ÖVP-Generalsekretär und Kickl-Kritiker übernimmt angeschlagene Volkspartei - und soll auch unter FPÖ-Chef Vizekanzler bleiben.
ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker ist am Sonntag vom ÖVP-Vorstand einstimmig zum geschäftsführenden ÖVP-Chef designiert worden. Stocker folgt Karl Nehammer nach, der am Samstag nach dem Abbruch der Koalitionsverhandlungen mit der SPÖ seinen Rückzug als Parteichef und auch als Bundeskanzler angekündigt hatte.
Nehammer tritt am Freitag als Kanzler ab
Rücktritt. "Der Rücktritt passiert am Freitag", erklärte Noch-Kanzler Karl Nehammer dann gestern in seiner letzten Folge seines Podcasts "Karl, wie geht's. Er habe immer das Ziel gehabt, eine Regierung ohne FPÖ-Chef Kickl zu bilden, erklärte er weiter. "Weil ich überzeugt bin, dass das nicht gut ist für unser Land." Da die Dreier-Koalition scheiterte, übernehme er jetzt dafür die Verantwortung - und tritt ab.
Schallenberg-Absage als Minister unter Kickl
Am Freitag wird auch klar, wer vorübergehend in der Kanzlerfunktion nachfolgt. Entweder ernennt Nehammer den in der ÖVP am längsten dienenden Minister -das wäre Außenminister Alexander Schallenberg. Er gilt aber als unwahrscheinlich. Schallenberg ließ übrigens als erster ÖVP-Minister schon ausrichten: Er stehe nicht mehr bei einer Koalition mit Kickl als Minister zur Verfügung. Alternativen wäre auch die Ministerinnen Susanne Raab oder Klaudia Tanner. Oder es wird ein hoher Beamter - etwa Wolfgang Peschorn, Präsident der Finanzprokuratur, der unter Brigitte Bierlein bereits Innenminister war.
So erklärt Stocker die ÖVP-Kehrtwende
VP-Wende. Dass Neo-ÖVP-Chef Stocker nun selbst die Koalitionsverhandlungen mit FPÖ-Chef Herbert Kickl führt, den er über Monate scharf kritisiert und auch eine Regierung mit ihm ausgeschlossen hatte (siehe unten), begründete er mit der geänderten Situation nach dem Scheitern der Gespräche mit der SPÖ.Es gehe nicht um Kickl oder ihn sondern darum, dass das Land eine stabile Regierung bekomme und man nicht mit Wahlkämpfen Zeit verlieren könne.
Ob Stocker im Chefsessel bleibt, war vorerst unklar. Spätestens wenn die Verhandlungen mit FPÖ und ÖVP starten, wird sich die Volkspartei festlegen müssen. Zuletzt hieß es aber, dass Stocker auch als Vizekanzler bleiben könnte.
Dabei war es Karl Nehammer, der Stocker 2019 aus der Kommunalpolitik in Wiener Neustadt in den Nationalrat holte und ihn 2022 zum Generalsekretär machte. Der 64-Jährige ist verheiratet, Vater von zwei erwachsenen Kindern und Fliegenfischer.