Im Frühjahr wurden noch rasche Fortschritte angekündigt, jetzt herrscht Stillstand.
Der Rechnungshofbericht zum ORF war eigentlich ein Anlass für SPÖ und ÖVP gewesen, im Frühjahr rasche Reformschritte anzukündigen. Doch derzeit herrscht dem Vernehmen nach bei den Gesprächen zwischen SPÖ und ÖVP über die Novellierung des ORF-Gesetzes praktisch Stillstand. Lediglich eine Einigung bei der Umsetzung der audiovisuellen Medienrichtlinie der EU zeichnet sich vorerst ab. Daneben liegt in den Schubladen der Regierungsparteien ein Initiativantrag zur Streichung der für den ORF kostenintensiven Faxwahl von Mitgliedern des ORF-Publikumsrats. Für die Umsetzung des EU-Beihilfenverfahrens zum ORF, dessen Ende in den nächsten Wochen erwartet wird, hat die Regierung eine Frist von einem Jahr.
Entgegengesetzte Standpunkte
Diametral entgegengesetzte
Standpunkte zwischen SPÖ und ÖVP gibt es indes bei wesentlichen Themen wie
Beschickung, Größe und Aufgabenverteilung der ORF-Gremien, Größe und
personelle Besetzung der ORF-Geschäftsführung, der Frage der Refundierung
der Gebührenbefreiungen, bei ORF-Aufsicht und -Kontrolle durch die
Medienbehörde, der Festlegung der ORF-Gebühren, der Kontrolle des
öffentlich-rechtlichen Auftrags sowie den Werbemöglichkeiten für den ORF.
Die SPÖ betreibe die Geschäfte des ORF, heißt es aus der ÖVP. In der SPÖ
glaubt man hingegen, die ÖVP wolle den ORF zugunsten der
Privatrundfunkanbieter beschneiden und die Macht im ORF wieder an sich
reißen. "Man ist in fast alle Punkten auseinander", so ein Beobachter.
Zugeständnisse oder Totalumfaller
So gibt es einen Entwurf
zum neuen ORF-Gesetz aus dem Büro von Medien-Staatssekretär Ostermayer, der
laut ÖVP in enger Abstimmung mit dem Küniglberg erstellt worden sei, und
dazu eine umfangreiche Stellungnahme der ÖVP mit deren Positionen und
vorgeschlagenen Gesetzesformulierungen. In der Tiefe der Sache komme man
freilich nicht voran, war zu hören. Eine Einigung werde es wohl nur dann
geben, wenn es "entweder einige SPÖ-Zugeständnisse oder einen Totalumfaller
der ÖVP gibt".
Ursprünglich hatten es SPÖ und ÖVP recht eilig gehabt mit einem neuen ORF-Gesetz und unter anderem eine Verkleinerung des ORF-Stiftungsrats ohne Oppositionsvertreter geplant. SP-Kanzler Werner Faymann hatte der ORF-Führung die Rute ins Fenster gestellt, SPÖ-ÖVP-Pläne über einen Austausch des ORF-Direktoriums machten die Runde. Nach einem öffentlichen Aufschrei nahm man Druck heraus. Beim Kanzlerfest Anfang Juli meinte Faymann vor einer Runde von Journalisten, dass er wegen wegen der öffentlichen Diskussion und der millionenschweren Abfertigungsansprüche von einer Ablöse der ORF-Geschäftsführung Abstand genommen habe. Außerdem könne er sich eine bessere Berichterstattung als jetzt ohnehin nicht wünschen, so der SPÖ-Chef vor den verblüfften Journalisten. Die Verhandlungen über eine ORF-Gesetzesreform ziehen sich seit damals schleppend dahin.