der wollte im Gegensatz zur FPÖ ihren kostspieligen Wahlkampf nicht zahlen. Auf einer eigenen Liste wäre Stenzel chancenlos gewesen.
Entscheidung, zu wechseln, fiel im »Hotel Sacher«
Die Entscheidung, zur FPÖ überzulaufen, sei bei mehreren Gesprächen „im Hotel Sacher“ gefallen, berichten Stenzel und Strache. Beide haben ein gemeinsames Ziel: „Die rot-grüne Dominanz in Wien brechen.“ Der ÖVP traue sie das nicht zu, so Stenzel, die ihre ÖVP-Mitgliedschaft am Montag zurückgelegt hat.
Die 69-jährige frühere EU-Politikerin bestreitet, dass es ihr um Machterhalt gehe: „Da kann ich nur lachen, ein Bezirksvorsteher hat doch keine Macht.“ Strache erwartet aber sehr wohl, dass er mit Stenzel den ersten Bezirk holt. Sie wäre dann die erste blaue Bezirksvorsteherin, die Wien je hatte.
Wechsel könnte Rot und Grün im 1. Bezirk helfen
Die ÖVP bereut spätestens jetzt, Stenzel vergrault zu haben. Denn auch wenn sie nicht Bezirksvorsteherin bleibt, könnte ihre Kandidatur die ÖVP entscheidende Prozentpunkte kosten. Skurril: Rot und Grün könnten davon profitieren, analysiert Politikexperte Thomas Hofer (siehe links). Entsprechend fällt die Reaktion des Wiener ÖVP-Chefs Manfred Juraczka zu Stenzels Wechsel aus: „Ich bin schockiert und menschlich enttäuscht.“D. Knob
Stenzel: »Gegen die rot-grüne Dominanz.«
Ursula Stenzel: Die Ausgrenzungspolitik gegenüber der FPÖ muss endlich ein Ende haben. Die Blauen sind eine demokratisch gewählte Partei, fälschlicherweise als neofaschistisch und rassistisch stigmatisiert. Und natürlich will ich die rot-grüne Dominanz in Wien brechen und verhindern. Ich sehe mich als Signal, dass die FPÖ wählbar ist.
ÖSTERREICH: Wann ist die Entscheidung gefallen?
Stenzel: Nach zahlreichen Gesprächen ist sie langsam gereift, aber schlussendlich sehr schnell im August gefallen.
ÖSTERREICH: Sind Sie auf Strache zugegangen oder umgekehrt?
Stenzel: Ich war sehr passiv.
ÖSTERREICH: Kritiker werfen Ihnen reinen Machterhalt vor.
Stenzel: Ich bin doch nicht machtgeil. Und über den Vorwurf kann ich nur lachen, weil: Was für eine „Macht“ hat ein Bezirksvorsteher? Ich habe es nur mit den Bürgern geschafft, und das werde ich auch weiterhin tun.
ÖSTERREICH: Werden Sie durch diese Entscheidung Ihre gemäßigten Wähler verprellen?
Stenzel: Meine Wähler kennen mich. Ich habe mich nicht verändert und stehe auch nach wie vor zu meinen Werten. Ich bekenne mich zu meiner jüdisch-christlichen Herkunft. Und nach wie vor stehe ich für eine bürgerliche Politik, die sehr umfassend ist.
Politexperte Thomas Hofer im Gespräch
ÖSTERREICH: Wem nützt dieser Wechsel?
Thomas Hofer: Beiden. Das ist sowohl für Strache als auch für Stenzel eine Win-win-Situation. Für Strache ist es zumindest ein symbolischer Sieg, eine bürgerliche Ikone an sich zu binden. Und Stenzel tut der ÖVP richtig weh – für sie ein persönliches Motiv.
ÖSTERREICH: Kann der erste Bezirk mit ihr blau werden?
Hofer: Das wäre eine Sensation. Stenzel kann gekoppelt mit dem Asylthema einen Teil ihrer Anhänger mitnehmen, aber ich glaube nicht, dass sich so viele Prozent verschieben. Aber Treppenwitz der Geschichte: Der Wechsel könnte in der City Rot oder Grün helfen.