Das große Interview zum Ibiza-Jahrestag

Strache: 'Habe Trauma bis heute nicht ganz aufgearbeitet'

17.05.2020

Auf oe24.TV gab es das große Interview zu Straches Polit-Comeback. Heute zeigt das Team HC Strache das neue 'Ibiza-Video'. 

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oe24.TV: Auf den Tag genau ein Jahr nach Ihrem Rücktritt feiern Sie den politischen Neustart. Warum tun Sie sich das an?

HC Strache: Nach der Veröffentlichung war ich natürlich in Trance. Es war auch ein Trauma, das ich bis heute nicht ganz aufgearbeitet habe. Aber ich glaube, eines ist wichtig: Man kann hinfallen, man muss sich die Fehler eingestehen - ich habe mich auch entschuldigt -, aber wichtig ist, was man daraus lernt und dass man wieder aufsteht und die Möglichkeit nutzt, stärker als je zuvor zurückzukehren.

oe24.TV: Sie waren vor einem Jahr auf dem Höhepunkt Ihrer Karriere. Sie haben das geschafft, wovon Sie immer geträumt haben: Regierungsbeteiligung, Vizekanzler. Und dann kam der Sturz

Strache: Ich sage, Zufälle gibt's nicht, wir wissen, dieses Video ist zwei Jahre zuvor illegal aufgenommen worden und ist lange davor geplant worden, also Zufall war es ja keiner. Das heißt, da haben schon Herrschaften Regie geführt, und deshalb ist es besonders interessant, das restlos aufzuklären. Wer sind denn die, die da Regie geführt haben, wer sind die Auftraggeber und die Hintermänner, die das in der Lade gehabt haben für den Tag X, wo sie gemeint haben, jetzt können wir den lästigen Strache loswerden.

oe24.TV: Es tauchen immer neue Protokolle auf. Man weiß jetzt z. B., dass das Video am Anfang dem Unternehmer Haselsteiner zum Kauf angeboten wurde, er es aber abgelehnt hat.

Strache: Ich habe schon im Jahr 2015 durch einen Sicherheitsmann in meiner Umgebung gehört, dass der Haselsteiner auf meinen Kopf über eine Million Euro geboten hat. Interessant ist nur, dass im Nachhinein dieser Sicherheitsmann offenbar einer war, der seit Jahren auch in dieser Struktur involviert war.

oe24.TV: Ein Mann, der Sie eigentlich betrogen hat, der schon zu einem Zeitpunkt Dinge über Sie verkauft hat, als Sie noch geglaubt haben, er ist auf Ihrer Seite.

Strache: Das Unglaubliche ist, dass er offenbar seit langer Zeit, vielleicht schon seit 2012, den Auftrag hatte, für ein Geldversprechen Dinge gegen mich zu konstruieren und mich fertigzumachen und zu Fall zu bringen. Das sind Stasimethoden, wie sie in totalitären Regimen der ehemaligen DDR auch gelebt worden sind, wo man versucht hat, offenbar mit einem geheimdienstlich kriminell organisierten Netzwerk, jemanden fertigzumachen.

oe24.TV: Zu einem Netzwerk gehören immer zwei. Einer, der das Netzwerk spinnt, und einer, der blöd genug ist, ins Netz zu gehen.

Strache: Wenn jemand jahrelang Dinge gegen Sie konstruiert, dann sind Sie vielleicht auf den ersten Blick glaubwürdig. Und das ist das, wo sie jahrelang daran gearbeitet und gebastelt haben -das gilt es jetzt, aufzuklären.

oe24.TV: Es gehört schon bewundert, dass Sie ein Jahr nach diesem Desaster die Kraft zu einem Neustart haben. Sie haben ja bei einem Interview bei mir vor drei Wochen zum ersten Mal sehr laut und deutlich gesagt, dass es Ihr größter Fehler war, dass Sie als FPÖ-Chef zurückgetreten sind.

Strache: Das war im Rückblick sicherlich ein Fehler, denn ich hätte sicherlich als Parteichef den Kurs der FPÖ trotz all dieser Entwicklungen sicherlich nachhaltig besser gestalten können. Und ich habe damals den Rückzug vollzogen, weil ich damals davon ausgegangen bin, die Partei zu einer Ruhe zu führen, und davon ausgegangen bin, dass es auch einen fairen Umgang mit meiner Frau und mit mir gibt.

oe24.TV: Darf ich eine private Frage stellen: Waren Sie bei einem Psychotherapeuten?

Strache: Nein, war ich nicht. Aber ich glaube, ich hätte ihn gebraucht, denn dann wäre es wahrscheinlich schneller und besser gegangen. Ich glaube aber, dass viele meiner Freunde und vor allem auch meine Frau für mich diese Rolle eingenommen haben. Wir sind Stunden zusammengesessen, haben das aufgearbeitet. Man weint sich auch aus an der Schulter des Lebenspartners, und das ist natürlich wie eine psychologische Aufarbeitung, ja.

oe24.TV: Sie konnten ja eine Zeit lang nicht schlafen, Sie waren wochenlang in der Nacht munter.

Strache: Na ja, man versucht, zu schlafen, man schläft dann ein, wacht auf einmal schweißgebadet auf. Das Unterbewusstsein hat hier natürlich Dinge zu verarbeiten, und es beschäftigt einen rund um die Uhr. Man beschäftigt sich damit, was denn da passiert ist. Wer hat da mit welcher kriminellen Energie mit wie vielen Menschen in dem Netzwerk gearbeitet. Das ist etwas, das einem wirklich auch Angst macht, und da kommt dann natürlich der Mechanismus, das zu verarbeiten, seine Familie beschützen zu wollen, aber auch zu wissen, dass man dem nicht stattgeben darf, denn sonst hätten die ja gewonnen.

oe24.TV: Johann Gudenus sagt, er hat sich das Video bis heute nicht angeschaut, ihm wird schlecht dabei. Sie haben es sich ein paar Mal angeschaut, ist Ihnen auch schlecht geworden?

Strache: Nein, ich hab mir immer wieder nur Sequenzen ansehen können, weil nicht nur mir schlecht geworden ist, sondern ich mich wahnsinnig geniert habe. Stellen Sie sich vor - das, glaub ich, kann sich jeder Bürger vorstellen -, wenn man irgendwo eine private Grillerei oder zu Hause irgendwo bei vermeintlichen Bekannten eingeladen ist und glaubt, sich in einem privaten Umfeld zu befinden, daher nicht drauf schaut, wie man sitzt, wie man lümmelt, ob man vielleicht zu viel über den Durst trinkt und nicht immer auf seine Worte achtet. Glauben Sie mir, wenn da die Leute heimlich sieben Stunden gefilmt würden, und dann auf vier Minuten was zusammengeschnitten wird, was da rauskommt. Da würde sich ein jeder genieren. oe24.TV: Also Sie genieren sich? STraCHe: Natürlich.

oe24.TV: Warum bitte um Gottes willen tun Sie sich das noch einmal an? Dass jemand, der so viel abbekommen hat wie Sie, noch einmal in den Ring steigt und bei der Wienwahl antritt?

Strache: Ich habe immer alle politischen Mitbewerber gegen mich gehabt, aber viele Bürger auf meiner Seite. Genau für die mache ich das, weil ich ein Überzeugungstäter bin. Ich bin ein Überzeugungstäter, weil ich für die Menschen, die heute kein Gehör finden, was weiterbringen will, und ich habe schon einmal eines gezeigt, mir ist es einmal gelungen, eine politische Bewegung aus der Bedeutungslosigkeit herauszuführen.

oe24.TV: Wie werden Sie diesen 1. Jahrestag heute "feiern"?

Strache: Den werde ich mit einer Art Aufarbeitung verbringen.

 

Ibiza: Was wussten Verfassungsschutz & Bundeskriminalamt?

Die Spurensuche in einem der größten Politkrimis der 2. Republik ist nicht einfach: Die Täter hatten ein Drehbuch für die gesamte Organisation der Videofalle.
 

Die erste Spur führt 
direkt in die Exekutive

Financiers. Bereits zwölf Tatverdächtige der unteren und mittleren Ebene des Netzwerks wurden aufgespürt. Und dank neuer Zeugenaussagen aus Abhör- und Vernehmungsprotokollen der „Soko Ibiza“ zeigen sich jetzt immer deutlicher Spuren zu drei verschiedenen Gruppen von möglichen Hintermännern – also zu jenen Drahtziehern, die das Video vielleicht bei dem Wiener Rechtsanwalt M. und dessen Bekannten, dem Detektiv H., in Auftrag gegeben und mit mehreren Millionen Euro ­finanziert haben.
 
Politbombe. „Egal, was passiert, er hat sofort Info. Hochrangige BKA. Verstehst du?“, sagt der mögliche Mittäter K. in einem Abhörprotokoll über seinen Bekannten, Detektiv H. Und bei einer Zeugeneinvernahme ist nachzulesen: „K. sagte, dass er die Informationen von Detektiv H. bekommen hat. Dieser wäre ein V-Mann (Verbindungsmann) des Bundeskriminalamts (BKA) gewesen.“
 
Die Sicherheitsfirma, in der H. tätig war, hat auch zahlreiche Aufträge für die Exekutive erledigt – und sei dafür gut bezahlt worden. Die Abgeordneten im Ibiza-Untersuchungs­ausschuss werden dieser Spur nachgehen. Bestätigt sich die Verwicklung des Verfassungsschutzes (BVT) oder des BKA in die Causa Ibiza, wäre das eine Politbombe. Das würde bedeuten, dass eine Spur ins Innenministerium führt.
 

Die zweite Spur führt zu Milliardär Haselsteiner

Motiv. Sowohl aus dem Umfeld der Neos als auch aus der SPÖ bestätigten prominente Zeugen vor der „Soko Ibiza“, dass ihnen das Videomaterial schon 2018 zum Kauf angeboten worden ist. So meinte Mittäter K. in einem Abhörprotokoll: „Der Erste, dem dieses Video angeboten worden ist, um 1,5 Millionen Euro, glaube ich, war Haselsteiner. (…) Doch die haben gesagt, dass es zu heiß ist.“
 

Mittäter in U-Haft legt Spur Nr. 3 zu Promi-Anwalt

Advokat. In einem Protokoll über den Lauschangriff auf einen der mutmaßlichen Mittäter finden sich auch weitere Indizien, dass ein bekannter Wiener Jurist zumindest Mitwisser der Aktion war. Er hätte beste Kontakte zum geständigen Anwalt M., und er bot dem nun inhaftierten K. per E-Mails die juristische Vertretung an.
 
Nach all den Enthüllungen über die kriminelle Aura einiger Tatverdächtiger, über bezahlte Goldmünzen sowie Nötigungsversuche glaubt jedenfalls kaum noch jemand, dass dieser Coup ein „zivilgesellschaftlich motiviertes Projekt“ gewesen ist, wie Anwalt M. meinte.
 

35 Ermittlungsverfahren im Ibiza-Krimi

Erpressung, Nötigung, Drogenbesitz: Die Ibiza-Bande hat fünfmal mehr Verfahren als HC Strache am Hals.
 
Seit Monaten vernehmen die Staatsanwaltschaft Wien und die „Soko Ibiza“ des Bundeskriminalamts Zeugen. Mittlerweile gibt es 35 Ermittlungsverfahren rund um den Ibiza-Krimi. Einer der Hauptverantwortlichen, der Detektiv H., wird mittlerweile per internationalem Haftbefehl gesucht, berichtet das Aufdecker-Portal eu-infothek.com. (rs)
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