Ausschuss-Vorsitzender Bartenstein hat im Parlament Bilanz gezogen - und eingeräumt, dass doch noch einiges nicht geklärt wurde.
Der Untersuchungsausschuss zur Klärung diverser Justiz- und Spitzelaffären ist nun offiziell zu Ende. Ausschuss-Vorsitzender Martin Bartenstein hat am Freitag im Nationalrat seine gut halbstündige Schlussbilanz gezogen. "Das war kein Renommierstück des Parlamentarismus", sagte Bartenstein mit Blick auf den seit Wochen andauernden offenen Konflikt zwischen Koalition und Opposition. Bartenstein appelliert nun an alle Parteien, sich bis Ende März auf die Reform der U-Ausschüsse zu einigen, die der Opposition im Alleingang die Einsetzung eines solchen Kontrollgremiums ermöglichen soll. Inhaltlich wies Bartenstein die Vorwürfe der Opposition - etwa in Sachen "Politjustiz" - zurück.
Streit um Ministerladungen
Gescheitert war der U-Ausschuss u.a.
an der Weigerung der Koalition, aktuelle und frühere Regierungsmitglieder
als Auskunftspersonen zu laden. Bartenstein, der zuletzt selbst für die Ladung
von Ministern plädiert hatte und sich dafür - wie er nun sagte - auch
parteiinterne Kritik anhören musste, verteidigte die Vorgangsweise der
Koalition vom Rednerpult aus. Anders als bei Eurofighter-Ausschuss sei man "in
diesem Fall waren wir nie auch nur ansatzweise bei einem Punkt, wo es um
eine Weisung eines Ministers gegangen wäre", sagte Bartenstein.
Daher hätten die Klubchefs der Koalition zu recht gesagt, "nur
weil die Opposition es will, lassen wir uns die Minister nicht vorführen".
Causa Aliyev nicht fertig
Nicht abgeschlossen wurde laut
Bartenstein die Untersuchung der Geheimdienstaffäre rund um den kasachischen
Ex-Botschafter in Österreich, Rakhat Alijew (Aliyev). Hier hätte er sich die
Ladung zusätzlicher Auskunftspersonen gewünscht - etwa des vom
Verfassungsschutz als kasachischer "Einflussagent" bezeichneten
früheren ORF-Journalisten Berndt E. und des früheren SP-Wehrsprechers Anton
Gaal, der mit einem kasachischen Agenten Kontakt hatte.
Aufenthalt besser als Asyl
Zurückgewiesen wurde von Bartenstein
allerdings die Kritik an der raschen Erteilung der Aufenthaltsgenehmigung
für Alijew: Der Ex-Botschafter hatte am 24. August beim Land
Niederösterreich eine Aufenthaltsbewilligung beantragt. Der Antrag langte am
3. September bei der BH Horn ein und wurde noch am selben Tag genehmigt.
Bartenstein betonte, Alijew hätte angesichts drohender Verfolgung in seiner
Heimat andernfalls auch einen Asylantrag stellen können: "Aus
meiner Sicht ist es allemal zweckmäßiger, im Interesse des Landes zu sagen,
Aufenthalt bekommt er, sonst stellt er einen Asylantrag mit allen bekannten
Folgewirkungen."
"Keine Politjustiz"
In der vom Ausschuss ebenfalls
untersuchten "Causa Westenthaler" attestierte Bartenstein der
Staatsanwaltschaft eine "überschießende" Vorgangsweise.
Die Staatsanwaltschaft hätte den Abgeordneten zumindest als Zeugen befragen
müssen ("gelinderes Mittel"), bevor sie seine Handykontakte
zurückverfolgte. Eine böswillige Vorgangsweise attestierte Bartenstein der
Staatsanwaltschaft aber nicht: "Diesen Vorsatz sehe ich nicht,
allenfalls Nachlässigkeit." Auch den von der Opposition erhobenen
Vorwurf der "Politjustiz" wies Bartenstein als "ungerechtfertigt"
zurück. Allerdings plädierte er dafür, die Arbeit der Staatsanwaltschaft im
Nachhinein durch einen vertraulichen Parlamentsausschuss zu kontrollieren.
War der Polizist ein Polizist?
Nicht festlegen wollte sich
Bartenstein im blau-grünen Konflikt um die "Causa
Öllinger". Hier wirft die FPÖ dem Grünen Sozialsprecher Karl
Öllinger, der
neuerlich ausgeliefert wird, vor, mit Hilfe eines Polizisten auf interne
Behörden-Informationen über rechtsextreme Kontakte der Blauen zugegriffen zu
haben. Die Schlüsselfrage werde hier sein, "ob es dem Abgeordneten
Öllinger bekannt war, ob der Polizist ein Polizist war". Das müsse
nun das Gericht klären. Klar sei allerdings, dass die Polizei bei der
Genehmigung von Nebentätigkeiten (der Polizist hatte ein privates
Unternehmen) "restriktiver" sein müsse.
Mehr Diskretion nötig
Insgesamt hätte sich Bartenstein im
Ausschuss "den Verzicht auf persönliche Beleidigungen" und "etwas
mehr Respekt" auch gegenüber den Auskunftspersonen gewünscht. Als
Problem sieht Bartenstein das "überschießende Zitieren"
aus vertraulichen Akten in öffentlicher Sitzung. Er wünscht sich daher für
die Zukunft ein Eingriffsrecht des Vorsitzenden, wenn ein Abgeordneter damit
zu viele vertrauliche Informationen öffentlich macht. Als Dauer der
U-Ausschüsse hält Bartenstein künftig drei bis sechs Monate für "angemessen".
"Nicht einmal das können wir"
Die im Konsens
gestartete Untersuchung sei eine Chance gewesen, die man angesichts der
folgenden Konflikte aber nicht genutzt habe, bedauerte Bartenstein. "Das
war kein Renommierstück für den Parlamentarismus", so der
Ausschuss-Vorsitzende. Er plädierte daher an alle Parteien, die nächsten
drei Monate zu nützen, um sich auf eine Reform des U-Ausschusses zu einigen.
Klar abgelehnt wird vom ÖVP-Abgeordneten aber die Einsetzung von Richtern
als Vorsitzende: "Wenn wir hier einen pensionierten Richter nehmen,
dann ist das eine Bankrotterklärung nach dem Motto: nicht einmal das können
wir machen."
Für die Zukunft wünscht sich Bartenstein die Einführung des auch von den Grünen vorgeschlagenen "Parlamentsgeheimnisses" zum Schutz von Abgeordneten und ihren Mitarbeitern. Die parlamentarische Immunität sollte nach Ansicht des ÖVP-Abgeordneten reformiert werden: Er könnte sich vorstellen, dass nach deutschem Vorbild "verleumderische Beleidigungen" vom Rednerpult aus nicht mehr unter die Immunität fallen.
Opposition einhellig gegen Koalition
Die Opposition hat sich
geschlossen gegen das "Abdrehen" des Untersuchungsausschusses
gestellt und im Wesentlichen die ÖVP dafür verantwortlich gemacht. Der SPÖ
wurde von FPÖ, BZÖ und Grünen vorgehalten, von der Arbeit im Gremium
eigentlich gar nichts so recht mitbekommen zu haben. Einzig, als es um die
Verbindungen von SPÖ-Pensionistenchef Karl Blecha nach Kasachstan gegangen
wäre, sei man bei den Sozialdemokraten aufgewacht und war "beim
Abdrehen dabei", befand der BZÖ-Fraktionschef im U-Ausschuss Ewald
Stadler.
Auch der Dritte Nationalratspräsident Martin Graf hätte die Verbindungen der heimischen Politik nach Kasachstan gerne näher erläutert: "Wenn jemand gesteuert war von einem ausländischen Geheimdienst, war es der Charly Blecha." Die Vorwürfe an freiheitliche Politiker, wonach man im Auftrag Kasachstans parlamentarische Anfragen gestellt haben, seien jedenfalls widerlegt worden. Diese Einschätzung bestätigte übrigens auch der Grüne Justizsprecher Albert Steinhauser.
"Aufklärungswürdige Geldflüsse"
Stadler
sprach von Geldübergaben im Hotel Sacher und aufklärungswürdige Geldflüsse.
Näher untersuchen will er weiter die Rolle von Blecha und vom
VP-Delegationsleiter in Brüssel, Ernst Strasser: "Sie haben beide
für Kasachen gearbeitet."
Bunte "Notwehrgemeinschaft"
Dass die Aufklärung nicht
zu Ende sei, nur weil die Koalition den Ausschuss heute zu einem Abschluss
bringe, machten Vertreter aller Oppositionsfraktionen deutlich: "Sie
werden der Aufklärung trotz des Abdrehens nicht entgehen können",
prophezeite Graf. Pilz versicherte, dass die "Notwehrgemeinschaft"
der drei Oppositionsparteien fortgesetzt werde.
SPÖ lässt ÖVP "für sich denken"
Den
Grund für den raschen Abschluss des Ausschusses sieht der Grüne
Fraktionschef darin, dass das Verfahren für die ÖVP zu ordentlich gewesen
sei. Einen Appell direkt an die Volkspartei gab es trotzdem, sei bei der SPÖ
doch eh Hopfen und Malz verloren und werde in der Koalition der ÖVP das
Denken für beide überlassen. Es könne doch nicht sein, dass unverdächtige
unbescholtene Menschen, die in der Nähe einer Veranstaltung ein Kfz parken,
vom Abwehramt überwacht und über sie Akten angelegt würden, sprach er einen
entsprechenden Vorfall bei einer Eurofighter-Diskussion in Knittelfeld an.
"Partnerschaft zur Vertuschung"
Angeprangert wurde von
Pilz ferner, dass die Ermittlungen gegen Ex-Innenminister Strasser wegen
Amtsmissbrauchs eingestellt werden mussten, weil der Staatsanwaltschaft eine
entsprechende Anzeige bis zum Ende der Verjährungsfrist übersehen hatte.
Stadler sprach in diesem Zusammenhang von "Politjustiz", Graf
ortete eine "eingetragene Partnerschaft von SPÖ und ÖVP zur Vertuschung
von Missständen in der Verwaltung und der Vollziehung".
"Fließende Übergänge" zu Neonazis
Bei
aller Einigkeit, was die Kritik an ÖVP und SPÖ angeht, gab es auch in der
Opposition ein Scharmützel. Dabei ging es um die Vorwürfe, wonach der Grüne
Sozialsprecher Karl Öllinger die FPÖ durch einen Polizisten bespitzeln habe
lassen. Für Graf ist durch den Ausschuss der "grüne Spitzelskandal
eindeutig erwiesen". Pilz meinte, die Vorwürfe gegen Öllinger habe die
Justiz zu klären, es habe sich aber auch im Ausschuss gezeigt, dass es "fließende
Übergänge" zwischen Teilen der oberösterreichischen FPÖ und
der Neo-Naziszene gebe.
Schelte für Staatsanwälte
SPÖ und ÖVP konzentrierten
sich insgesamt darauf darzustellen, dass der Ausschuss ohnehin viel und gut
gearbeitet habe. 121 Stunden, 2.000 Seiten Protokolle, 21.000 Seiten Akten
und Dokumente wurden aufgelistet - und das ohne Schwärzungen. Kritik gab es
an der Staatsanwaltschaft. Es habe sich gezeigt, dass Teile der Behörde
überfordert gewesen und mit Teilen der Strafprozessordnung nicht zurecht
gekommen seien. Es dürfe nicht passieren, dass ganze Aktenteile vergessen
werden.
Gemeinsam von der Koalition eingebracht wurde ein Entschließungsantrag, welche Lehren man aus dem Ausschuss ziehen sollte. Darin enthalten ist unter anderem die Forderung, dass Verfolgungshandlungen gegen Abgeordnete, sofern der politische Zusammenhang nicht offensichtlich verneint werden muss, ausschließlich nach erfolgter Zustimmung (des Parlaments) zur behördlichen Verfolgung erfolgen dürfen. Auch sei der Informationsschutz von Abgeordneten und der Schutz von Unterlagen in Strafverfahren ausreichend sicherzustellen.
Audimax-Besetzer warfen Flugzettel
Begleitet wurde die Debatte
von ein wenig Aktionismus. Direkt nach Amons Rede quietschten einige
Audimax-Besetzer von der Besucher-Galerie aus "Demokratie setzt die
Bildung des Volkes voraus" und warfen ein paar Flugzettel auf die
Abgeordneten, bis sie nach ein wenig Ringen aus dem Saal geleitet wurden.
Stadler wiederum hielt während seiner Rede das legendäre Foto Bartensteins
in Kasachen-Tracht hoch, unter dem "abgedreht" stand. Besonders
gefiel Stadler, dass der Ausschussvorsitzende dies mit 'Herzlichst Martin
Bartenstein' signiert habe. Für den BZÖ-Abgeordneten ist damit quasi
amtlich, dass der U-Ausschuss im Auftrag von VP-Chef Josef Pröll "abgedreht"
wurde.
Lob kassierte Bartenstein von ungewohnter Seite. Pilz attestierte dem früheren VP-Minister den Versuch, den Ausschuss ordentlich zu leiten. Auch der ebenfalls im Vorfeld stark kritisierte Verfahrensanwalt Klaus Hoffmann bekam Lob des Grünen-Fraktionschefs aber auch Stadlers zu hören.
Eigene "Abschlussberichte"
Die FPÖ und die Grünen
haben zum Untersuchungsausschuss eigene Berichte verfasst. Die
Freiheitlichen nennen ihren bezeichnenderweise "Zwischenbericht".
Eingebracht werden die beiden Berichte in Form von Entschließungsanträgen.
Kein Dokument gibt es vom BZÖ. Dies wäre eine "Kapitulationserklärung",
schließlich wolle man den Ausschuss fortsetzen, hieß es.