Angela Merkel bis Silvio Berlusconi. Mit einem Rundumschlag versuchte sich FP-Chef Strache Montag aus der Neonazi-Affäre herauszuwinden.
Die ÖSTERREICH-Enthüllungen ziehen immer weitere Kreise. Und sie lassen bei der FPÖ offenbar alle Sicherungen durchgehen. Freitag hatte ÖSTERREICH das erste Foto gezeigt, auf dem FPÖ-Chef HC Strache mit dem so genannten "Kühnen-Gruß" (geht auf den deutschen Neonazi Michael Kühnen zurück) zu sehen ist.
Am Montag holte Heinz-Christian Strache zum Rundumschlag aus. In einer Grundsatzerklärung zu seinen Jugendfotos beklagt er, dass in Österreich "Gesinnungsterror" Einzug gehalten habe. Als 'Beweis', wie leicht verfängliche Fotos angefertigt werden können, präsentierte Strache mehrere Bilder von Persönlichkeiten aus dem In- und Ausland. Die Fotos zeigen: Ex-Staatsekretär Finz mit Gottfried Küssel im Schweizerhaus (laut Strache), BZÖ-Chef Peter Westenthaler mit erhobener rechter Hand, die Deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel mit drei gespreizten Fingern, Joschka Fischer und Silvio Berlusconi.
Strache beklagte weiter, dass wieder die "Faschismuskeule" geschwungen werde. Zudem werde hier mit Doppelmoral vorgegangen. Der freiheitliche Parteivorsitzende erinnerte daran, dass der Austrofaschist Engelbert Dollfuß noch immer einen Ehrenplatz im ÖVP-Parlamentsklub hat, "ein Mensch, der unter jeder Kritik ist". Finz reagierte in einer ersten Reaktion empört auf die Veröffentlichung des Fotos.
Distanzierung
Strache distanzierte sich von allen Formen des Extremismus und betonte, ein "reines Gewissen" zu haben: "Ich war nie ein Neonazi und werde nie ein Neonazi sein." Wer hinter der Offenlegung der umstrittenen Jugendfotos von ihm steckt, konnte der FPÖ-Obmann nicht beantworten.
Er sei nie Mitglied der NDP, der VAPO oder der RAF gewesen, betonte Strache, wobei ihm zumindest letzteres wohl bisher auch nicht vorgehalten wurde. In seiner politischen Karriere habe er nie irgendetwas getan, das in Richtung Nationalsozialismus gezeigt hätte: "In all meinen Handlungen als politischer Mandatar war und bin ich ein begeisterter Demokrat." Ohnehin habe in der FPÖ eine faschistische Grundhaltung nichts verloren. Er verurteile alle Formen des Extremismus und die Verbrechen des Nationalsozialismus in aller Klarheit.
Unbescholten
Der FP-Chef unterstrich ferner, in seiner 16-jährigen politischen Karriere sicher Dutzende Male etwa vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands durchleuchtet worden zu sein - und er komme nicht im Handbuch des Rechtsextremismus vor. Gleichzeitig hob Strache seine Unbescholtenheit hervor: "Ich bin noch nie mit dem Gesetz in Konflikt gekommen."
Familienbande
Wie es dazu kam, dass er auf den diversesten Fotos mit Personen zu sehen ist, die später einschlägig als Rechtsextremisten verurteilt wurde, begründete der FPÖ-Chef mit seiner früheren familiären Nähe zum bereits verstorbenen NDP-Chef Norbert Burger, dessen Tochter seine erste große Liebe gewesen sei.
Er habe "Doktor Norbert Burger" damals mit 18 Jahren gut kennen gelernt und mit diesem auch viele Diskussionen und Auseinandersetzungen geführt. Damals habe er auch Veranstaltungen besucht, bei denen er heute als erwachsener Mensch nicht mehr dabei sein würde. Mit 18 könne man "noch keine gefestigte Meinung haben", warb Strache um Verständnis: "Wenn einer einmal in Moskau den Boden geküsst hat, ist der auch nicht automatisch ein KGB-Agent", spielte der FP-Chef offenbar auf eine Jugend-Episode von Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ) an.
Soldatische Tugenden
Sein eigenes Weltbild fuße auf der Revolution von 1848, betonte Strache und würdigte dabei Werte wie Meinungs- und Pressefreiheit. Seine Zugehörigkeit zu einer Burschenschaft verteidigte der FP-Chef stolz. Bezüglich der vermeintlichen Wehrsportübungen blieb Strache bei seiner Darstellung, wonach es sich um ein Paintballspiel gehandelt habe: "Ich war damals von soldatischen Tugenden fasziniert, ich habe auch im Wald gespielt."
Stalking-Vorwurf
Ob weitere Fotos aus seiner Jugend noch in den Medien auftauchen könnten, wollte Strache nicht einschätzen. Er könne auch Manipulationen nicht ausschließen. Die Medien bat er, Diffamierungen zu beenden und Stalking gegenüber seiner Familie zu beenden. Das Recht auf Objektivität müsse wieder Platz greifen.
Angeschlagen
Knapp eine Stunde dauerte die Grundsatzerklärung Straches, dann gab es für Pressefragen noch einmal 20 Minuten drauf. Der sichtlich ein wenig angeschlagene FP-Chef verwehrte sich dabei wiederholte Male dagegen, in ein rechtsextremes Eck gestellt zu werden und nahm das auch für seine Partei in Anspruch: "In der FPÖ haben Neonazis keinen Platz."
"Heckenschützen"
Die ganze Foto-Affäre sieht Strache als Versuch ihn "wegzuputschen". Dahinter stecken könnten sowohl "Heckenschützen" aus der eigenen Partei als auch die ÖVP, die sich eine Wiedervereinigung von FPÖ und BZÖ wünsche, um eine zweite Regierungsoption zu haben und wisse, dass das mit ihm nicht gehe. Dass die Fotos vom bekannten Neonazi Gottfried Küssel stammen, wie dies der FPÖ-Abgeordnete Lutz Weinzinger vermutet hatte, schloss Strache aus, da dieser keinen Zugang zu seinen Jugendbildern gehabt haben könne.
Finz mit Küssel
Zur Selbstverteidigung hatte Strache einige Bilder anderer prominenter Politiker mitgebracht. So überraschte er etwa mit einem der FPÖ "zugespielten" offenbar recht aktuellen Foto, auf dem Ex-Finanzstaatssekretär Alfred Finz (ÖVP) beim Biertrinken mit einer Person zu sehen ist, die vom FPÖ-Chef als Küssel identifiziert wurde und die ihm zumindest auch täuschend ähnlich sieht. Bezüglich seines vermeintlichen "Kühnen-Gruß"-Fotos präsentierte Strache ein "Spiegel"-Cover, auf dem die deutsche Bundeskanzlerin Angela (von Strache Andrea genannt, Anm.) Merkel mit der selben Fingerhaltung zu sehen ist.
"Ich habe mit Herrn Küssel wissentlich noch nie im Leben zu tun gehabt", das von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache präsentierte Foto von ihm mit dem Neonazi "kann nur zufällig" entstanden sein, betonte der ehemalige Staatssekretär Alfred Finz (V) auf Anfrage der APA. "Ich bin mit Küssel in meinem ganzen Leben noch nie zusammengetroffen. Schlagende Verbindungen waren uns immer ein Gräuel, ich war seit meinem 15. Lebensjahr Mitglied einer katholischen Studentenverbindung und da hat es immer eine tiefe Antipathie gegeben. Das Ganze ist eine Frechheit", so Finz.
Strache Bilder für Finz "eine Frechheit"
Der frühere Staatssekretär im Finanzministerium gab sich betroffen über die durch das Foto hergestellte Verbindung mit Küssel. "Meine Großmutter ist in Gugging niedergespritzt worden, offiziell wegen Lungenentzündung, ihre beiden Brüder waren im KZ, weil sie Bibelforscher waren." Schon im Kindesalter sei er mit KZ-Bildern konfrontiert gewesen. Er habe zu der Neonazi- und rechtsextremen Szene "von Haus aus keine Nähe dorthin, nicht einmal als Jugendsünde. Mir waren die Leute dort von Haus aus immer zuwider, auch auf Grund meiner Jugenderlebnisse", unterstrich Finz.
Wenn Strache ein Problem habe, solle er dieses selber klären, "aber nicht andere in infamer Weise in irgendwas hineinziehen". Wenn das Foto im Schweizerhaus entstanden sei, "dann kann das nur zufällig" zu Stande gekommen sein.