Wien

Streit um die Schul-Ferien

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Kurz vor Schulende spaltet eine Debatte das Land: Sind neun Wochen Sommerferien zu viel?

Helle Aufregung in Österreichs Klassenzimmern – und das einen Tag vor Ferienstart (in Ostösterreich). Der Vorschlag von Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ), die Sommerferien zu kürzen – O-Ton: „Neun Wochen sind zu lang“ –, lässt die Wogen hochgehen.

Lehrer-Gewerkschafter Paul Kimberger poltert: „Zu den Ferien hat eben jeder eine Meinung, weil jeder einmal in der Schule war. Ich fände es besser, die Ministerin würde sich um wichtigere Themen wie Lehrermangel oder Lehrerausbildung kümmern.“

Betreuungsproblem
Für Schulexperten Niki Glattauer ist das Thema hingegen ganz zentral, denn „derzeit fahren wir ja das gesamte Bildungssystem bereits Ende Mai völlig herunter – eine Ressourcenverschwendung und für die Eltern ein unzumutbares Betreuungsproblem“, so der Lehrer. Sein Vorschlag: nur „sechs Wochen Ferien“ (siehe Interview). Dass Eltern ihre Kinder in den Ferien aus beruflichen Gründen einfach nicht betreuen können, ist auch der Elternverbandsvorsitzenden Elisabeth Rosenberger bekannt: „Aber Ferien zu kürzen ist dafür kein Allheilmittel. Man muss gute und leistbare Betreuung anbieten, nicht einfach nur mehr Schule“, fordert sie.

Wochen verschieben?
Mitten in der hitzigen Diskussion liefert nun eine US-Studie neuen Zündstoff. Kern der Auswertung an der Uni Missouri: Wer zu lange Pause macht, vergisst das, was schon gelernt wurde. Und zwar Stoff von bis zu zweieinhalb Monaten (siehe unten). „Ja, das stimmt, aber wir brauchen trotzdem unsere Zeit zum Erholen“, trotzt Angi Groß (Schülerunion). Ihr Vorschlag: „Streichen darf man die Zeit nicht, aber verschieben könnte man eine Woche schon.“ Kimberger: „Wir wären natürlich bereit, über ein Modell zu sprechen, aber nur dann, wenn es sinnvoll ist.“ Ob es dazu kommt? „Bis jetzt sind alle Versuche, das System zu ändern, gescheitert“, seufzt Gewerkschafter Jürgen Rainer.

Studie: Lange Ferien machen dumm
US-Forscher belegen, dass lange Sommerferien Schüler um Monate zurückwerfen.
Wien. Was die meisten schon lange vermuten, haben Forscher der Universität Missouri bewiesen: Lange Ferien haben negative Auswirkungen auf die Fähigkeiten der Schüler. Das ergab die Auswertung von 39 einschlägigen Studien.

  • Ein Monat Lern-Verlust: Das Vergessen des Lernstoffes setzt bereits nach einem Monat Ferien ein. Je länger die Auszeit, desto mehr wird vergessen. Im Allgemeinen geht den Schülern so über den Sommer ein Monat Schulstoff verloren.
  • Mathe-Wissen sinkt stark: Am schlimmsten betroffen sind die Mathe-Kenntnisse: Über zweieinhalb Monate werden gelöscht.
  • Vorteile für Mittelklasse: Kinder von bessergestellten Eltern haben besseren Zugang zu Nachhilfe und Lernmaterial. Daher sinkt ihr Wissensstand weniger stark als jener von Arbeiterkindern. Beim Lesen bauen die Mittelstands-Kids ihre Kenntnisse im Sommer sogar aus!

Über die Jahre steigt der Rückstand, eine Wissensschere entsteht.

Lehrer und Schulexperte Niki Glattauer
›Schule soll in den Ferien offen sein‹

ÖSTERREICH: Sie sind Lehrer und bekannt für Ihre Schulkritik: Wie gefällt Ihnen der Vorschlag der Ministerin, die großen Ferien zu kürzen?
Niki Glattauer: Der Ansatz ist richtig, aber dafür braucht es ein paar Voraussetzungen. Derzeit läuft das wirklich extrem schlecht, ab Mai fährt man das Schulsystem herunter und in Wahrheit ist es erst Ende September wieder auf Betriebstemperatur. Für die Eltern sind dieser lange Stillstand und die damit verbundene Betreuungsnotlage wirklich unzumutbar.

ÖSTERREICH: Also wäre es richtig, die Ferien zu kürzen?
Niki Glattauer: Man könnte die Ferien auf sechs Wochen kürzen. Aber das Wichtigste wäre: Die Schule müsste trotzdem offen bleiben. Für Nachhilfe, für Sport- und Kulturangebote.

ÖSTERREICH:
Und wer sollte dann dort arbeiten? Lehrer in den Ferien?
Niki Glattauer: Nicht nur, man könnte Studierende einsetzen oder Freizeitpädagogen – aber auch Lehrer.

ÖSTERREICH: Sie sind selbst Lehrer: Wie würden Sie die Begeisterung der Lehrer einschätzen, auch in den Ferien zu arbeiten?
Niki Glattauer: Manche würden es reflexartig ablehnen, andere nicht. Die Sache ist: Eine Schule modernen Zuschnitts sollte auch eine moderne Urlaubsgestaltung haben. Und es würde auch für Lehrer eine Flexibilisierung ihres Urlaubs bringen. Was jetzt gemacht ist, vergeudet nur Ressourcen.
 

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