Streit eskaliert
Türkei droht Österreich: Jetzt kontert Kern
16.12.2016
Der Kanzler hält die türkische Reaktion für "völlig überzogen".
Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) hat die Reaktion der Türkei auf die österreichische Forderung nach dem Einfrieren der EU-Beitrittsgespräche mit Ankara als "völlig überzogen" bezeichnet. "Mangelnde Höflichkeit ist überhaupt nicht der Punkt, es gibt inhaltlichen Dissens", sagte Kern nach dem EU-Gipfel am späten Donnerstagabend in Brüssel.
Die österreichische Position sei, dass "ein EU-Beitritt der Türkei nicht infrage" kommt, betonte Kern. Allerdings werde stets betont, die Türkei sei "ein wichtiger Partner" etwa in der Wirtschaft- und Sicherheitspolitik sowie in der Flüchtlingsfrage. Auch setze das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei, mit dessen Aufkündigung Ankara der EU oftmals droht, "uns nicht einer einseitigen Erpressung" aus, sagte der Bundeskanzler im Hinblick auf die wirtschaftliche Abhängigkeit der Türkei. Es gebe "viel zu gewinnen und viel zu verlieren - auf beiden Seiten."
"Auf allen Ebenen gegen Österreich"
Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu hatte zuvor mit scharfer Kritik auf Österreichs Forderung nach einem Einfrieren der EU-Beitrittsverhandlungen reagiert und einen Konfrontationskurs angekündigt. Er werde von nun an "auf allen Ebenen gegen Österreich auftreten", sagte Cavusoglu laut Medienberichten vom Donnerstag.
Die Verhinderung einer gemeinsamen Erklärung des EU-Ministerrats vor zwei Tagen zu den Beitrittsgesprächen durch Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) bewertet der Bundeskanzler nicht als "provokant". "Das ist die Position Österreichs", verteidigte Kern das Handelns des Außenministers. Allerdings sei die Suche nach Bündnispartnern unter den EU-Staaten gescheitert, auch in Zukunft sehe er keine Mehrheit dafür. "Wenn die 27 diese Sorgen nicht teilen, wäre das für Österreich keine Grundlage in eine Blockade zu gehen", so Kern.
Aus Erfahrung mit der Diskussion um das Freihandelsabkommen mit Kanada (CETA), in der Österreich ebenfalls Protest anmeldete, wisse er, dass "alle Dinge einen Preis" haben. Und das müsse man sich auch in Richtung der Türkei-Frage überlegen, betonte Kern. "Ich sehe das durchaus mit einen Anflug an Selbstkritik."