Für den roten Gesundheitsminister ist mit dem Reformkompromiss immerhin die halbe Entschuldung geschafft.
Nach Ansicht von SPÖ-Gesundheitsminister Alois Stöger kann der bei der Regierungsklausur in Sillian beschlossene "Kassenstrukturfonds" später auch mit mehr Geld als den für 2010 vereinbarten 100 Millionen Euro ausgestattet werden. Laut Stöger ist das als Möglichkeit so vorgesehen und es ist auch anzunehmen. Wenn die Krankenkassen künftig neue Leistungen anbieten sollten, müsste der Fonds aufgestockt werden.
Bitte, kein Karotten-Vergleich
Mit dem Kompromiss von Sillian ist
Stöger sehr zufrieden, damit sei "die halbe Entschuldung" der mit insgesamt
1,2 Milliarden Euro verschuldeten Krankenkassen gelungen. Kritik übt der
Gesundheitsminister aber am schwarzen Vizekanzler Josef Pröll, der gemeint
hatte, man halte damit den Kassen "die Karotte" vor die Nase. Mit
diesem Beispiel könne er wenig anfangen, das sei eine zu große
Vereinfachung. Man müsse die Bedürfnisse der Menschen ernst nehmen, findet
Stöger.
Mehr Leistung - mehr Geld
Dieser Strukturfonds "ist ein dauernder
Fonds, der die Leistungen, die der Staat von der Krankenversicherung
verlangt, abgelten soll". Wenn in Zukunft der Gesetzgeber Maßnahmen für die
Kassen beschließe, werde im Gegenzug der Fonds mit neuen Mitteln dotiert
werden müssen. Die Höhe der Dotation des Fonds werde aber auch im Rahmen der
wirtschaftlichen Entwicklung zu klären sein, schränkte Stöger ein.
Versicherungsfremde Leistungen unklar
Er betonte aber, dass damit
auch die versicherungsfremden Leistungen wie das Wochengeld für Mütter
abgegolten werden könnten. Damit widersprach er Pröll, der gemeint hatte,
die Abgeltung der versicherungsfremden Leistungen sei "vom Tisch".
Geld kommt zu Ostern
Die Aufteilung der Mittel des Strukturfonds
auf die einzelnen Kassen werde in einer Verordnung festzuhalten sein. Stöger
betonte aber, dass die höher verschuldeten Kassen daraus nicht mehr bekommen
sollen. "Ganz sicher nicht" sollen jene Kassen bestraft werden, die bisher
gut gewirtschaftet haben. Dieser Fonds sei kein Liquiditätsfonds, die
Liquidität soll anders gewährleistet werden, nämlich mit den angekündigten
30 bis 50 Millionen Euro, die heuer noch ausgezahlt werden sollen. Darüber
soll es nach der für Montag erwarteten nächsten Prognose des Hauptverbands
über die neuesten Defizitzahlen der Kassen Gespräche mit dem Finanzminister
geben, die Auszahlung dieser Gelder könnte nach dem Budgetbeschluss rund um
Ostern erfolgen.
Kein Dreinreden beim Sparen
Keine Vorgaben will Stöger für die
Verhandlungen des Hauptverbandes mit den Kassen für Strukturreformen machen,
die als Voraussetzung für die Auszahlung der 100 Millionen aus dem
Strukturfonds vereinbart wurden. "Ich gehe davon aus, dass die
Selbstverwaltungen wissen, was sie tun." Der Gesundheitsminister betonte
aber, dass es dabei nicht unbedingt um Einsparungen gehe, sondern vor allem
um "neue Qualitäten". Stöger ist überzeugt davon, dass der Hauptverband und
die Vertragspartner wie vereinbart bis 30. Juni ein vernünftiges Programm
vorlegen werden.
"Solidarische Finanzierung"
Die Beschlüsse von Sillian
sind für Stöger ein "guter Kompromiss". Über die Höhe des Geldes könne man
immer streiten, aber es sei "ein richtiger Schritt in die richtige
Richtung". Zur Kritik der meisten Kassen, dass der Schritt zwar richtig sei,
aber nicht ausreiche, stellte der Minister fest: "Wenn man eine Reise tut,
beginnt man mit dem ersten Schritt." Er gestand aber zu, dass noch weitere
Schritte folgen müssen. Wichtig ist für Stöger, dass es sich um einen
"qualitativ neuen Einstieg in die Finanzierung von Seiten des Bundes"
handle. Er ist auch überzeugt davon, dass die kapitalgedeckten Systeme
gescheitert sind und nur solidarische Finanzierungssystem das
Gesundheitssystem langfristig sichern können.
"Halbe Entschuldung" geschafft
Mit den 30 bis 50 Mio.
Euro für heuer, den 100 Mio. Euro des Strukturfonds und den insgesamt 450
Mio. Euro ab 2010 ist für Stöger "die halbe Entschuldung" geschafft. Die
zweite Hälfte will der Minister mit einer Effizientsteigerung sowie einer
Reduzierung der Steigerung bei den Medikamentenausgaben erreichen. Dabei
denkt er an Maßnahmen für "mehr Transparenz beim Vertrieb von Medikamenten",
die aber den Pharma-Vertrag nicht gefährden sollen. Das Vertragsrecht mit
den Ärzten soll der Hauptverband mit der Ärztekammer ebenfalls bis 30. Juni
modernisieren.