Dicke Luft hat am Mittwoch im Nationalrat zwischen Regierung und Opposition geherrscht: Die Debatte zur geplanten Aufhebung des absoluten Rauchverbots in der Gastronomie verlief äußerst laut und aufbrausend. Die ÖVP warf der SPÖ, die die Dringliche Anfrage gestellt hatte, vor, eine Show abzuziehen. "Schämen Sie sich!", rief wiederum NEOS-Chef Matthias Strolz den Regierungsfraktionen zu.
Mehrmals musste Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) in die Debatte eingreifen und Zwischenrufer zur Ruhe mahnen.
Einen emotionalen Auftritt legte zunächst der SPÖ-Abgeordnete Philip Kucher aus Kärnten, wo am Sonntag Landtagswahlen stattfinden, hin: Jene ÖVP-Abgeordneten, die eigentlich schon genau das Gegenteil beschlossen hatten, nämlich das komplette Rauchverbot in der Gastronomie, und dieses nun wieder aufheben sollen, täten ihm leid. "Das ist ja erbärmlich, was hier abgeht", echauffierte sich Kucher. "Wo ist denn die direkte Demokratie?", fragte er die Regierungsparteien aufgebracht. "Beenden wir diese peinliche Debatte. Lassen wir die Bevölkerung abstimmen!"
ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer warf dem SPÖ-Abgeordneten eine "polemische Rede" vor, rieb ihm aber im selben Atemzug auch unter die Nase, "dass Du ab und an gern rauchst". Es werde hier ein falscher Eindruck erweckt: Es bleibe ja eigentlich das Rauchverbot in der Gastronomie, ausgenommen in Extra-Räumen, bestehen. Zudem werde der Nichtraucherschutz gestärkt, denn man mache erstmals klar, "dass Jugendschutz vorgeht", argumentierte Nehammer. So werde es etwa unter 18 verboten sein, sich in Räumlichkeiten aufzuhalten, wo geraucht wird - wobei er einräumte, dass dies in der Kompetenz der Länder liegt. "Rauchen ist schädlich, dazu bekennt sich hier jeder im Raum", betonte Nehammer. Die effizienteste Maßnahme sei noch immer die Verhaltensprävention.
"Da wird bewusst sehr viel Propaganda betrieben", sprang Peter Wurm, Konsumentenschutzsprecher der FPÖ, bei. Es gebe ja seit zehn Jahren ein generelles Rauchverbot in der Gastronomie, aber man habe eben eine Lösung gefunden "für ein friedliches und tolerantes Miteinander von Rauchern und Nichtrauchern", verwies er auf die Ausnahmen - die laut Regierungsplänen nun weiter bestehen sollen. Die vorige Regierung habe ein "totales Rauchverbot" beschlossen, so Wurm: "Allein der Begriff ist schon sehr brutal. Ich frage Sie: wollen Sie ein totales Rauchverbot in Österreich haben?" Es gehe der FPÖ lediglich um Wahlfreiheit.
"Habt's ihr cojones?"
Bei der Debatte gehe es "um Leben und Tod", entgegnete NEOS-Klubchef Matthias Strolz. "Frau Gesundheitsministerin, was ist mit Ihnen? Sie sind für die Gesundheit verantwortlich", gab er sich fassungslos. "HC Strache und ich haben auch schon gemeinsam eine Zigarette geraucht", ließ Strolz wissen. "Aber ich bin verdammt noch mal hier ein Politiker und trage Verantwortung." Es sei "beklemmend, erbärmlich und verantwortungslos", was die Regierungsparteien machen: "Sie stellen parteipolitische Taktik über den Tod von zwei bis drei Passivrauchern in Österreich pro Tag." Die Gegner der Aufhebung des Rauchverbots in den Reihen der ÖVP forderte Strolz etwas deftig auf, einen Aufstand im Klub zu machen und nicht mitzustimmen: "Habt's ihr cojones (Spanisch für Hoden, Anm.), oder nicht?"
Etwas ruhiger versuchte es dann Liste Pilz-Klubobmann Peter Kolba: Er verstehe zwar den Grant der Gastronomen in Österreich, weil man sie Nichtraucherräume bauen und dann wieder abreißen lasse. Aber man sollte trotzdem einbeziehen, was Mediziner zum Passivrauchen sagen, befand Kolba. Dass sich die ÖVP darauf berufe, rein aus Pakttreue zur FPÖ zu handeln, sei lächerlich. Abermals rief Kolba dazu auf, das Volksbegehren "Don't smoke" zu unterstützen.
Die Opposition versuchte es auch mit Anträgen, die freilich keine Aussicht auf Erfolg haben: Die NEOS beantragten eine Volksbefragung, die SPÖ brachte einen (unverbindlichen) Entschließungsantrag gegen eine Aufweichung des Rauchverbots ein.