Neues anonymes Gutachten
Uni Wien will bald über Plagiatsverfahren gegen Zadic entscheiden
21.02.2022Die Uni Wien will bald über die Einleitung eines Plagiatsverfahrens gegen Justizministerin Alma Zadic (Grüne) entscheiden.
Grundlage ist ein anonymes Gutachten, das vom ÖVP-nahen Online-Medium Exxpress veröffentlicht wurde, hieß es zur APA - Voraussetzung sei aber, dass dieses wie angekündigt auch übermittelt wird. Im Büro von Zadic wies man den bereits seit Jänner im Raum stehenden Vorwurf erneut zurück: Die Arbeit entspreche international anerkannten juristischen Standards.
"Die Arbeit ist als englischsprachiges Werk streng nach Zitierregeln des Harvard-Bluebook verfasst", hieß es weiter. Zadic hatte 2017 über den Einfluss des UNO-Tribunals für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) auf die Rechtsentwicklung in den Nachfolgestaaten dissertiert.
Ein Plagiat liegt dann vor, wenn "Texte, Inhalte oder Ideen übernommen und als eigene ausgegeben werden", heißt es im Universitätsgesetz. Dies umfasse "insbesondere die Aneignung und Verwendung von Textpassagen, Theorien, Hypothesen, Erkenntnissen oder Daten durch direkte, paraphrasierte oder übersetzte Übernahme ohne entsprechende Kenntlichmachung und Zitierung der Quelle und der Urheberin oder des Urhebers". Die Verfasserin bzw. der Verfasser muss außerdem mit Täuschungsabsicht handeln.
Plagiatsjäger fällt neues Urteil
Die Arbeit von Zadic stand bereits vor einigen Wochen in der Kritik von "Plagiatsjäger" Stefan Weber, der seine Meinung mittlerweile mehrfach geändert hat. Bereits 2020 hatte er einen Auftrag zur Prüfung der englischsprachigen Dissertation bekommen. Sein damaliges Urteil: Null Plagiatsstellen. Nach einem ebenfalls auf Exxpress veröffentlichten ersten Gutachten sah er sich vor einigen Wochen aus Eigeninteresse die Arbeit noch einmal an und fand vier Stellen, die er als Plagiatsfragmente wertete - diese seien zwar zum Teil schwerwiegend gewesen, aufgrund der geringen Zahl aber für eine Aberkennung des Doktorgrads sicher nicht ausreichend.
Angesichts des neuen Gutachtens sei aber auch das ein "Fehlurteil" gewesen, so Weber zur APA. Mit der gebräuchlichen Software "Turnitin" wären viele Stellen aufgrund der vorgenommenen Umformulierungen nicht auffindbar gewesen. Zadic habe in ihrer Arbeit zwar ausgiebig - wenn auch nicht immer richtig mit Anführungszeichen versehen - zitiert. Viele Stellen seien aber nicht abgeschrieben, sondern mit einer etwas anderen Formulierung umgeschrieben und nicht ausreichend gekennzeichnet worden - etwa indem die Quellen der Passagen zwar anderswo genannt werden, aber nicht überall wo nötig.
Sein neues Urteil: "Für mich ist das Kriterium der Selbstständigkeit nicht mehr erfüllt - in einer Dissertation müssen wissenschaftliche Fragestellungen selbstständig bewältigt werden." Wären auch die umformulierten Passagen korrekterweise mit Fußnoten versehen worden, wäre kaum eine eigene Leistung übrig geblieben. "Und die Kriterien kann man nicht so tief hängen, dass Umschreiben eine Eigenleistung ist."
"Ob man das jetzt Plagiat nennt oder Umschreibunkultur, ist eine Frage der Etikette", meint Weber. Seiner Ansicht nach müsse die Uni den Doktorgrad aberkennen - außer Zadic könne nachweisen, dass sie diese Arbeitsweise so an der rechtswissenschaftlichen Fakultät gelernt habe. Das sei auch nicht auszuschließen: "Dann fehlt nämlich die Täuschungsabsicht."
Den ursprünglichen Begutachtern der Arbeit an der Uni macht Weber keinen Vorwurf: Um die entsprechenden Umformulierungen zu erkennen, müsse man abseits von Plagiatssoftware genau hinschauen: "Das ist mehr, als ein einzelner Gutachter tun kann." Nach Auftauchen des ersten "Exxpress"-Gutachtens hatten sowohl die stellvertretende Vorständin des Instituts für Strafrecht und Kriminologie der Uni Wien, Ingeborg Zerbes, als auch Zadic' Doktorvater Frank Höpfel die Arbeit verteidigt.
Weber ortet vor allem ein Ausbildungsproblem: "Wir dürfen Dissertantinnen nicht antrainieren, dass sie nur umformulieren, sondern sie dazu bringen, eigene Gedanken zu fassen und nicht an der Literatur kleben zu bleiben. Derzeit produzieren wir vor allem Libretto-Schreiber: Unsere Kultur bringt Leute hervor, die eine Vorlage brauchen."