Der Verfassungsgerichtshof hat eine andere Sicht als der Verwaltungsgerichtshof. Der VfGH erkennt keine Freiwilligkeit.
Die Anfang 2008 erfolgte "Abschiebung" tschetschenischer Asylwerber aus Kärnten in das Flüchtlingslager Traiskirchen in Niederösterreich ist rechtswidrig. Diese Entscheidung hat der Verfassungsgerichtshof in einem nun veröffentlichten Erkenntnis getroffen. Die Familie hatte beim Unabhängigen Verwaltungssenat für Kärnten Beschwerde gegen das Vorgehen der Behörden eingereicht, welche im September 2008 abgewiesen wurde. Dieser UVS-Bescheid wurde nun vom VfGH aufgehoben.
"Verwaltungsbehördliche Befehlsgewalt"
Das
UVS-Verfahren hatte ergeben, dass die Beschwerdeführer freiwillig in den Bus
gestiegen seien, der sie nach Traiskirchen gebracht hat. Zwang oder Druck
habe es nicht gegeben. Laut VfGH spricht aber gegen die Annahme der
Freiwilligkeit durch den UVS der Umstand, "dass die Behörde sowohl den
Termin für die Verbringung der Beschwerdeführer festgelegt als auch die
Sicherheitsorgane zur Assistenzleistung angefordert hat".
"Befolgungspflicht" angenommen
Dass die anwesenden
Polizisten nicht an der Verbringung der Tschetschenen mitgewirkt hätten,
ändere nichts "am Vorliegen unmittelbarer verwaltungsbehördlicher
Befehlsgewalt", zumal es sich bei den Betroffenen um Asylwerber handle, bei
denen gerade durch die Anwesenheit uniformierter Sicherheitsorgane der
Eindruck einer Befolgungspflicht ausgelöst werde, so die Begründung des
VfGH. Der UVS muss die Verhandlung nun wiederholen.
Abgeschobene waren unschuldig
Die Abschiebung der
tschetschenischen Asylwerber war auf Weisung des mittlerweile verstorbenen
BZÖ-Landeshauptmannes Jörg Haider erfolgt, der damit auf Gewaltexzesse
während der Silvesternacht 2008 reagiert hat. Haider hatte die Abschiebung
damit begründet, dass zwei Familienmitglieder in eine Schlägerei in Villach
verwickelt gewesen seien, was sich im Nachhinein jedoch als unwahr
herausgestellt hatte.
VwGH gegen VfGH
Keine Freude mit dem VfGH-Spruch hat der jetzige
orange Kärntner Landeshauptmann Gerhard Dörfler: Das Höchstgericht
argumentiere "primär gegen Kärnten und gegen Haider", sagte er.
Erst am Freitag hatte Dörfler bekanntgegeben, dass dem Land Kärnten laut Verwaltungsgerichtshof keine verwaltungsbehördliche Befehls- und Zwangsgewalt vorgeworfen werden könne.