Der FPÖ-Chef schlägt für Wien ein neues Wahlrecht vor, mit dem Hauptziel, der SPÖ die absolute Mehrheit abzujagen.
"In Wien wird großteils ein nordkoreanisches Politbild gelebt", meint Heinz-Christian Strache. Deshalb hat der FP-Chef, der auch der Wiener Partei vorsteht, am Freitag ein "freiheitliches Demokratiepaket" für die Bundeshauptstadt präsentiert. Der Forderungskatalog enthält neben der Stärkung von Oppositionsrechten und mehr politische Partizipationsmöglichkeiten für Bürger auch eine Wahlrechtsreform, durch die es künftig nicht mehr möglich sein soll, mit einem Stimmenanteil von unter 50 Prozent die absolute Mandatsmehrheit zu stellen.
Gegen rote "Präpotenz"
Strache sprach von einem "echten
Verhältniswahlrecht", das mehr Demokratie und weniger Zentralismus
ins Rathaus bringen würde. Die Forderung ist freilich eine Kampfansage an
die SPÖ. Bei der Wahl 2005 erhielten die Sozialdemokraten 49,09 Prozent der
Stimmen, verfügen derzeit jedoch mit 55 von 100 Mandaten über die Absolute
im Wiener Stadtparlament. "Demokratiepolitisch liegt hier vieles im
Argen", so die Diagnose des FP-Obmanns. Die Bundeshauptstadt werde von
einer präpotenten und arrogant arbeitenden SP-Stadtregierung geführt.
Mehr Rechte für Opposition
Zudem wünschen sich die Blauen
mehr Rechte für Oppositionsparteien. Folglich müssten künftig Klubs aus
eigener Kraft einmal jährlich eine Untersuchungskommission bzw. einen
Untersuchungsausschuss initiieren können. Derzeit ist dies nur möglich, wenn
mindestens 30 Mandatare dem Antrag zustimmen. Weiters fordert die Partei
eine Ausweitung der Prüfkompetenzen auf alle ausgegliederten Bereiche, an
denen die Stadt Wien beteiligt ist - wie etwa dem Flughafenprojekt Skylink,
wie der FP-Chef ergänzte.
Mehr Mitsprache für Wiener
Erweitert gehören laut Strache
darüber hinaus die Partizipationsmöglichkeiten der Wiener Bevölkerung. So
soll die Initiierung einer Volksbefragung (Gemeinderat) bzw. eines
Volksbegehrens (Landtag) künftig erleichtert werden. Derzeit sind dafür
Unterschriften von fünf Prozent der Wahlberechtigten - also rund 55.000
Personen - notwendig. Die FPÖ will diese Grenze auf ein Prozent senken und
weiters durchsetzen, dass der Urnengang bei ausreichender Unterstützung auch
verpflichtend durchgeführt werden muss.
Direktwahl für Bürgermeister
Der FP-Chef schlägt auch
eine Direktwahl des Bürgermeisters vor, was allerdings nur durch eine
Änderung der Bundesverfassung möglich sei. Auf Bezirksvorsteherebene könne
er sich ebenfalls eine direkte Bestimmung vorstellen. "Die FPÖ wird
alles daran setzen, diese vorgestrigen Strukturen aufzubrechen",
versprach Strache. Als Wahlziel im Oktober nannte er das Überspringen der
20-Prozent-Marke sowie ein Brechen der SP-Mehrheit. Die "Sozialisten"
sollten ihre "Ausgrenzungspolitik" jedenfalls überdenken, empfahl
er der Konkurrenz im Hinblick auf mögliche Koalitionsverhandlungen.
"Aus Winterschlaf aufgewacht"
Die SPÖ gratuliert der
FPÖ dazu, dass diese angesichts ihres geforderten "Demokratiepakets" aus dem
demokratiepolitischen Winterschlaf erwacht sei. Endlich hätten es die
Freiheitlichen als letzte Partei im Stadtparlament geschafft, Vorschläge zur
Änderung der Stadtverfassung zu unterbreiten, so SP-Klubchef Siegi
Lindenmayr. Aufforderungen dazu habe es bereits vor Monaten gegeben.
"Politik für den Wirtshaustisch"
FP-Chef
Heinz-Christian Strache sei inzwischen derart weit weg von der Wiener
Stadtpolitik, dass ihm entgangen sei, dass die Bundeshauptstadt - im
Vergleich zu anderen Landeshauptstädten bzw. dem Bund - über "die am weitest
gehenden Minderheits- und Kontrollrechte" verfüge, betonte Lindenmayr.
Grundsätzlich sei man immer offen für Gespräche über die Stadtverfassung,
die Vorgangsweise der Freiheitlichen sei jedoch eigenartig: "Wenn die FPÖ
nicht nur Politik für den Wirtshaustisch machen würde, hätte sie sich längst
an der Diskussion beteiligt."
FPÖ "scheut das Licht"
Die Grünen wiederum
reklamierten Forderungen nach mehr Mitbestimmung und Bürgerbeteiligung sowie
"einem unverzerrten Wahlrecht" für sich. Straches Versuch, auf einen
fahrenden Zug aufzuspringen, sei unglaubwürdig, befand der grüne Mandatar
Martin Margulies. "Um glaubwürdig zu sein, darf Strache jetzt nicht länger
die Aufklärung des Hypo-Skandals verhindern und soll endlich die
Parteispenden der FPÖ offenlegen", empfahl er dem FP-Chef. Wo es der FPÖ
passe, sei sie für mehr Kontrolle und Demokratie. Dort, wo sie für
Missstände verantwortlich sei, scheue sie hingegen das Licht.