Wenig Verständnis erntet Karl-Heinz Grasser nach seiner Selbstanzeige.
Die vom "ORF-Morgenjournal" gesammelten Reaktionen zur Causa Grasser sind durchwegs kritisch.
"Weste nicht mehr so weiß"
Der VP-Finanzsprecher und ehemalige ÖVP-Finanzstaatssekretär Günter Stummvoll weist zwar darauf hin, dass für alle Staatsbürger die gleichen Gesetze gelten, sodass auch Grasser die strafbefreiende Selbstanzeige in Anspruch nehmen könne. Aber "dass natürlich die Optik für den ehemaligen erfolgreichen Finanzminister verheerend ist, ist keine Frage". Grasser hätte "sich von Haus aus an alle Gesetze halten sollen. Der Normalfall ist, dass man seine Steuern zahlt", hält Stummvoll fest und meint, es sei Grassers "Weste offensichtlich nicht mehr so strahlend weiß, wie man das früher geglaubt hat".
Der frühere Rechnungshofpräsident Franz Fiedler merkt an, dass Grasser offenbar nicht den "kompletten Durchblick über seine Finanzen" gehabt habe. Und weiter: "wenn man weniger gutgläubig ist, kann man auch mutmaßen, dass Grasser die Befürchtung hatte, es könnte nun auch diese seinerzeit von ihm unterlassene Entrichtung von Abgaben aufgedeckt werden und er dem noch schnell zuvorkommen wollte".
"Peinlich für Finanzminister"
Für den Finanzrechtler Werner Doralt ist die Angelegenheit "peinlich für den früheren Finanzminister" und werfe "doch irgendwie ein bezeichnendes Licht über all das, was man in jüngster Zeit erfahren hat". Doralt hebt hervor, dass offenbar vor der strafbefreienden Selbstanzeige ein strafbares Delikt vorhanden gewesen sei. Auch seien die "Verkürzungen", also nicht geleisteten Steuern aus der Zeit vor 2002, bei denen sich Grasser auf die Verjährung beruft, nun "endgültig verkürzte Beträge, das muss man sich ja auf der Zunge zergehen lassen. Ein Finanzminister beruft sich auf Verjährung, dass er an sich steuerpflichtige Einkünfte nicht versteuert".
Karl Bruckner, Präsident der Kammer der Wirtschaftstreuhänder, verweist wiederum darauf, dass die Besteuerung ausländischer Kapitalerträge 2003 - in Grassers Amtszeit - aufgrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes von einer vollen Steuerbelastung auf 25 Prozent umgestellt worden sei. "spätestens seit damals muss einem Minister bewusst gewesen sein, dass derartige Erträge steuerpflichtig sind", meint Bruckner.