Nach dem Scheitern der Gesundheitsreform haben die niedergelassenen Ärzte am Montag zu einem Gutteil noch gestreikt.
Die für Dienstag und Mittwoch angesetzten Praxisschließungen wurden aber abgesagt. Im Parlament wurde der Sozialausschuss auf unbestimmte Zeit unterbrochen. Die Schuldzuweisungen zwischen SPÖ und ÖVP gingen weiter.
Tausende bei Protest-Demo
Mehrere Tausend Mediziner versammelten
sich am Nachmittag bei der Wiener Oper zu einer Protest-Demonstration. Gegen
17.00 Uhr starteten die großteils weiß gekleideten Ärzte über die gesperrte
Ringstraße Richtung Parlament, wo die Abschlusskundgebung stattfand.
Präsident Walter Dorner übergab unterdessen im Nationalratspräsidium ein
Manifest der Ärzte.
"Seids krank?"-Luftballons
Viele trugen "Seids
krank?"-Luftballons, daneben waren Transparente mit Aufschriften wie "Kassen
sanieren - Patienten ruinieren?", "Billigmedizin gefährdet
Gesundheitswesen" oder "Patienten versorgen statt Gesundheit
entsorgen" zu sehen. Unterstützt wurden die Ärzte durch eine
Blaskapelle sowie durch Moderator Dieter Chmelar. "Wir haben keinen
konkreten Gegner, aber konkrete Anliegen. Die aufgeschobene, aber nicht
aufgehobene Gesundheitsreform erfordert unseren Kampfgeist", rief er in
ein Megafon.
Dorner warnt vor drohenden Verschlechterungen
Ärztekammer-Präsident
Walter Dorner gab die Aussetzung der Schließungen bekannt, warnte aber
weiter vor gravierenden Verschlechterungen im österreichischen
Gesundheitssystem: "Die Gefahr ist größer denn je." Er
plädierte dafür, das in den Verhandlungen Erreichte beiseitezuschieben.
Zurückhaltend gab er sich in seinen Erwartungen für die Demonstration. "Wenn
einer kommt, freue ich mich darüber. Wenn er nicht kommt, verstehe ich es",
sagte Dorner.
Praxen teilweise geöffnet
Nach dem Aus für das
Kassenfinanzierungspaket schwand bereits am Montag der ärztliche Elan zum
Widerstand. In Tirol, Oberösterreich und Kärnten wurden die Praxen zumindest
teilweise geöffnet. Die Salzburger Ärztekammer ließ wissen, dass man an der
Kundgebung in Wien nicht in organisierter Form teilnehmen werde. Die Wiener
Ärztekammer versuchte dennoch zu mobilisieren. In der Hoffnung auf ein "machtvolles
Zeichen unseres Willens" ersuchte sie per Rundschreiben "dringend"
um Teilnahme.
Ansturm auf Ambulanzen blieb aus
Der Ansturm der Patienten auf
die Ambulanzen blieb wie schon an früheren Streiktagen aus, in Graz wurde
allerdings ein stärkerer Andrang bemerkt. Auch der Wiener Ärztefunkdienst
vermeldete mehr Betrieb, es wurde aber eine Entspannung im Laufe des Tages
erwartet.
Sozialausschuss unterbrochen
Im Parlament wurde der
Sozialausschuss nach dem Scheitern der Verhandlungen zum
Kassenfinanzierungspaket für unbestimmte Zeit unterbrochen. Rein
geschäftsordnungsmäßig könnte er auch nochmals im Herbst zusammentreten.
Angesichts der anstehenden Neuwahlen gilt dies aber eher als
unwahrscheinlich.
SP gibt VP für das Scheitern Schuld
Die gegenseitigen
Schuldzuweisungen von SPÖ und ÖVP für das Scheitern gingen weiter, wobei die
Angriffe seitens der SP überwogen. Die Interessen der Patienten seien in
Geiselhaft von Teilen der ÖVP, meinte etwa FSG-Chef Wilhelm Haberzettl.
Gesundheitssprecherin Sabine Oberhauser (S) sah die Verhandlungen aufgrund
der "No-Go-Haltung der ÖVP beim Strukturkapitel" gescheitert.
ÖVP-Sozialsprecher Werner Amon ortete dagegen übergeordnete SP-Interessen.
Für die FPÖ muss zumindest die Kassensanierung sichergestellt werden. Die
Grünen orteten ein peinliches Regierungsversagen auf Kosten der Patienten.