Die Einnahmen des Finanzministers stiegen um 4 Prozent.
Der Chef des Staatsschulden-Ausschusses sorgte zuletzt für Zündstoff in der entscheidenden Budgetdebatte, die Montag im Parlament beginnen wird: „Die Steuereinnahmen stiegen bisher im Vergleich zum Vorjahr um vier Prozent. Am Jahresende werden wir wohl 1,5 Milliarden Euro mehr an Steuern eingenommen haben als geplant“, verkündet IHS-Chef Bernhard Felderer eine Botschaft, die sich als zweischneidiges Schwert für Finanzminister Josef Pröll herausstellen sollte.
Europaspitze 1: Defizit sinkt unter 3 Prozent
Denn mit diesem Geldregen und weiteren zwei Milliarden Euro, die der Finanzminister weniger für den Zinsendienst zahlt als er selbst veranschlagt hat, kann Felderer unter dem Strich eine sensationelle Budget-Entwicklung prognostizieren: „Wir werden schon 2010 weit unter den vorhergesagten 4,5 Prozent Defizit liegen. Und statt einer Neuverschuldung von 3,2 Prozent des BIP erwarte ich, dass wir 2011 unter den magischen drei Prozent liegen werden. Damit sind wir Europaspitze.“ Nur Deutschland, das heuer schon sein Krisen-Defizit unter die 3-Prozent-Marke drückt, Finnland, Estland und Luxemburg liegen damit in der Eurozone besser als Österreich.
Europaspitze 2: Wir sind Höchst-Steuerland der EU
Beim Finanzminister kommt nicht nur wegen der eklatanten Rechenschwäche in den Vorhersagen darüber wenig Freude auf: Denn Österreich ist gar nicht so sehr wegen eines schmerzlichen Sparkurses zum Sparefroh der EU geworden. In Wirklichkeit sind wir mit einer Steuerquote von bald 44 Prozent – laut Experten wären 40 Prozent das Höchste des wirtschaftlich Verträglichen – eines der Top-3-Hochsteuerländer der Eurozone.
Nur das krisengebeutelte Belgien liegt derzeit noch vor uns. Im nächsten Jahr könnte Frankreich Österreich überholen, sagen die EU-Auguren mit Blick auf das Pariser Sparpaket. Österreich wäre damit immer noch an dritter Stelle der Euro-Länder, EU-weit wären nur noch Schweden und Dänemark bei der Steuerbelastung knapp vor der Alpenrepublik.
Entlastung kommt angesichts der Adleraugen, mit denen die internationalen Rating-Agenturen Kleinstaaten wie Österreich beobachten, dennoch nicht in Frage – Standard and Poor’s hat schon offen damit gedroht, dass Österreich wegen einer fehlenden Pensionsreform die höchste Bonitätsstufe Triple A, die nur 14 Staaten der Welt haben, verlieren könnte. „Das gesamte Geld muss zum Schuldenabbau verwendet werden. Steuersenkungen sind erst in sieben Jahren drin“, sagt Felderer.
Opposition: Steuerzahler wollen ihr Geld zurück
Und dennoch wird die Budgetdebatte ab Montag für Pröll alles andere als ein Spaziergang. Denn die Opposition kündigt jetzt schon an: „Die Steuerzahler wollen ihr Geld zurück.“ Und in seiner 12-stündigen Marathonrede im Budgetausschuss hat der Grüne Werner Kogler schon die zweite Marschrichtung der Kritik am Pröll-Budget angekündigt: „Die Grausamkeiten für Familien, Streichungen bei Studenten und Kürzungen im Sozial- sowie Entwicklungshilfebereich sind gerade angesichts der guten Konjunktur unmenschlich.“
Statt Weihnachtsfrieden droht Pröll ein heißer Tanz im Hohen Haus – samt totaler Budget-Blockade.
Pröll: "Handlungsbedarf bei Pensionen, Bildung"
ÖSTERREICH: Am Donnerstag hat der Grüne Werner Kogler über zwölf Stunden gegen Ihr Budget geredet. Wie hat es Ihnen gefallen?
Josef Pröll: Über 12 Stunden? Das ist immerhin eine beachtliche körperliche Leistung. Inhaltlich war es nicht ganz so beachtlich.
ÖSTERREICH: Wirtschaftsforscher sagen zwar eine gute Konjunktur voraus – durch höhere Steuereinnahmen wird auch das Budget saniert. Dennoch sehen sie unser Triple-A-Rating in Gefahr, wenn es keine Reformen gibt.
Pröll: Nein, die Regierung ruht sich sicher nicht aus, schon gar nicht auf höheren Steuereinnahmen. Die besseren Wirtschaftsaussichten fallen auch nicht vom Himmel. Die Basis dafür hat die Regierung gelegt, Unternehmen und Arbeitnehmer haben die Chancen genutzt. Aber ja, genau sowie die Wirtschaftsforscher sehe ich weiteren Handlungsbedarf, das ist keine Frage.
ÖSTERREICH: Wo sehen sie diesen Handlungsbedarf?
Pröll: Die Themen liegen auf der Hand: vor allem in der Bildung – in den Schulen genauso, wie auf den Universitäten. Aber beispielsweise genauso bei der langfristigen Absicherung unseres Gesundheitssystems oder unseres Pensionssystems. Schließlich auch bei der Pflege oder etwa beim Themenbereich Migration, Integration und Diversität. All das natürlich vor dem Hintergrund der Fragen Wachstum, Schuldenentwicklung und Föderalismus.
ÖSTERREICH: Sie sind als Reformer angetreten und haben nun Wähler-Vertrauen verloren ...
Pröll: Als Politiker habe ich immer versucht, auch unangenehme Dinge beim Namen zu nennen. Es ist schwierig, es gibt viele Bremser, aber ich drücke mich nicht weg und will weiterkommen.
ÖSTERREICH: Bedauern Sie, dass Ihr Budget nicht ambitionierter war?
Pröll: Ich stehe zu diesem Budget. Es ist der Kompromiss, der in der Regierung möglich war, und es ist ein guter Kompromiss. Gerade in schwierigen Zeiten, wenn nicht alles, was man in der Regierung machen muss, populär ist, sollte politische Führung sich durch Verlässlichkeit auszeichnen. Man soll zu den Dingen, die man ausverhandelt, auch stehen. Das tue ich.
ÖSTERREICH: Am 19. Jänner veranstalten Sie und Faymann einen Neujahrsempfang. Was erwartet uns da. Neues Kuscheln für 2011?
Pröll: Kuscheln? Ha, das hab ich aber lange nicht mehr gehört! Aber, im Ernst: Begraben wir doch diese etwas simple und blöde Zuschreibung und reden wir über die Realität: Es geht um ordentliche Zusammenarbeit. Es wird 2011 darum gehen, dass sich diese Regierung als eine Bundesregierung begreift, die gemeinsam für Österreich etwas weiterbringen will.
ÖSTERREICH: Faymann möchte die Bildung zum Hauptthema für 2011 machen und offenbar auf Konfrontationskurs mit der VP gehen. Wie wollen Sie reagieren?
Pröll: Sehen sie, da sind wir am Punkt: Werner Faymann ist eben nicht nur der SPÖ-Vorsitzende, sondern vor allem Bundeskanzler, und ich denke, dass er als Bundeskanzler nicht klug beraten wäre, wenn er die Bildungschancen unserer Kinder zu einem parteipolitisches Profilierungsthema macht und die Konfrontation sucht. Allerdings denke ich, dass für Werner Faymann und mich klar ist: Bei der Bildung geht es um eine gemeinsame Herausforderung für die Bundesregierung. Bei ordentlicher Zusammenarbeit wird es uns gelingen, viel Gutes für die Zukunft unserer Kinder auf den Weg zu bringen.
ÖSTERREICH: Die SPÖ will die Zehn-Prozent-Klausel für die neue Mittelschule streichen und diese österreichweit ausbauen. Vorstellbar?
Pröll: Wie Sie wissen, arbeitet die ÖVP gerade an einem neuen Bildungspapier. Anfang nächsten Jahres werden wir das Ergebnis präsentieren. Mir ist wichtig, dass für die Kinder etwas weitergeht, dass sie optimale Chancen haben und ihrem Potenzial entsprechend gefordert werden.
ÖSTERREICH: SP-Geschäftsführerin Rudas kündigt an, in der Schulfrage „den Druck zu erhöhen“. Ihre Antwort?
Pröll: Ich wünsche Frau Rudas erholsame Feiertage. Nächstes Jahr wird weitergearbeitet, da kann sie sich konstruktiv einbringen.
ÖSTERREICH: Androsch macht ein Bildungsvolksbegehren. Auch die ÖSTERREICH-Bildungsaktion hat große Leser-Resonanz. Sympathien?
Pröll: Es soll dann zwei verschiedene Volksbegehren zur Bildung geben? Nun gut, jeder, wie er will. Aber zu Ihrer Frage: Bildung ist das zentrale Thema 2011, und da erwarte ich, dass es uns in der Politik gelingt, ideologische Scheuklappen abzulegen, um eine gemeinsame Lösung zu bringen.
ÖSTERREICH: Die SP-Landeshauptleute sind nun auch für Studiengebühren. Erfreut?
Pröll: Die Bildungszukunft wird ja nicht allein an den Schulen entschieden, sondern gerade auch an den Universitäten. Wir brauchen bessere Bedingungen für Forschung und Lehre. Da sind Studiengebühren ein Thema der sozialen Gerechtigkeit. Aber wir müssen auch dringend die Frage der Zugangsregelungen klären, sonst werden bestimmte Fächer überrannt, und wir bekommen ein Chaos auf den Unis. Ich hätte das gerne vor Weihnachten erledigt. Das Umdenken der SPÖ-Landeshauptleute ist erfreulich. Die Wissenschaftsministerin ist daher sicher an einer Allianz auch mit den SPÖ-Landeshauptleuten interessiert, um Chaos auf den Unis zu verhindern.
ÖSTERREICH: Können Sie sich einen rot-schwarzen Abtausch Neue Mittelschule gegen Studiengebühren vorstellen?
Pröll: Es geht nicht um einen Abtausch, sondern um eine gute Lösung für Schüler wie für die Studenten, und die ist in beiden Fällen möglich.
Interview: Isabelle Daniel