Richterspruch
"Töchter" in Hymne gesetzeskonform
04.03.2010
Das Handelsgericht hat den Antrag auf Einstweilige Verfügung zurückgewiesen. Christina Stürmers Eingriff in den Originaltext "schadet nicht".
Das Handelsgericht Wien hat nichts gegen Töchter in der österreichischen Bundeshymne. Das Gericht hat einen Antrag der Erben der Autorin Paula von Preradovic sowie des Sessler-Verlags auf Einstweilige Verfügung zurückgewiesen. Preradovic' Rechtsnachfolger hatten versucht, die "Bildungsreform"-Kampagne des Unterrichtsministeriums zu stoppen, in der Christina Stürmer in der Hymne Söhnen und Töchter besingt.
Rekurs angekündigt
Begründung der Richterin: Die Autorin
habe damals ihre Urheberrechte an den Staat abgetreten und im Rahmen des
Werknutzungsrechts sei die Änderung zulässig und "schadet
nicht", geht aus dem Beschluss hervor. Sesslers Rechtsvertreter Georg
Zanger kündigte Rekurs an.
Töchter "gesetzeskonform"
Die entsprechenden
Radio- und Fernsehspots der Werbeagentur Lowe GGK sind für das Wiener
Handelsgericht "gesetzeskonform", weshalb ein Antrag auf Erlassung
einer Einstweiligen Verfügung abgewiesen wurde, mit dem Fritz Molden, der
Sohn der Textdichterin Paula von Preradovic, und der Sessler-Verlag, der die
Preradovic-Erben in Urheberrechtsfragen betreut, die weitere Ausstrahlung
der Spots mit der Neuinterpretation verbieten wollten.
Urteil ist "falsch"
Der Beschluss ist nicht
rechtskräftig. Zanger bezeichnete die Entscheidung des Gerichts am
Donnerstag als "falsch" und kündigte an, dagegen umgehend Rekurs
einlegen zu wollen. "Auch bei anderen Urheberrechtsexperten löst diese
Entscheidung nur Kopfschütteln aus", betonte Zanger.
Siehe Bundespräsident
Für das Handelsgericht ist aus der
umstrittenen Textzeile keine Urheberrechtsverletzung ableitbar. "Das
Geschlechterverständnis hat sich in den über 60 Jahren seit der Schaffung
des Textes der Bundeshymne dahingehend verändert, dass nicht mehr der
Begriff Österreicher auch für Österreicherinnen steht, nicht mehr der
Begriff Bürger auch für Bürgerinnen steht, sondern, dass Bürgerinnen und
Bürger bzw. Österreicherinnen und Österreicher, wie auch bei allen
Ansprachen des Bundespräsidenten in den letzten Jahren festzustellen ist,
gleichberechtigt nebeneinander genannt werden", ist dem
Gerichtsbeschluss zu entnehmen.
Eingriff "schadet nicht"
Das geänderte
Geschlechterverständnis zur öffentlichen Diskussion zu stellen, sei "absolut
legitim", hält Richterin Maria-Charlotte Mautner-Markhof fest. Eine
Diskussionsbasis über eine mögliche Textänderung der Bundeshymne könne am
besten dadurch geschaffen werden, "wenn dem davon betroffenen
Österreicher bzw. der davon betroffenen Österreicherin dies in einer
modernen zeitgemäßen Form durch einen in Österreich anerkannten Popstar
nahegebracht wird." Dass in den Originaltext eingegriffen wurde, um die
geänderte Wortfolge "Söhne und Töchter"
hervorzuheben, "schadet nicht", so das Erstgericht.
Die Richterin habe sich mit der rechtlichen Thematik "in keiner Weise auseinandergesetzt" und "lediglich ihre Absicht, den Antrag auf Erlassung einer Einstweiligen Verfügung abzuweisen, ausgedrückt", kritisierte dazu Klägervertreter Zanger. Insbesondere fehle eine Begründung dafür, "wieso die Richterin davon ausgeht, dass die ausdrückliche Gesetzesbestimmung über den Schutz des höchstpersönlichen Rechtes des Urhebers entgegen der bisherigen Judikatur nicht mehr gelten soll".