Interventionsvorwurf
Streit über Mehrwert-Steuersenkung dauert an
08.09.2008
Über die Interventionsvorwürfe schweigt Brüssel, aber der Mehrwertsteuersatz könne gesenkt werden, wenn man einen anderen dafür aufgibt.
Österreich kann nach Angaben der EU-Kommission die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel senken, müsste dann aber einen anderen reduzierten Steuersatz aufgeben. "Die Mehrwertsteuer-Richtlinie sieht vor, dass jedes Mitgliedsland nur zwei reduzierte Sätze von mindestens 5 Prozent anwenden darf", bekräftigte Maria Assimakopoulou, Sprecherin von EU-Steuerkommissar Laszlo Kovacs am Montag in Brüssel.
Entweder: alles auf 5 Prozent senken
Ergänzend hieß es aus
Kreisen der EU-Kommission, dies bedeute zwar, dass Österreich die
Mehrwertsteuer auf Lebensmittel auf einen neuen Satz von 5 Prozent
reduzieren könne. Der bestehende Satz von 10 Prozent, der unter anderem für
Lebensmittel, Mieten, Bücher, Kunstgegenstände oder Blumen gilt, müsste dann
aber aufgegeben werden, wobei all diese Güter dann mit 5 Prozent besteuert
werden müssten.
Oder: Wein mit 20 Prozent besteuern
Eine andere Möglichkeit für
Österreich wäre es demnach, den beim EU-Beitritt Österreichs vereinbarten
ermäßigten Satz von 12 Prozent für "ab Hof verkauften Wein" zu streichen. In
diesem Fall könnte Österreich in Zukunft zwei Kategorien von reduzierten
Sätzen - 5 und 10 Prozent - haben. Sollte Österreich den ermäßigten Satz für
"ab Hof verkauften Wein" aufgeben, müsste der Wein allerdings mit dem in
Österreich geltenden Standard-MwSt-Satz von 20 Prozent versehen werden, da
12 Prozent als Minimum in der Richtlinie genannt werden und ermäßigte
Steuersätze auf alkoholische Getränke normalerweise untersagt sind. Die
Tatsache, dass es sich bei dieser Bestimmung um eine Ausnahme handelt,
ändere nichts am generellen Prinzip, dass ein EU-Staat nur zwei ermäßigte
Sätze haben dürfe.
Schweigen über Interventionsvorwurf
Zu Vorwürfen der SPÖ,
die ÖVP habe in dieser Angelegenheit in Brüssel interveniert, gab es von
Seiten der EU-Kommission keinen Kommentar. Finanzstaatssekretär Christoph
Matznetter (S) hatte erklärt, die EU-Kommission hätte ursprünglich nichts
gegen eine Senkung gehabt aber nach Kontakten mit dem Finanzressort in Wien
habe sich diese Einschätzung geändert. Das Finanzministerium wies dies
zurück.
Steuerexperte: "Lächerliche Behauptung"
In die
Debatte um die Stellungnahme der EU-Kommission zum Thema
Mehrwertsteuer-Halbierung auf Lebensmittel brachte sich am Montag auch der
Steuerexperte Werner Doralt ein. Er sieht keine Grundlage für die
Anschuldigungen der SPÖ, die ÖVP habe sich um eine negative Stellungnahme
der Kommission bemüht: "Die Behauptung, Brüssel gebe einzelnen Regierungen
oder Regierungsmitgliedern Gefälligkeitsauskünfte, ist geradezu lächerlich."
In Richtung ÖVP feuerte dagegen FSG-Chef Wilhelm Haberzettl, der die
europäische Gesinnung der Volkspartei in Frage stellte.
Für Doralt ist die behauptete ÖVP-Intervention bei der EU-Behörde unvorstellbar. Selbst bei den sogenannten Sanktionen gegen Österreich im Rahmen der FPÖ-Regierungsbeteiligung im Jahr 2000 habe es sich um eine Maßnahme der Mitgliedstaaten gehandelt und nicht "der EU". Er verurteilte die Debatte: "Mit dieser Methode erzeugt man in Österreich genau die Atmosphäre, mit der die EU bei uns schlecht gemacht wird. Tragisch, wenn das von einer Regierungspartei kommt."
"Genau dieses Bild der EU haben die Menschen satt"
Ähnlich
- wenn auch unter anderen parteipolitischen Vorzeichen - kommentierte
Haberzettl den Streit: "Das ist genau jenes Bild von der EU, das die
Menschen satthaben: dass angeblich hinter den Kulissen heimlich gemauschelt
und gepackelt wird", kritisierte er in einer Aussendung. Wenn die ÖVP, allen
voran Finanzminister Molterer, in Brüssel wirklich Äußerungen bestellt habe,
wonach die von der SPÖ vorgeschlagenen Senkung der Mehrwertsteuer EU
rechtswidrig wäre, dann sei das ein Skandal ersten Ranges. "Es wird ja wohl
auch niemand glauben, dass die SPÖ Vorschläge macht und sich nicht vorher
überlegt hat, ob die Maßnahmen auch in der EU rechtlich halten werden", sagt
Haberzettl.