Am 1. Parlaments-Tag
Strache fordert Remler zum Rücktritt auf
01.12.2010
Die Vorstellung der neuen Familienstaatssekretärin verlief emotional.
Die Aufwärmrunde für die Budgetdebatte ist absolviert. Bei der Präsentation der neuen Familienstaatssekretärin Verena Remler (V) gingen Mittwochvormittag im Nationalrat die Wogen schon gehörig hoch. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache empfahl dem neuen Regierungsmitglied gleich den Rückzug. Abgeordnete des BZÖ riefen bei Remlers erstem parlamentarischem Auftritt so laut dazwischen, dass sich Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (S) danach zu einer vor allem von der ÖVP heftig akklamierten Moralpredigt genötigt sah.
Dank an Marek
Ruhig war es noch zu Beginn. Da dankten Kanzler Werner Faymann (S) und Vizekanzler Josef Pröll (V) ganz höflich der nunmehrigen ÖVP-Klubobfrau im Wiener Gemeinderat, Christine Marek, für ihr Wirken im Familienstaatssekretariat. "Toll" sei ihre Arbeit gewesen, schwärmte der VP-Obmann etwa über die Einführung des einkommensabhängigen Kindergelds. Faymann würdigte "Engagement, Herz und Sachverstand" Mareks, mit dem sie Verbesserungen im Land vorangetrieben habe. Das nunmehrige Alt-Regierungsmitglied nahm die Huldigungen von der Besucher-Galerie aus entgegen.
Freundlichkeiten
Bei allem Lob für Marek - auf Nachfolgerin Remler freut sich die Regierungsspitze ebenso. Praktische Erfahrungen in Familien- und Sozialpolitik bringe sie aus Ost-Tirol ja mit, meinte Faymann überzeugt, dass sich die neue Staatssekretärin den "großen Herausforderungen" mit "Fachkompetenz" stellen werde. Pröll stand nicht nach und fügte auch noch Remlers Fertigkeiten als Tourismus-Managerin an, die ihr im Wirtschaftsministerium zu Gute kommen würden. Es sei auch keine Selbstverständlichkeit, wenn eine junge, dynamische Frau mit Kind dem Ruf nach Wien folge, jubelte der Vizekanzler.
"Austro-Marxismus"
Damit hatte es sich mit den Freundlichkeiten aber schon wieder. FPÖ-Klubchef Strache forderte Remler auf Geschichte zu schreiben und ihr Amt gleich wieder niederzulegen, brauche doch ohnehin niemand eine so große Regierung mit vier Staatssekretären. Auch die Person Remler macht Strache sorge, ließen deren erste Aussagen doch vermuten, dass sie ähnlich agieren werde wie die "gesellschaftspolitische Spitze des Austro-Marxismus", Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (S).
Strache und der Gestank
Schuld an allem ist für Strache allerdings soundso die Regierung, die er für die Kürzungen in der Familienpolitik verantwortlich macht. "Verkauft und Verraten" habe die Koalition die Familien bei der Budgeterstellung, klagte der FPÖ-Chef und verhaspelte sich dann ein wenig, als er sich am Spruch "Der Fisch beginnt am Kopf zu stinken" versuchte und den "Kopf am Kopf" stinken ließ. Nationalratspräsidentin Prammer fand damit den erste Gelegenheit zum Auftritt: "Herr Klubobmann, ich stelle fest, in diesem Saal hier stinkt niemand."
SPÖ-Klubchef Josef Cap gestand dann zu, dass er selber gerne den Familien die nunmehrigen Einschnitte erspart hätte. Vermögenssteuer und dafür keine Kürzungen bei den Familien - das wäre es für ihn gewesen, aber mit der ÖVP halt nicht möglich. Auf Zwischenrufe des BZÖ-Abgeordneten Christoph Hagen hatte Cap flott eine Antwort parat. Warum Hagen denn die Superreichen verteidige: "Sie schauen gar nicht wie ein Superreicher aus."
"Reformblockade"
Grünen-Bundessprecherin Eva Glawischnig sah in den Cap-Aussagen gegen die ÖVP die "gegenseitige Reformblockade" in der Koalition bewiesen. Die Regierung stehe für "personifizierte Reformverweigerung" und gespart werde bei denen, die sich am wenigsten wehren könnten. Alleinerzieherinnen und Familien mit vielen Kindern stünden verstärkt an der Armutsgrenze, warnte die Grünen-Chefin.
VP-Klubobmann Karlheinz Kopf erinnerte die Opposition im Gegenzug, dass Österreich weiter an der Spitze in der Familienpolitik stehe: "Was ist daran schlecht?" All das, was die Regierung hier geleistet habe, könne man eigentlich nur nicht mitbekommen haben, wenn man oft nicht anwesend sei, giftete Kopf in Richtung der Oppositionsbänke.
"Superpraktikantin"
Die Höflichkeitsform wahrte BZÖ-Obmann Josef Bucher nur in Minute eins seiner Rede, als er Remler eine "glückliche Hand" wünschte. In Minute zwei war die neue Staatssekretärin für ihn schon die "Superpraktikantin", müsse sie nach Angaben von Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (V) doch nicht einmal für die jetzt beschlossenen Sparmaßnahmen gerade stehen. Dabei würde gerade jetzt mit der Familie das "Herzstück der Gesellschaft" geschröpft.
Dann durfte endlich Remler ran - den ersten Parlamentsauftritt absolviere die Staatssekretärin mit fester Stimme, wobei der Text vom Blatt gelesen wurde. Darauf stand, dass sie sich ihrer neuen politischen Aufgabe gerne stelle und sie dazu beitragen wolle, dass "Familie in allen ihren unterschiedlichen Formen gut gelebt werden kann".
Auf die Debatte, ob es nun mehr Sach- oder mehr Geldleistungen brauche, ging sie diplomatisch ein. Sie sei für ein "sowohl als auch", Wahlfreiheit müsse gewährleistet werden. Die Familie bleibe jedenfalls die ideale Lebensform. Um sie zu bewahren, sei der Schlüsselfaktor die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Über die zuletzt beschlossenen Kürzungen in ihrem Bereich zeigte sich Remler "nicht glücklich", sie seien aber verantwortbar und es gebe keine Alternative dazu.
Zwischenrufe
Recht viel Ruhe hatte die Staatssekretärin bei ihrem parlamentarischen Debüt nicht. Vor allem die BZÖ-Abgeordneten Peter Westenthaler und Ewald Stadler übten sich im Zwischenruf, was Nationalratspräsidentin Prammer so empörte, dass sie die beiden orangen Herren danach maßregelte, es verstoße gegen die Usancen des Hauses, wenn man neue Regierungsmitglieder bei ihrem ersten Redeauftritt störe. Während sich die anderen Fraktionen gleich der Parlamentschefin anschlossen, empfahl das BZÖ, die Relationen zu wahren.
Beim ersten Auftritt der damaligen FPÖ-Sozialministerin Elisabeth Sickl habe die Sitzung sogar unterbrochen werden müssen, weil sich die Opposition dermaßen laut gebärdet habe, erinnerte Bündnis-Abgeordnete Ursula Haubner. Der blieb es auch, den Schlusspunkt der munteren Debatte zu setzen. Pröll bekam von der Ex-Sozialministerin einen "Krampussack" überreicht.