Sensationelle Zwischenbilanz: Brauchen wir jetzt noch ein Sparpaket.
Solche Daten legt ein Finanzminister eine Woche vor einer wichtigen Wahl gerne auf die Sonntagstische der Nation: Josef Pröll präsentierte am Wochenende die August-Bilanz der Steuereinnahmen. In den ersten acht Monaten hat der Staat 41,34 Milliarden Euro eingenommen – um sensationelle 4,7 % mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Umsatzsteuer (plus 5,4 %), Einkommenssteuer (plus 8,7 %), Körperschaftssteuer (sogar plus 17,4 %) – alles sprudelt.
2010 Rekordeinnahme bei den Steuern möglich
Jetzt wird das restliche Jahr spannend. Denn: Sowohl Kanzler Werner Faymann als auch Vize Josef Pröll hoffen mit Recht auf die weiter anziehende Konjunktur und sinkende Arbeitslosigkeit. Hält der Trend mit 4,7 % Steuerplus an, ergibt eine ÖSTERREICH-Hochrechnung einen neuen Steuerrekord: Dann fließen 67,06 Milliarden Euro an Steuereinnahmen in den Staatshaushalt – der höchste Wert aller Zeiten und ein Plus von sensationellen 3,01 Milliarden.
Dieser Wert ist nicht nur symbolhaft, er hat auch enorme politische Konsequenzen: Denn: Mit mehr als drei Milliarden Euro Mehreinnahmen verdient der Finanzminister fast gleich viel Geld zusätzlich, wie das von der Koalition vereinbarte Sparpaket für 2011 bringen soll – im nächsten Jahr sollte das Defizit ja um 3,4 Milliarden Euro reduziert werden.
Andersrum gesagt: Ein Sparpaket ist nicht mehr zwingend notwendig – gemacht wird es trotzdem.
In ÖSTERREICH-Interviews sagen Kanzler und Vizekanzler nun erstmals, was sie mit dem Milliarden-Geldregen anfangen wollen: Beide möchten trotz Mehreinnahmen eisern sparen und das Budget sanieren – Faymann will das Geld in Bildung investieren, Pröll auf einige Steuererhöhungen verzichten.
Faymann: "Das Plus gezielt für die Bildung einsetzen"
ÖSTERREICH: Ist die Krise mit den Rekord-Steuereinnahmen geschafft – und vorbei?
WERNER FAYMANN: Sicher nicht. Die Krise ist so lange nicht vorbei, solange wir es auf EU-Ebene nicht schaffen, die Ursache zu beseitigen – und den Spekulanten das Handwerk legen. Wir brauchen endlich eine wirksame Steuer für Finanztransaktionen und harte Regeln gegen Spekulanten. Leider ist deren Lobby so stark, dass sie die Spekulationssteuer in der EU nach wie vor blockieren.
ÖSTERREICH: Was bedeutet der Rekord an Steuereinnahmen – 3 Milliarden mehr als geplant?
FAYMANN: Das Steuer-Plus ist schön und bedeutet, dass wir mehr Spielraum für Bildung und Unis im Budget haben. Aber man soll den Optimismus nicht übertreiben. Die Budgetkonsolidierung ist beschlossen und muss so halten.
ÖSTERREICH: Ihre Forderung nach Banken- und Vermögenssteuer bleibt wie bisher?
FAYMANN: Meine Vorschläge liegen am Tisch: 500 Millionen aus der Bankensteuer und Vermögenszuwachssteuer – das muss bleiben. Massensteuern habe ich immer abgelehnt – und die neuen Zahlen zeigen: Ich hatte recht.
ÖSTERREICH: Kann man nicht auf neue Steuern verzichten?
FAYMANN: Bankensteuer und die Vermögenszuwachssteuer müssen wie geplant durchgezogen werden. Ich bin dafür, dass wir den nicht geplanten Steuerzuwachs im neuen Budget ganz gezielt für Bildung und Unis einsetzen.
Pröll: "Weniger neue Steuern, wenn Konjunktur so bleibt"
ÖSTERREICH: Müssen wir dank Steuerplus weniger sparen?
Josef Pröll: Erfreulich ist, dass die Konjunkturprogramme greifen und die Arbeitslosigkeit sinkt. Die Konsolidierung bleibt die Aufgabe, die ich mit dem Kanzler zu bewältigen habe. Mehreinnahmen ändern nichts an der Notwendigkeit zu sparen. Wir müssen das Fundament für die Zukunft legen und aufpassen, dass die Schulden uns nicht erdrücken.
ÖSTERREICH: Sind weniger neue Steuern denkbar?
Pröll: Läuft die Konjunktur weiter so gut, bräuchte man weniger neue Steuern, weil ein Teil der notwendigen Einnahmen durch die bessere Konjunktur hereinkommt.
ÖSTERREICH: Welche der diskutierten Steuern entfallen?
Pröll: Ich habe nur angeregt, das Steuersystem zu ökologisieren. Neue Steuern habe ich bisher nicht vorgeschlagen. Das war klug so.
ÖSTERREICH: Sind die 500 Millionen für die Bankenabgabe weiter in Stein gemeißelt?
Pröll: Diese Summe ist mit Koalitionspartner und Banken beim Bankengipfel so besprochen worden.
ÖSTERREICH: Der Kanzler will etwa auch Vermögenssteuern …
Pröll: Es ist bekannt, dass wir von der ÖVP ein Problem mit Eigentumssteuern haben. Ich denke, es wäre auch dem Kanzler das Liebste, wenn wir keine Belastungen bräuchten. Wir entscheiden das Notwendige gemeinsam, ohne den Partner und die Steuerzahler zu überfordern.