Ab jetzt will NEOS-Chef Matthias Strolz die Partei auf regierungsfähig trimmen.
Matthias Strolz (40) hat ein, wie er sagt, „mulmiges Gefühl“. Denn: In den aktuellen Umfragen ist er innerhalb von nur vier Monaten der beliebteste Parteichef im Land geworden. Das sei wohl der „Glanz des Neuen“, so der NEOS-Chef im Interview mit ÖSTERREICH. Ab jetzt will er seine Partei inhaltlich stärker positionieren. Denn die kräfteraubende Fusion mit dem Liberalen Forum ist abgeschlossen, erste Bewährungsproben bei den Wahlen stehen an.
Frontalangriff
Angriffsziel der pinken Partei ist dabei offenbar vor allem die ÖVP. Strolz selbst kommt aus der Volkspartei, kennt die Schwächen von innen und analysiert: „Wenn sie von sich aus zerfallen, werden die alten Parteien unser Steinbruch sein. Allen voran die ÖVP. Dort geht es ja nur noch um Machterhalt, sonst ist es eine teils hohle Veranstaltung geworden.“ Bei der Landtagswahl in Vorarlberg will der gebürtige Vorarlberger der Volkspartei im Ländle kräftig Stimmen abgraben und schließlich zeigen, dass er die NEOS auf einen regierungsfähigen Kurs gebracht hat.
Keine Promis
Zuvor hat sich Strolz bei der EU-Wahl ein hohes Ziel gesetzt: Mit Angelika Mlinar an der Spitze will er ein zweistelliges Ergebnis einfahren. Dass er kein bekanntes Gesicht in die Wahl schickt, sieht er nicht als problematisch, im Gegenteil. SPÖ-Kandidat Eugen Freund sei schon kurz nach seinem Antreten verglüht: „Aus dem Stern wurde innerhalb von drei Tagen eine Schnuppe.“
ÖSTERREICH: Sie sind in den Umfragen der beliebteste Parteichef. Wie wollen Sie diese Erwartungshaltung der Menschen erfüllen?
Matthias Strolz: Mir ist manchmal auch mulmig, wenn ich das sehe. Wir haben bisher den Glanz des Neuen nutzen können. Aber jetzt müssen wir inhaltlich überzeugen. Das ist ein anderes Spiel, das jetzt beginnt.
ÖSTERREICH: Sie kommen von der ÖVP. Sind Sie der ÖVP-Schreck?
Strolz: Wir sind hemmungslos, wenn wir aus den politischen Ruinen die Steine heraustragen und damit Neues bauen können. Aber wir wollen die Dinge nicht zerstören. Wenn sie von sich aus zerfallen, werden die alten Parteien unser Steinbruch sein. Allen voran die ÖVP. Dort geht es ja nur noch um Machterhalt, sonst ist es eine teils hohle Veranstaltung geworden. ÖVP-Chef Spindelegger hat zwar jetzt den Ernst der Lage erkannt. Aber die Dinge in der ÖVP können sich schneller ändern, als man glaubt – sowohl personell als auch inhaltlich. Ich kenne viele in der ÖVP und es geht in der Bildungsfrage ein Riss durch die Partei. Das Thema Bildung ist wie eine tickende Zeitbombe in der ÖVP. Die SPÖ ist mit ihrem Zerfallsprozess noch fünf Jahre hinterher. Das Vakuum, das durch das Bröckeln der ehemaligen Großparteien entsteht, wollen wir jedenfalls nicht der Strache-FPÖ überlassen.
ÖSTERREICH: Die SPÖ kämpft mit dem Einstieg von Polit-Neuling Eugen Freund. Ist er schon verglüht, bevor er überhaupt gestartet ist?
Strolz: Zuerst dachte ich: ein guter Schachzug. Doch aus dem Stern wurde innerhalb von drei Tagen eine Schnuppe. Seine Kandidatur ist offensichtlich mittel- bis langfristig für ihn selbst wie auch für die SPÖ ein Risiko. Sein rasches Verglühen zeigt aber auch, dass die Spitzenpolitik ein sehr herausfordernder Beruf ist. Er hat das sicherlich unterschätzt.
ÖSTERREICH: Werden die NEOS auf prominente Quereinsteiger verzichten?
Strolz: Bei uns hat sich noch kein Schauspieler, Skifahrer oder Journalist gemeldet, um bei der EU-Wahl anzutreten. Das ist den Promis zu viel Risiko, denn man muss sich öffentlichen Vorwahlen stellen. Bis 7. Februar laufen diese noch online. Hier kann jeder Bürger und jede Bürgerin seine und ihre Wahl abgeben.
ÖSTERREICH: Wahrscheinlichste EU-Spitzenkandidatin ist Angelika Mlinar. Keine Angst, dass sie zwischen den prominenten Namen aufgerieben wird?
Strolz: Sie muss sich wie alle anderen in der Vorwahl bewähren. Zuerst sind die Bürger am Zug. Persönlich finde ich, dass sie eine ideale Kandidatin ist. Wir NEOS lieben Europa. Das verkörpert sie. Dass sie persönlich in Vorwahlen geht, finde ich von ihr saumutig. Wir wollen bei der EU-Wahl zweistellig werden und zwei Mandate erzielen. Da wird es im Wahlkampf noch ein pinkes Feuerwerk brauchen.
ÖSTERREICH: Die NEOS haben jetzt mit dem Liberalen Forum fusioniert. Wozu?
Strolz: Es war eine ganz delikate Etappe für uns und ich habe jeden Abend ein Stoßgebet von mir gegeben, damit es klappt. Wir beweisen damit, dass wir unser eigenes Haus gut bestellen. Es war ein Kraftakt, weil viele Machtdynamiken entstehen, wenn zwei Parteien fusionieren. Für uns ist es eine Vorleistung für unsere Regierungsfähigkeit.
ÖSTERREICH: Die können Sie frühestens bei den Landtagswahlen in Vorarlberg im Herbst beweisen …
Strolz: Ja, Vorarlberg ist unsere erste Landtagswahl und die Augen sind auf uns gerichtet. Die ÖVP hat im Ländle ihre Verdienste, aber wir haben auch grobe Bedenken. Hier macht sich eine kleine Clique das Land zum Schrebergarten. Ich halte es nicht aus, wenn eine Partei glaubt: Das Land gehört mir. Jeder Mitbewerber wird hier fast als Verräter hingestellt. Ja wo sind wir denn, da spielen wir sicher nicht mit!