Ex-Kanzler und Unternehmer Sebastian Kurz war am Montagabend beim C3-Business-Talk zu Gast. Im Interview mit Thomas Prantner sprach Kurz über den Krieg in der Ukraine, Migration, seine Zeit in der Politik und warum er gerne mit der FPÖ weitergearbeitet hätte.
Seit seinem Ausscheiden aus der Politik habe sich viel verändert, resümierte Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz im C3-Business-Talk mit Thomas Prantner. Auch die letzten zweieinhalb Jahre seien "von Veränderung geprägt". Nach seinem Rückzug aus der Politik habe er überlegt "eines der Jobangebot von größeren Unternehmen in Deutschland" anzunehmen, so Kurz. Schlussendlich habe er sich aber dafür entschieden, in die Selbstständigkeit zu gehen.
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Kurz traf Geschäftspartner per Zufall
Zuerst startete Kurz seine Unternehmer-Karriere mit seiner Beratungsfirma. Nach einem halben Jahr wollte er jedoch noch etwas unternehmerisches machen. Gemeinsam mit Shalev Hulio gründete Kurz ein Unternehmen für Cybersicherheit. Den Mitgründer traf er dabei per Zufall. Eigentlich hätte ein Freund von Kurz ihm eine zweitägige Tour durch Israel versprochen, dieser musste jedoch kurzfristig absagen, da seine Frau im Spital lag. Er versicherte Kurz jedoch, dass er jemand anderen habe, der ihn "babysitten" würde. Dieser jemand war dann ausgerechnet Shalev Hulio.
Kurz' "bestes Pferd im Stall"
Nach der Tour meinte Kurz zu Hulio, er wolle mit ihm zusammenarbeiten. Dieser war zu der Zeit beim Unternehmen "NSO" tätig, welches die umstrittene Pegasus-Software entwickelt. Hulio habe sein Angebot ursprünglich abgelehnt, erklärte Kurz. Nach wenigen Monaten habe er sich jedoch umentschieden. Anschließend habe man versucht, "Pegasus-Leute" abzuwerben und deren Wissen in eine Künstliche Intelligenz zu geben. "Dann gab's die ersten Investoren, die das Gott sei Dank unterstützt haben", so Kurz. Die Firma in Israel sei nun "sein bestes Pferd im Stall".
Die politische Lage in Israel sei "sehr, sehr angespannt", so Kurz. "Den 7. Oktober habe ich sehr dramatisch wahrgenommen". Zu der Zeit hatte sein Cyber-Unternehmen bereits über 100 Mitarbeiter. Eine Mitarbeiterin sei direkt betroffen gewesen. Viele seiner Mitarbeiter, unter anderem auch Mitgründer Hulio, seien eingezogen worden. "Gleichzeitig ist Israel extrem resilient". Denn drei Wochen nach dem 7. Oktober "haben wir die zweite Finanzierungsrunde" für das Unternehmen durchgeführt - als sei nichts gewesen.
"Hoffentlich gelingt es, den Krieg zügig zu beenden"
Der Krieg sei dennoch bemerkbar. Es "gibt etwas weniger Flüge, weniger Touristen, eine gedämpfte Stimmung, aber im Grund ist das eine extrem resiliente Bevölkerung". Kurz erklärte weiter: "Hoffentlich gelingt es, den Krieg zügig zu beenden" und die Geiseln zu befreien. Danach sei die große Frage: "Wer managt Gaza?" Das sei eine "undankbare Aufgabe", so Kurz. "Ob die UNO das kann, wage ich zu bezweifeln".
Kritik an Russland-Sanktionen "zu einfach"
Auch zum Krieg in der Ukraine und den damit verbundenen Sanktionen der EU gegen Russland äußerte sich Kurz. "Ich glaube die Schwierigkeit ist, dass mit dem Angriffskrieg, Putin die europäische Union in eine Rolle gebracht hat, wo sie reagieren musste", so Kurz. Er sei froh, "dass die Reaktion kein dritter Weltkrieg war und es wäre aber auch keine Option gewesen, nicht zu reagieren". Die Sanktionen seien daher ein adäquates Mittel gewesen. Diese schaden jedoch nicht immer nur den Sanktionierten, sondern würden "in Summe" schaden. "Sie haben sicherlich Wirkung gezeigt", hätte aber auch eine Verlagerung der Weltwirtschaft ausgelöst, erklärte Kurz.
"Es ist zu einfach, wenn man nur die Sanktionen kritisiert, weil ich würd' sagen: 'Was soll man denn sonst machen?' Ist es Ideal, nein", so Kurz. Langfristig müsse man jedoch das "Block-Denken" wieder beenden. Er hoffe "irgendwann auf Verhandlungen und zumindest ein Ende des Blutvergießens.“
Kurz über die EU-Wahl
Den Rechtsruck bei der kürzlich geschlagenen EU-Wahl sah Kurz gelassen. "Die EU-Wahl war vielleicht ein Trend, aber bei 720 Abgeordneten, ein Plus von etwas über 20 für rechts und mitte-rechts Parteien, ist schon eine Veränderung - aber noch nicht die große Revolution", erklärte Kurz. "Wenn man mich fragt, was wird sich ändern? Ich würd' sagen, relativ viel wird beim Alten bleiben".
Migration: "Ich halte das für Irre"
Scharfe Worte fand Kurz hingegen beim Thema Migration. "Da brauch' ma nicht lange reden", so Kurz. Seine Meinung sei bekannt, er halte das "für Irre". "Jedes funktionierende Land der Welt, vor allem, wenn es so attraktiv ist, dass Menschen dort leben wollen, muss einfach regeln, wer zuwandert. Und für die Europäische Union gilt das noch verstärkt, weil es viele Länder sind ohne Grenzen nach innen. Das System kann so nicht funktionieren und wenn es sich nicht schleunigst noch stärker ändert, dann wird der Druck immer, immer größer werden", so Kurz.
Beim aktuellen "technologischen Wettrennen" zwischen den USA und China spiele die EU "gar nicht mit". Es sei "nicht unser Rennen", so Kurz. Klar sei aber: "Die USA ist in allen Themen extrem gut darin - wie soll ich sagen - auf die eigenen Bedürfnisse zu achten. Also, wer es sich mit den USA verscherzt, auch wirtschaftlich, kann gar nicht so schnell schauen, dass er auf einer Sanktionsliste endet", so Kurz. Das Verhalten der USA kritisiere er aber nicht, das sei immerhin die Aufgabe eines Staates. "Europa ist gut beraten, wenn es versucht, einen eigenständigen Weg zu gehen".
Kurz fordert "Hausverstand" bei Umweltthemen
In der Umweltfrage - die ja erst kürzlich einen heftigen Koalitions-Krach zwischen ÖVP und Grüne ausgelöst hatte - sieht Kurz "Hausverstand" gefragt. „Wenn ich sehe, dass in Deutschland teilweise Heizungen ausgebaut werden, damit’s dann zwei Länder weiter eingebaut werden, dann versteh ich das Ziel, aber ich glaube nicht immer daran, dass der Nutzen groß ist.“ Es sei klar, "wir werden es in Europa nicht alleine für die ganze Welt lösen können".
Seine Zeit in der Politik habe Kurz zwar als "extrem anstrengend" empfunden, aber er habe es auch immer "sehr gerne" gemacht. "Ich habe ziemlich alles erlebt, was man erleben kann, also insofern hab‘ ich’s ausgekostet", so Kurz.
"Die Koalition mit der FPö hat sehr gut funktioniert". Es sei sehr viel in sehr kurzer Zeit gelungen. "Das war ein gutes Zusammenspiel, da war auch viel inhaltliche Nähe da. Das hat sehr gut funktioniert", meinte Kurz. Die Koalition mit den Grünen sei "wesentlich schwieriger gewesen".
War es ein Fehler, die Koalition mit der FPÖ nach dem Ibiza-Video zu kündigen?
„Hätte ich gerne weiter gemacht, ja.“ Aber es sei viel zusammengekommen. „Vom Bundespräsidenten über die Demonstranten, die eigene Partei bis hin zur FPÖ. Das waren keine einfachen und keine eindeutigen Stunden. Es ist damals auch ständig das Gerücht geschürt worden: Es kommt noch so viel, es kommt noch so viel, es sind ein paar Minuten, oder Stunden oder Wochen gibt’s an Material", so Kurz. Da frage man sich dann schon: "Was kommt noch alles?".
„Es war eine schlechte Informationslage. Am Ende des Tages waren es gut geschnittene Minuten, wo man aus der Gesamtzeit auch ganz andere Minuten herausschneiden hätte können. Aber gut, das war nicht die Intention", so Kurz. Ob es anders besser gewesen wäre? Kurz: "Ich glaube, ja"
Keine "Negativ-Emotionen" mit Kickl verbunden
Mit FPÖ-Chef Herbert Kickl verbinde er keine "Negativ-Emotionen". Er habe "keine offenen Rechnungen und keine offenen Themen". Die Kämpfe zwischen der ÖVP und Kickl seien "auch Teil der Politik". An innenpolitischen Diskussionen möchte er sich jedoch nicht mehr beteiligen. "Ich bin einfach nicht am Spielfeld", so Kurz.
ÖVP-Chef und Bundeskanzler Karl Nehammer traut er einen Sieg bei den Nationalratswahlen im Herbst zu. "Ich glaube, Wahlen bringen immer ihre Überraschungen. Alles ist möglich bei Wahlen“, so Kurz. Er drücke "die Daumen" und wird wählen gehen.
War die Koalition mit den Grünen ein Fehler?
"Politik ist immer eine Frage der Optionen. Und die Optionen waren damals überschaubar", begründete Kurz die Zusammenarbeit mit den Grünen. Kurz glaube jedoch, dass die türkis-grüne Koalition "auch eine Zeitlang gut funktioniert hat".
Am Ende des Talks wollte Moderator Thomas Prantner noch wissen, ob Kurz gläubig sei und in die Kirche gehe. „Ja, ich bin definitiv ein gläubiger Mensch", so Kurz. Er gehe auch mit einer "gewissen Regelmäßigkeit" in die Kirche.