Nach dem Rücktritt von Radiodirektor Mitsche brodelt der Küniglberg weiter. Die ÖVP ortet einen "roten Masterplan".
Kritik am Rücktritt von ORF-Radiodirektor Willy Mitsche kommt aus der ÖVP. Franz Medwenitsch, Leiter des ÖVP-"Freundeskreises" im ORF-Stiftungsrat, sprach am Dienstag von einer "neuerlichen Brüskierung" der ORF-Gremien und einem "roten Masterplan" der SPÖ für den öffentlich-rechtlichen Sender. Medwenitschs SPÖ-Pendant im Stiftungsrat, Niko Pelinka, wies die Vorwürfe zurück. Der ORF-Betriebsrat wünscht sich unterdessen Informationen über die finanziellen Aspekte des Rückzugs von Mitsche.
Stiftungsrat fühlt sich übergangen
Eine "Brüskierung"
sieht Medwenitsch vor allem deshalb, weil der Stiftungsrat erst Stunden nach
der Ausschreibung des Radiodirektors in der "Wiener Zeitung" von
Generaldirektor Alexander Wrabetz über den Rücktritt Mitsches informiert
wurde. Hinter dem Wechsel selbst vermutet der bürgerliche Stiftungsrat den
"Beginn eines roten Masterplans für die ORF-Führung". Werde der als Favorit
und SPÖ-Wunsch gehandelte TV-Chefredakteur Karl Amon zum Radiodirektor
gewählt, dann seien die zwei wesentlichen Chefredakteurs-Positionen im Radio
und im Fernsehen frei und neu zu besetzen. "Viele befürchten einen roten
Zugriff auf den ORF."
Laut Medwenitsch gebe es ohnehin schon jetzt Tendenzen in diese Richtung: "Es gibt eine absolute rote Mehrheit im Publikumsrat, mit einem Arbeiterkammervertreter an der Spitze, eine relative rote Mehrheit im Stiftungsrat, mit einer Arbeiterkämmerin an der Spitze und einen roten Generaldirektor, der um seine Wiederwahl bangt und für Wünsche offener denn je ist. Die Rechnung zahlt der Gebührenzahler, und die Unabhängigkeit des ORF bleibt auf der Strecke."
"Mobbing"
Der Rückzug Mitsches ist für Medwenitsch
"ein Fall von Mobbing - Mitsche musste gehen, damit Platz für Amon ist".
Wenn Mitsche schon aus Gesundheitsgründen gehen muss, dann sollte Wrabetz
die Funktion des Radiodirektors für die restliche Zeit selbst ausüben. Der
VP-"Freundeskreis"-Leiter glaubt, dass die ORF-Wahl im kommenden Jahr
bereits ihre Schatten voraus wirft. "Amon ist roter Wunschkandidat für fast
alles im ORF. Offenbar soll er jetzt in Stellung gebracht werden."
Pelinka weist Vorwürfe zurück
Niko Pelinka,
Fraktionsführer der SPÖ-Stiftungsräte, wies diese Vorwürfe zurück. "Die
Entscheidung Willy Mitsches ist zu akzeptieren. Ich war bisher
glücklicherweise nicht in einer ähnlichen Lage und maße mir deshalb keine
Wertung an." Mitsche habe jahrelang gute Arbeit geleistet. Dass es sich um
einen "roten Masterplan" oder einen "roten Zugriff auf den ORF" handle
"stimmt einfach nicht", sagte Pelinka. "Das ist eine höchstpersönliche
Entscheidung Mitsches, und ich rate allen, diese höchstpersönliche
Entscheidung auch zu akzeptieren." Ein langjähriger Mitarbeiter habe nach
einer schweren Krankheit entschieden, in die zweite Reihe zu treten. Mitsche
habe selbst klargestellt, dass es keinen politischen Druck gegeben habe.
"Alles andere sind haltlose Mutmaßungen, die auch gegenüber Mitsche alles
andere als fair sind", so Pelinka. Die rasche Ausschreibung der Funktion sei
richtig.
Der von der FPK entsandte Kärntner Stiftungsrat Siegfried Neuschitzer protestierte hingegen gegen die Neuausschreibung. Die Nachbesetzung sei "sinnlos", weil das Direktorium ab 2012 ohnehin verkleinert werde. "Das kostet nur eine Menge Geld, das der ORF ohnehin nicht hat". Neuschitzer sprach von bis zu 700.000 Euro. Wrabetz sollte deshalb die Verkleinerung des Gremiums vorziehen. Der Generaldirektor habe schon während der Krankheit von Mitsche dessen Agenden interimistisch betreut. "Es ist eine Entscheidung des Direktoriums, aber entweder Wrabetz macht das so wie während Mitsches Krankenstand, oder man legt, wie angedacht, tatsächlich Online und Radio zusammen und Thomas Prantner übernimmt die Funktion", so Neuschitzer.
"Keine gute Idee", meinte ORF-Zentralbetriebsratsobmann und Stiftungsrat Gerhard Moser zu solchen Überlegungen. "Wir wollen keine interimistischen Lösungen, bei der das der Generaldirektor oder ein anderer Direktor nebenbei macht. Damit haben wir keine guten Erfahrungen gemacht. Wir brauchen einen starken Direktor", so Moser, der auch als zuständiger Radio-Betriebsrat fungiert.
Moser fordert von Wrabetz Aufschlüsselung
Moser erwartet
von ORF-Chef Wrabetz jedoch eine "detaillierte Aufschlüsselung der
finanziellen Aspekte" des Ausscheidens Mitsches. "Vollen Respekt für die
Person Willy Mitsche und vor allem für seine Genesung, der Odeur dieser
Geschichte ist aber alles andere als wohlriechend", sagte Moser. "Es ist der
Belegschaft nur schwer zu erklären, dass jemand aus Gesundheitsgründen nicht
in der Lage ist, den Job des Hörfunkdirektors auszuüben, und stattdessen als
hoch bezahlter Radioplaner agieren soll. Ich will nicht so weit gehen, von
einem kostspieligen Versorgungsjob zu sprechen, allerdings gibt es etliche
Mitarbeiter des Hauses, die das bereits tun."
Mitsche soll nach seinem Rückzug als Direktor wieder in seine frühere Verwendungsgruppe, die ihm als ehemaligem Landesdirektor zustand, zurückkehren. Er soll auf rund ein Drittel seines bisherigen Direktorengehalts verzichten. Würde der favorisierte Karl Amon danach zum Radiodirektor bestellt, ergäbe sich daraus in finanzieller Hinsicht ein "Nullsummenspiel", war am Dienstag zu hören.