Erdogan spaltet Austro-Türken
Türkei-Streit jetzt auch bei uns
23.06.2013
Tausende Erdogan-Anhänger legen Wien lahm: Auch 600 Menschen bei Gegenkundgebung
Die Mariahilfer Straße, kurz nach 14.30 Uhr: Der rote Demozug Tausender Austro-Türken bleibt plötzlich stehen und lauscht andächtig einer männlichen Stimme aus den Lautsprechern: Es ist der türkische Ministerpräsident Recep Erdogan, der spricht. Jubel brandet auf: „Erdogan, Erdogan“-Sprechchöre ertönen. Ordner in orangen Shirts verkeilen sich, um die hitzige Masse zurückzuhalten.
Junge Männer mit „Turkiye“-Shirts, Frauen mit Kopftuch
Sonntagmittag in Wien: strahlend blauer Himmel, doch von Ruhe keine Spur.
Der Türkei-Konflikt hat Österreich erreicht und bis zu 15.000 enthusiastische Erdogan-Anhänger (die Polizei spricht von 8.000) marschieren durch Wien.
Sie tragen Transparente, hissen türkische Flaggen und werden von den Organisatoren mit Techno-Beats motiviert. Es sind junge Männer in roten T-Shirts mit „Turkiye“-Aufschrift, Mütter mit Kopftuch, Familien mit Kleinkindern, die sich mit der Politik in ihrer Heimat solidarisieren.
„Erdogans Politik ist keine Diktatur“, sagten Anhänger
Die 22-jährige Oktay ist eine von ihnen: „Wir gehen heute für unsere Zukunft auf die Straße. Ob das Diktatur ist, müssen andere sagen.“ Tunjay, der seit 28 Jahren in Wien lebt, verneint: „Erdogans Politik hat nichts mit Diktatur zu tun, er macht das gut. Die Türkei braucht ihn.“
Nur langsam schiebt sich der Demozug vom Columbusplatz in Favoriten durch die Wiener City bis zum Christian-Broda-Platz. Bei der Secession knipsen Touristen Erinnerungsfotos. „Das sind aber wirklich viele“, sagt eine Urlauberin. Es ist heiß und hektisch, die Stimmung droht mehrfach zu kippen. Die Polizei hat ein Großaufgebot aufgestellt, agiert betont vorsichtig. Zur Sicherheit ist ein Wasserwerfer nahe der Mariahilfer Straße aufgebaut.
1.500 gehen gegen Erdogan auf die Wiener Straßen
Doch Erdogans Politik spaltet die Türken-Community. Nur wenige Hundert Meter entfernt von der Großdemo protestieren Erdogan-Gegner. Es sind weit weniger, höchstens 1.500, aber genauso überzeugt: „Überall Taksim, überall Widerstand“, grölen sie in die Hitze. Unter ihnen sind auffallend viele Frauen – wie die Sozialarbeiterin Gülperi: „Erdogan missbraucht die Demokratie, seine Reaktion ist nicht zeitgemäß.“ Student Cem Alakoyun (21) sagt: „Erdogan hat die Teuerung verursacht. Die Wahrheit wird im TV nicht gezeigt.“ Was er von der Pro-Erdogan-
Demo hält? „Ich verstehe sie nicht. Wenn wir aufeinandertreffen, wird es gefährlich.“ Doch so weit soll es bis Sonntagnachmittag nicht kommen.
VIDEO TOP-GEKLICKT: Anti-Erdogan-Demo zieht über Ring